Studie: Was IT-Mitarbeiter zum Bleiben bewegt

Aus materiellen Gründen wechseln die wenigsten

28.01.2000
Noch immer sehen viele Führungskräfte in finanziellen Anreizen die besten Chancen, qualifizierte Mitarbeiter an ihr Unternehmen zu binden. Doch 66 Prozent der mittelständischen IT-Unternehmen schaffen es nicht, ihre Mitarbeiter an sich zu binden, wie eine Studie des Marktforschungsunternehmens PbS AG, München, ergab.

Geld alleine macht die IT-Mitarbeiter nicht glücklich. Um Fachkräfte zu binden, müssen mehrere Komponenten stimmen. Die PbS AG ging gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Organisation und Personal der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt in ihrer aktuellen Studie der Frage nach, mit welchen Strategien mittelständische IT-Unternehmen in Deutschland diese Herausforderung meistern. Sie interviewten dazu zunächst Personalleiter und Geschäftsführer von 70 mittelständischen IT-Unternehmen.

"Im Laufe der Befragungen stellten wir allerdings sehr schnell fest, dass wir auch die Meinungen der Mitarbeiter brauchen, die die Situation vielleicht anders sehen als die Manager", so Katrin Ringlstetter, Vorstand von PbS. Nach dem Zufallsprinzip wählten die Münchner Marktforscherinnen 121 Mitarbeiter aus, um sie nach ihren Einschätzungen zur Motivation, Bindung und Kommunikation zu befragen.

Die schwierige Arbeitsmarktsituation machte sich bei der Untersuchung bemerkbar. 97 Prozent der befragten Führungskräfte misst der Mitarbeiterbindung eine sehr hohe Bedeutung bei. Mit dem unterschriebenen Arbeitsvertrag sind die Sorgen der Personaler längst nicht verflogen. Jetzt heißt es, die Talente bei der Stange zu halten.

In der Studie unterscheidet das PbS-Team drei Instrumente der Mitarbeiterbindung: monetäre, materielle und immaterielle Faktoren. Wenn es um das Gehalt geht, bietet ein individuelles, leistungsabhängiges Einkommen den größten Anreiz für die Mitarbeiter, beim Unternehmen zu bleiben. Aktien- und Firmenbeteiligungen stellen innovative Instrumente zur Mitarbeiterbindung dar. 78 Prozent der Manager zahlen ein leistungsabhängiges, individuelles Gehalt, und 71 Prozent der Chefs von Aktiengesellschaften bieten eine finanzielle Beteiligung an.

Mitarbeiter und Führungskräfte sind sich einig: Hohe Gehälter wirken motivierend und bindungsfördernd. Allerdings sehen die Fachkräfte mittlerweile monetäre Leistungen als Standard an. Wenn das Aufgabengebiet nicht interessant genug und das Betriebsklima schlecht ist, reicht ein hohes Gehalt nicht aus, um trotzdem beim Unternehmen zu bleiben.

"Überrascht hat uns an den Ergebnissen, dass Führungskräfte glauben, in erster Linie trügen materielle Anreize zur Bindung bei. Sie sind zweifellos als Anreiz wichtig, aber wirken nur bedingt motivierend", so Alexandra Hein von PbS. Bei den meisten der befragten IT-Unternehmen gehören der Firmenwagen, kostenlose Getränke und Zusatzversicherungen einfach dazu. Hier sind sich Mitarbeiter und Chefs einig: Ein Firmen-PKW kommt gut an. Über 60 Prozent nennen ihn spontan, weitere 17 Prozent auf Nachfrage als motivierend und bindend. Zusätzliche Urlaubstage und Incentive-Reisen wirken für die Hälfte der befragten Mitarbeiter motivierend, auch wenn sie selten von den Unternehmen als Zusatzleistung gewährt werden.

Wenn es um die immateriellen Instrumente der Mitarbeiterbindung geht, sind flexible Arbeitszeitmodelle begehrt, beispielsweise Gleitzeit und der Verzicht auf reglementierte Zeiterfassung. Das Home Office schätzen nur 48 Prozent der Führungskräfte als sehr wichtig ein. Einerseits wüssten die Führungskräfte, dass Heimarbeit die Flexibilität erhöht, andererseits fürchten sie, dass die Mitarbeiter sich durch die fehlende Anwesenheit weniger an das Unternehmen gebunden fühlen. "Als Mitarbeiterbindungs-Instrument ist das Heimbüro aus Unternehmenssicht eher ungeeignet", so PbS.

Beim Stichwort Personalentwicklung fällt sowohl den Führungskräften als auch den Mitarbeitern die Weiterbildung ein. 93 Prozent der Führungskräfte sehen Weiterbildungskurse als bindend an, bei den Mitarbeitern nennen nur 63 Prozent Schulung an erster Stelle. Regelmäßige Beurteilungsgespräche sind den Mitarbeitern wichtiger. Allerdings bleibt es oft beim guten Willen, denn nur 34 Prozent der befragten Unternehmen organisieren turnusmäßige Mitarbeitergespräche. Die Angestellten wünschen sich regelmäßige Gespräche. Im Arbeitsalltag fehlt dazu vermutlich die Zeit.

Fachliche Informationen tauschen Mitarbeiter untereinander und zwischen den Hierarchiestufen vor allem per E-Mail oder Intranet aus. Dabei funktioniert die Kommunikation unter den Kollegen relativ gut, zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten schätzen auf beiden Seiten zirka ein Drittel die Verständigung als problematisch ein. Die Mitarbeiter sehen bei der internen Kommunikation Handlungsbedarf. Informationen blieben besonders bei größeren Unternehmen mit mehreren Hierarchiestufen auf der Strecke. Manchmal wisse die Tagespresse besser über das Unternehmensgeschehen Bescheid als die eigenen Mitarbeiter.

PbS empfiehlt den Arbeitgebern, vor allem auf immaterielle Instrumente der Mitarbeiterbindung zu setzen. Beim Gehalt bleibt ihnen sowieso nur eine marktübliche Vergütung, um an die qualifizierten Mitarbeiter zu kommen. "Wir fragten die Mitarbeiter, aus welchen Gründen sie zu einem anderen Unternehmen wechseln würden, und überraschend war, dass spontan keiner materielle Gründe nannte", so Swantje Vick, Vorstandsvorsitzende von PbS. Vielmehr sind es Aspekte wie "schlechtes Betriebsklima", ein "uninteressantes Aufgabengebiet" und "geringe Aufstiegschancen", die einen Arbeitsplatzwechsel begünstigen. Ein innovatives Umfeld, Perspektiven und ein kommunikatives Betriebsklima mit netten Kollegen bietet Chancen, die Mitarbeiter über lange Jahre zu binden.

Nach Meinung von 86 Prozent der Firmenchefs und 91 Prozent der Mitarbeiter fördern gute "Unternehmenskultur" und positives "Image" das Zugehörigkeitsgefühl. Dabei stört es die Mitarbeiter nicht, wenn gemeinsame Veranstaltungen außerhalb der Arbeitszeiten stattfinden. Besonders wichtig sind für 70 Prozent der befragten Mitarbeiter informelle Strukturen, etwa das persönliche "Du", "casual friday" oder die "open door policy". Diese einfachen Maßnahmen wirken motivationsfördernd und bindend.

Das PbS-Team errechnete für die befragten Unternehmen einen Mitarbeiterbindungsindex, um den Erfolg der Firmen zu ermitteln. In diese Kennzahl flossen die Fehlzeiten, Fluktuation und durchschnittliche Betriebszugehörigkeit ein. Nur sechs der 70 befragten Unternehmen (neun Prozent) sind sehr erfolgreich, wenn es um Mitarbeiterbindung geht. Weitere 25 Prozent stufen die Forscherinnen als erfolgreich ein, aber bedenkliche 66 Prozent haben nur mäßigen oder kaum Erfolg, die Mitarbeiter an sich zu binden. Hier besteht also dringender Handlungsbedarf. "Wir empfehlen den Unternehmen, das Thema ernst zu nehmen und individuelle Maßnahmen zu ergreifen, um auch innerlich zu wachsen", so Ringlstetter. "Unternehmenskultur ist für den Erfolg genauso wichtig wie die Marktorientierung".