Bei den Anbietern von DV-Training muß die Spreu vom Weizen getrennt werden:

Ausbildungs-Schindluder durch Strategie-Konzepte verhindern

16.09.1988

*Marion Schreeck ist Mitarbeiterin der mbp-Training, Köln.

Zu den Herausforderungen der DV gehört zunehmend die Benutzerakzeptanz. Technische Konzepte allein können hier wenig ausrichten. Entscheidend ist die erfolgreiche Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter. Wie verhindert werden kann, daß Qualifizierungsmaßnahmen in einer Sackgasse enden, erläutert Marion Schreeck*.

Die Ausschöpfung der Automationspotentiale erfolgt immer noch sehr einseitig. Ein Blick auf die DV-Budgets 1987 zeigt, daß insgesamt rund 47 Milliarden Mark in Deutschland für Datenverarbeitung ausgegeben wurden. Doch nicht einmal zwei Prozent (rund 700 Millionen Mark) dieser Summe entfielen auf die DV-Ausbildung. Die Konsequenzen illustriert wöchentlich der einschlägige Stellenmarkt.

Dabei zeigt sich immer mehr, daß die Spezialisten-Ausbildung allein das ganz große Problem nicht ist. Es ist vielmehr der "normale" Mitarbeiter, der jetzt mit neuen Technologien in Kontakt kommt und diese via Kosteneinsparungen, Leistungsverbesserungen oder Arbeitserleichterungen in Wettbewerbsvorteile für das Unternehmen ummünzen soll. Und genau hier wird am häufigsten Ausbildungs-Schindluder getrieben.

Dieser Situation leistet die weit verbreitete Mentalität Vorschub, Mitarbeiter-Ausbildung immer nur als abschließendes Element einer DV-Maßnahme zu betrachten. Die Folgen sind die drei Kardinalfehler der DV-Ausbildung:

- Es wird zu spät ausgebildet.

- Die Ausbildung erfolgt nicht zielgruppenorientiert.

- Die unternehmensspezifische Praxis bleibt außen vor.

Am Beispiel von drei typischen Trainingsbereichen soll diese Aussage verdeutlicht werden:

Beispiel 1 dreht sich um den Komplex "Büroautomation". Ausbildung heißt hier in der Regel die Vermittlung von Kenntnissen über Standard-Softwaresysteme, sei es im Rahmen individueller oder im Rahmen operationeller Datenverarbeitung. Der Gedanke liegt nahe, die betroffenen Mitarbeiter, wenn das System installiert ist, konzentriert für genau diese Software zu schulen. Dazu genügt ein kurzer Blick in einen beliebigen Seminarprospekt, und schon ist ein geeignetes /370-Text- oder Dbase/III-Angebot zu finden.

Vergessen wird, daß zu diesem Zeitpunkt der Zug bereits meist abgefahren ist. Erwartungen an die neue Technologie, ob positiver oder negativer Art, sind bei den Mitarbeitern schon festgelegt. Entscheidungen über die Arbeitsplatz-Ausgestaltung sind bereits gefallen und können praktische Erfahrungen der Betroffenen nicht berücksichtigen. Ja, selbst Diskussionen über Sinn oder Unsinn der jeweiligen Lösung können nicht geführt werden, weil kein Ansprechpartner da ist.

Will Training diese Sackgasse vermeiden, müssen Projektumsetzung und Ausbildung konzeptionell zusammengefaßt und gemeinsam geplant werden. Zumindest für größere Unternehmen gilt dabei die Prämisse, die spezifischen Organisationsstrukturen und das Gesamtkonzept der DV in die Ausbildung zu integrieren. Ebensowenig darf vergessen werden, daß die Umsetzung des Wissens in die Praxis weitere begleitende Maßnahmen verlangt.

Fehler wie oben beschrieben werden auch im Ausbildungsbereich der modernen CA-Techniken gemacht. Allerdings kommt hier zusätzlich eine starke Abhängigkeit des Trainings vom Hersteller der jeweiligen Systemtechnologie hinzu. Lehrgänge über ein spezielles NC- oder CAD-System dürften normalerweise ausschließlich vom Lieferanten angeboten werden. So wird die Schulungsqualität zwangsläufig zum Entscheidungskriterium bei der Produktauswahl.

Zusätzlich wird in noch stärkerem Maße als im Bereich "Büroautomation" ein CA-Training den Informationsfluß im Unternehmen und die Abhängigkeiten der einzelnen Automatisierungskomponenten im gesamten Produktionsprozeß berücksichtigen müssen. Hier fließen übergreifende Beratungsaspekte in die Ausbildung ein, die mehr als nur theoretische und produktbezogene Erfahrungen verlangen.

Völlig von diesem Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis bestimmt ist das dritte Beispiel - das Training von Projektleitern. Technische Fragen treten zurück hinter strategische, organisatorische Ausbildungsmaßnahmen, die zudem stark beeinflußt sind von Aspekten der Mitarbeiterführung. Methoden, Regeln und Instrumente, um die Zusammenarbeit zu verbessern, sind dabei nur in einem intensiven Erfahrungsaustausch erlernbar und setzen beim "Lehrer" die Kenntnis der individuellen Unternehmenszusammenhänge sowie eigene Projekterfahrungen voraus.

Die Konsequenzen aus den genannten Beispielen für eine erfolgreiche DV-Aus-/Fortbildung lassen sich in zwei Kriteriengruppen zusammenfassen. Grundsätzlich empfiehlt sich,

* Seminare und Workshops im Rahmen firmeninterner Veranstaltungen durchzuführen. Diese Veranstaltungsform ermöglicht die genaue Abstimmung auf die jeweilige Zielgruppe sowie Problematik und trägt so wesentlich zu einer hohen Effektivität und Produktivität einer Schulungsmaßnahme bei.

* Ausbildungsmaßnahmen mittelbis langfristig zu planen. Nur wer Ausbildung plant, kann Training in Automationsvorhaben einbeziehen, Risiken reduzieren und sich frühzeitig auf den Bedarf einstellen. Gleichzeitig sind nur so Ausbildungsformen wie "Training on the job" mit begleitender Betreuung möglich.

Weitere Kriterien beziehen sich auf die Auswahl des hinzuzuziehenden Trainingsunternehmens. Hier gilt es vor allem zu berücksichtigen:

* Die Breite des Schulungsangebotes: Ein Projekt umfaßt in der Regel mehrere Systeme, Komponenten, Produkte. Für jeden Teilbereich müssen Spezialisten verfügbar sein, die sinnvollerweise in ihrer Trainingskonzeption und -methodik aufeinander abgestimmt anbieten sollten.

* Die Unterstützung bei der Entwicklung von firmenspezifischen Trainingskonzepten: Das Trainings unternehmen sollte über umfangreiches Beratungs-Know-how verfügen und Erfahrungen über die Erarbeitung von Bedarfsanalysen, Trainingsplanungen und Ausbildungskonzeptionen vorweisen können.

* Die Erfahrungen des Trainingsunternehmens durch eigene Automatisierungssysteme und DV-Produkte. Erst dieser Hintergrund liefert die Voraussetzungen, daß die Trainer neben ihren Schulungsmaßnahme immer wieder in konkrete Projekte eingebunden sind und ihr Wissen in der täglichen Praxis überprüfen und erweitern können.

Auswahlkriterien machen die Entscheidung leichter

DV-Ausbildung ist ein Muß für die einen und ein Markt mit exzellenten Zukunftsaussichten für die anderen. Daß es dabei von allseits "qualifizierten" Anbietern derzeit nur so wimmelt, ist nicht zu vermeiden. Die Spreu vom Weizen zu trennen, ist aber, bei Berücksichtigung einiger grundsätzlicher Auswahlkriterien, gar nicht so schwer. Dann erwächst aus solidem und konkret nutzbarem Wissen eine der bestmöglichen Antworten auf die heutigen Anforderungen durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologie.