Portables haben bei Versicherungen derzeit noch keine Chance

Außendienstler arbeiten weiter mit Papier

16.05.1986

An einer Zielgruppe beißen sich Portable-Anbieter noch immer die Zähne aus: Die meisten Außendienstmitarbeiter von Versicherungen und Krankenkassen arbeiten im Wohnzimmer des Kunden nach wie vor mit Papier. Auch in naher Zukunft ist in dieser Branche nicht mit dem Durchbruch der mobilen PC für den Einsatz vor Ort zu rechnen. Zu sehr sind die einzelnen Unternehmen derzeit damit beschäftigt, ihre Büros mit stationären Arbeitsplatzrechnern auszustatten und zu vernetzen.

Gerade zwei Jahre ist es her, da setzte in Deutschland ein wahrer Portable-Boom ein: Nahezu jeder Hersteller wollte in diesem damals noch jungen Markt ein Wörtchen mitreden und entwickelte einen solchen mobilen Rechnerzwerg - mehr oder minder leistungsfähig, mehr oder minder tragbar. Als Zielgruppe galten vor allem Anwender, die oft unterwegs sind. So umgarnten die Hersteller Manager, Journalisten, Steuerberater, aber auch Versicherungen und Krankenkassen. Ihre Außendienstmitarbeiter, so die Verkaufsargumente der Anbieter, könnten mit diesen Geräten den Kunden vor Ort umfassender und flexibler beraten.

Getan hat sich bei Versicherungen und Krankenkassen in Sachen Portable-Einsatz im Außendienst indes wenig. Zwar sind bei einigen wenigen Unternehmen dieser Branche sogenannte Tarifrechner im Einsatz mit denen beim Kunden diverse Berechnungen durchgeführt werden können, doch von Portables mit "PC-Intelligenz" keine Spur. Dabei sehen die Versicherungen durchaus Sinn und Zweck dieser tragbaren Geräte für ihre Außendienstmitarbeiter und planen "irgendwann" ihren Einsatz.

Derzeit jedoch sind die Versicherungen noch mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Als der Portable-Boom 1984 einsetzte, hatten viele Unternehmen gerade erst damit begonnen, über die Ausstattung ihrer Vertriebsbüros mit stationären PCs nachzudenken. Und diese Installierungsphase ist auch heute beileibe noch nicht abgeschlossen. Bestätigt Martin Balleer, Vorstandsmitglied der Gothaer Versicherungen, Göttingen: "Die Versicherungen haben immer noch einen enormen Nachholbedarf, was den Ausbau der stationären Netze in ihren Außenstellen angeht." Die Göttinger befinden sich - wie viele andere Versicherungen auch - gerade in der Endphase ihrer Dezentralisierungsbemühungen.

Dennoch behalten die Versicherungen den Portable-Markt im Auge. Schon so mancher tragbare PC wurde getestet, doch erscheinen den Verantwortlichen diese Geräte trotz "voranschreitender Entwicklung" noch zu unausgereift. Allein das Gewicht stößt immer wieder auf viel Kritik. So seien die Portables zwar zu transportieren, aber mehr auch nicht. Martin Balleer: "Bei vielen, tragbaren- PCs muß man doch über eine gewisse Kraft verfügen, um das Gerät zum Kunden zu schleppen." Und Gerhard Karck, Leiter des Rechenzentrums der Ortskrankenkassen von Schleswig-Holstein (ROSH), fügt hinzu: "Gewichte von mehr als 20 Kilogramm kann man doch keinem Sachbearbeiter zumuten."

Aber auch die Peripherie bereitet Probleme. So fehlen nach Ansicht von Franz Eichinger, Fachbereichsleiter Versicherung - Vertriebsobjekte bei der Mummert & Partner Unternehmensberatung GmbH,. Hamburg, zum Beispiel geeignete Drucker, um beim Kunden Tabellen oder Verträge ausdrucken zu lassen. Auch die Akustikkoppler halten, so Gerhard Karck, durchaus nicht immer das, was die Hersteller versprechen.

Der ROSH-Leiter weiß, wovon er spricht. Bereits seit anderthalb Jahren testet er Portables mit PC-Intelligenz für den Einsatz bei den AOK-Beratern im Außendienst. "Wir haben mit dem IBM Portable angefangen und in der Zwischenzeit schon einige Geräte ausprobiert - und auch einige Enttäuschungen erlebt." Ob es um Kompatibilität oder Emulationssoftware geht, vieles ist laut Karck nur Stückwerk. "Die Hersteller-', so der DV-Experte, haben die Portables auf den Markt geworfen, ohne über ihre organisatorische Einbindung in den Datenfluß der Unternehmen nachzudenken."

Dennoch glaubt Karck, daß die intelligenten Portables ihren Platz in der Versicherungsbranche finden werden. Die Krankenkassen wollen ihren Kunden näherkommen. Und das vor allem in Orten, die aufgrund schwächerer Frequentierung keine feste Verwaltungsstelle haben." Sein Plan ist es, die Berater, die in solche Orte fahren, mit einem tragbaren PC auszustatten. Per Akustikkoppler soll dann die Unterstützung vom Zentralrechner erfolgen.

Auch an die sogenannten Betriebsberater ist gedacht. Ihnen möchte Karck Disketten mit den jeweiligen Betriebsdaten mitgeben. Die Floppies sind mit einem Kennsatz versehen, so daß die Zentrale kontrollieren kann, ob bei Zugriff auf den Host Daten abgefragt werden, die den Berater nichts angehen. Auf diese Weise, so Karck, "ist auch die Datenschutzfrage geklärt. Der Außendienstmitarbeiter kann Zusatzinformationen abfragen, aber wir haben die Kontrolle darüber." Noch ist die Testphase jedoch nicht abgeschlossen, denn den geeigneten Portable hat Karck nach wie vor nicht gefunden.

Von Schwierigkeiten bei der Geräteauswahl kann auch die ÖVA (Öffentliche Versicherungs-Anstalt der Badischen Sparkassen) in Mannheim ein Wort mitreden. Das Unternehmen setzt bereits seit acht Jahren sogenannte .,Außendienstterminals mit Akustikkoppler beim Kunden ein, will aber jetzt diese Geräte durch portable PCs ablösen. Peter Thunsdorff, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit bei der ÖVA: "1978 haben wir den gesamten Außendienst mit Rechnern von Texas Instruments (TI 765) ausgestattet. Diese Geräte haben die Größe einer Schreibmaschine, verfügen über Akustikkoppler, einen kleinen Thermodrucker und eine kleine Programmierbarkeit. Das Gewicht liegt bei zirka fünf/ sechs Kilogramm." Die Software erstellten die ÖVA-Leute selbst.

Mit diesen Geräten führen die Außendienstmitarbeiter laut Thunsdorff sowohl umfangreiche Berechnungen (zum Beispiel Finanzierung von Ein- oder Zweifamilienhäusern) durch, aber auch die Erweiterung von Versicherungen, etwa im Kraftfahrzeugbereich.

Jetzt aber will die ÖVA intelligente PCs im Außendienst einsetzen. Die Umstellung, so Thunsdorff, war schon früher geplant, doch "die Geräte waren einfach noch nicht ausgereift". Die Mannheimer ÖVA suchen einen tragbaren PC, der sich auch stationär einsetzen beziehungsweise aufrüsten läßt mit Festplatte und Schönschreibdrucker. Diese Geräte, so Thunsdorff, seien jedoch bisher nicht so reichhaltig am Markt. Zwar habe man immerhin ein Gerät

gefunden, doch dieses sei schlichtweg zu teuer gewesen.

"Trotzdem", resümiert der ÖVA-Mitarbeiter, "sehen wir bei den portablen PCs unsere Zukunft, denn sie bedeuten für den Außendienstmitarbeiter doch eine erhebliche Erleichterung.

Die Außendienstmitarbeiter der Versicherungen dagegen sind geteilter Meinung, was den Technikeinsatz beim Kunden angeht. So zeigen die Tests der Unternehmen über das Akzeptanzverhalten beim Versicherungsvertreter sowohl Fürsprache als auch Ablehnung. Dazu Martin Balleer: "Einige Vertreter lehnen solche Geräte ab, weil sie glauben, ohne Technik besser beraten und verkaufen zu können. Andere dagegen sind von den Geräten überzeugt, weil sie dadurch den Kunden vor Ort mehr Service bieten können." Bei der ÖVA Mannheim freuten sich laut Thunsdorff vor allem die jüngeren Kollegen auf den Einsatz der Außendienstterminals. Widerstände seien jedenfalls nicht registriert worden, auch wenn ältere Mitarbeiter anfangs Schwierigkeiten mit der Technik gehabt hätten. Diese Probleme konnten jedoch mit gezielten Schulungsmaßnahmen behoben werden.

Unterstützung und Schulung für den Versicherungsvertreter beim Rechnereinsatz vor Ort fordert auch Franz Eichinger. Er appelliert an die Versicherungen, den Außendienstlern nur dann einen Portable an die Hand zu geben, wenn diese tatsächlich perfekt damit umgehen können. Seien sie zu sehr auf das Gerät fixiert, weil zum Beispiel die Programmbedienung nicht gelänge, leide die Beratung und somit der Erfolg.

Dies könne auch der Kundenakzeptanz nicht zuträglich sein, die Eichinger von "skeptisch bis angetan" beschreibt.

Mit dieser Einschätzung der Kundenakzeptanz liegt der Hamburger Berater nicht falsch. So machten die Versicherungen in ihren Untersuchungen zum Einsatz von Portables hinsichtlich des Kundenverhaltens bislang folgende Erfahrungen: Ein Teil der Kunden gab sich eher reserviert, vor allem wenn der Vertreter "mal eben das Telefon benutzen wollte. Andere Kunden dagegen waren überrascht, "wie modern" ihre Versicherung ist und halfen gar beim Aufbau der Geräte. Die dritte Kategorie von Kunden wiederum verhielt sich neutral, nahm den technisierten Vertreter als Geist der Zeit" hin.

Dies alles zeigt: Der portable PC könnte im Versicherungsaußendienst durchaus einen Platz finden, wenn auch, so Karck, wohl kaum millionenfach. Der Zeitpunkt dafür steht jedoch in den Sternen. Denn sind auch die Unternehmen dieser Branche dem Technikeinsatz vor Ort keineswegs abgeneigt, so benötigen sie zur Realisierung vorsichtigen Schätzungen zufolge doch noch "einige Jährchen". Derzeit jedenfalls herrscht im Versicherungsaußendienst "Portable-Fehlanzeige" .