Einsparungen von bis zu 2000 Mark pro Auto erwartet

Autogiganten gründen gemeinsamen Marktplatz für Lieferanten und Händler

03.03.2000
MÜNCHEN (CW) - General Motors (GM), Ford und Daimler-Chrysler haben den Aufbau eines gemeinsamen Online-Marktplatzes für Zulieferer und Händler beschlossen. Durch das neu entstehende, selbständige E-Business-Unternehmen steht der Handel mit Autos und Autoteilen vor einer tief greifenden Umwälzung.

Die Idee zu einem gemeinsamen Marktplatz der drei umsatzstärksten Autohersteller ist der Sorge der Amerikaner entsprungen, die Europäer könnten einen eigenen Standard setzen.

Ford und General Motors wollen ihre Ende letzten Jahres eröffneten Online-Marktplätze "Auto Xchange" beziehungsweise "Trade Xchange" nun zu einem Unternehmen zusammenlegen und Daimler-Chrysler mit ins Boot holen (siehe Kasten). Die drei Auto-Konzerne werden an der neuen Company, für die bislang weder Name noch Management-Team bekannt gegeben wurde, je zu 25 Prozent beteiligt sein. Minderheitsanteile gehen zudem an die Technologiepartner des Joint Ventures, Oracle, Commerce One und Cisco Systems. Das Projekt soll noch im ersten Quartal 2000 endgültig abgesegnet werden.

Die neue Online-Handelsplattform wird nach Ansicht von Brian Kelley, Fords Vice President für E-Commerce-Projekte, zum weltweit größten virtuellen Warenumschlagplatz, für den in absehbarer Zukunft auch ein Börsengang geplant sei. Der Jahresumsatz des E-Commerce-Marktplatzes, der sich aus Transaktionsgebühren, Werbeeinnahmen und Serviceleistungen zusammensetzt, werde sich auf mindestens drei Milliarden Dollar belaufen. Nach der Inbetriebnahme soll die Website ein Einkaufsvolumen von rund 240 Milliarden Dollar jährlich abwickeln.

Die virtuelle Business-to-Business-Handelsbörse wird allen Zulieferern, Partnern und Händlern der drei Autokonzerne offen stehen. Diese können eine Vielzahl von Transaktionen tätigen, darunter Katalogeinkäufe, Ausschreibungen, Preisangebote, Online-Beschaffung und Auktionen. Zudem sollen Management-Funktionen für die Versorgungskette bereitstehen, wie etwa Kapazitätsplanung, Nachfrageprognosen, Produktionsplanung, Transaktionsautomatisierung in der Supply Chain, Finanzdienstleistungen sowie Zahlungssysteme und Logistik. Bei diesen Zusatzfunktionen geht es vor allem um Kostensenkung. GM-Vertreter hatten zur Trade-Xchange-Gründung im November 1999 verkündet, der virtuelle Handelsplatz könnte bis zu 90 Prozent der für die Auftragsabwicklung anfallenden Kosten einsparen.

Mit dem Joint Venture reagieren die Automobilhersteller nach eigenen Angaben auf den Wunsch der Zulieferer und Händler nach nur einem Handelsplatz. Unterschiedliche Systeme waren das Haupthindernis für eine breite Akzeptanz der elektronischen Marktplätze durch Partner der Autohersteller. Allerdings herrscht nun bei den Zulieferern keineswegs nur eitel Sonnenschein. "Wenn die Hersteller über die genauen Kosten für jedes einzelne Teil, das wir kaufen, Bescheid wissen, dann macht es alles nur schwieriger. Worüber sollten wir dann noch verhandeln?" kommentiert David Cote, President and CEO des amerikanischen Zulieferers TRW Inc., das Vorpreschen der Autoriesen. Gerade die kleinen Zulieferer seien verängstigt, gibt Eckard Cordes, Technikchef bei Daimler-Chrysler, zu. Er betont aber die Vorteile wie höhere Rabatte für Einkäufe, geringere Lagerkosten und einfacherer Zugang zu mehr und größeren Kunden. Ohne Zweifel steigt jedoch der Kostendruck: Ford, GM und Daimler-Chrysler rechnen mit Einsparungen bis etwa 2000 Mark je Fahrzeug.

Die zunächst betriebene Zusammenlegung der Ford- und GM-Aktivitäten hat zudem eine Technologie-Auslese zur Folge. Softwaregigant Microsoft und das auf Supply-Chain-Management spezialisierte I2 Technologies, die für GMs Trade Xchange Produkte zur Verfügung gestellt hatten, sind aus dem Rennen. Stattdessen liefert künftig Oracle - wie schon für Fords Auto Xchange - seine "8i"-Datenbank für den gemeinsamen E-Commerce-Marktplatz. Ford bringt außerdem seinen Netzwerkpartner Cisco und GM seinen Trade-Xchange-Partner Commerce One mit an Bord.

Mit dem Datenbank- und ERP-Spezialisten Oracle und dem E-Procurement-Experten Commerce One sitzen damit zwei Konkurrenten im selben Boot. In den nächsten Wochen sollen die verschiedenen Komponenten beider Unternehmen für den Betrieb des Online-Marktplatzes zusammengestellt werden. Dabei können beispielsweise die benötigten Beschaffungs-, Katalog-Management- oder Auktionsfunktionen sowohl von Commerce One als auch von Oracle kommen.

Der entstehende Marktplatz übt schon jetzt eine enorme Sogwirkung aus. Die Mitwirkung der mit den amerikanischen Firmen verbandelten japanischen Hersteller Isuzu, Suzuki und Madzda ist offenbar beschlossene Sache. Mitsubishi prüft den Schritt, ebenso wie Toyota und Honda. Volkswagen (VW) wird sich allerdings nicht an dem gemeinsamen Projekt beteiligen. Ein Sprecher teilte mit, sein Unternehmen bereite ein eigenes Projekt für den Einkauf bei seinen rund 10000 Zulieferern vor, das noch in diesem Jahr marktreif sein solle. Auch BMW will ein eigenes System installieren.

Daimler-Chrysler und SAP gründen Tochter für E-CommerceMÜNCHEN (CW) - Die SAP und Daimler-Chrysler (DC) kooperieren. Hierzu soll das deutsche Softwarehaus eine Tochter gründen, an der DC beteiligt ist. Das neue Unternehmen soll beim Aufbau des gemeinsam von den drei Autokonzernen DC, General Motors (GM) und Ford geplanten Internet-Marktplatzes beratend und mit Technologieentwicklungen tätig werden, schreibt die "Financial Times Deutschland".

Gundolf Moritz, bei der SAP Leiter der Abteilung Investor Relations, sagte, sein Unternehmen werde zu Spekulationen keinen Kommentar abgeben. Weder bestätige noch bestreite man entsprechende Aussagen. Alexander Fink, Unternehmenssprecher des Debis Systemhauses (DS), wollte die neue Entwicklung nicht kommentieren. Auf die Frage, ob DS nicht für einen Auftrag genauso in Frage komme wie ein externer Dienstleistungsanbieter, antwortete Fink, prinzipiell gehe er davon aus, dass DS als IT-Dienstleister mit in diesen Wettbewerb eingebunden werde. Da Daimler-Chrysler aber größter Kunde des DS sei, sei es zu früh, einen Kommentar abzugeben.

Die geplante Zusammenarbeit wirft auch ein Licht auf die geplante Veräußerung der IT-Services-Division von DC, das Debis Systemhaus. Eine entsprechende Entscheidung sei bis Ende März 2000 zu erwarten, sagte DC-Vorstandsvorsitzender Jürgen Schrempp.