Ab dem 1. Mai gilt neues Beschleunigungsgesetz

Auftraggeber darf wegen kleiner Mängel Zahlung nicht mehr verweigern

28.04.2000
Kaum bemerkt ändert der Gesetzgeber zum 1. Mai 2000 die allgemeinen Vorschriften für den Zahlungsverzug und die Regeln im Werkvertrag für die Abnahme und Zahlungen. Die Modifikationen verbessern die Rechte der Auftragnehmer, gerade auch im IT-Projektbereich.Von Martin Schweinoch*

Wer kennt es nicht: Auftraggeber zögern Zahlungen hinaus, weil der "Kredit" beim Auftragnehmer billiger ist als die Finanzierung bei der Bank. Im IT-Projekt bedeutet die Abnahme oft ein fortgesetztes Drama für den Auftragnehmer: Immer neue Mängel ohne größere Bedeutung sollen von ihm bereinigt werden, damit sein Auftraggeber die Abnahmeerklärung abgibt. Erst dann beginnt die Gewährleistung und - noch wichtiger - erst dann ist nach der gesetzlichen Regelung die Vergütung zu zahlen.

Das soll sich jetzt ändern. Am 7. April 2000 wurde das "Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen" verkündet. Seine Regelungen werden schon am 1. Mai 2000 wirksam. Sie betreffen nicht nur das IT-Projektgeschäft, sondern auch allgemein verspätete Zahlungen.

Bisher warten Auftraggeber schon aus wirtschaftlichen Gründen länger als vereinbart mit Zahlungen. Wenn vertraglich keine höheren Zinsen vereinbart sind, kosten verspätete Zahlungen den Auftraggeber nur den gesetzlichen Verzugszins von gerade einmal vier Prozent jährlich im Business-to-Consumer-Bereich (B-to-C) oder den gesetzlichen Fälligkeitszins von fünf Prozent im Business-to-Business-Bereich (B-to-B). So günstig verleiht keine Bank ihr Geld.

Ab dem 1. Mai 2000 wird es deutlich teurer: Auch im B-to-C-Bereich muss bei kalendarisch nicht fest vereinbarten Zahlungen nicht mehr gemahnt werden, um eine Verzinsung auszulösen. Verzug beginnt automatisch 30 Tage, nachdem die Zahlung fällig war und der Auftraggeber die Rechnung erhalten hat. Die Verzugszinsen steigen von vier Prozent im B-to-C-Bereich und fünf Prozent jährlich im B-to-B-Bereich auf fünf Prozent über dem Basiszinssatz, das bedeutet derzeit 7,68 Prozent per anno. Dieser höhere Zins gilt ganz allgemein für ab dem 1. Mai 2000 fällig werdende Forderungen, die sich in Verzug befinden. Die Fälligkeit von Forderungen hängt aber nicht selten vom Auftraggeber ab - gerade in IT-Projekten.

Grundlage für Projektverträge ist oft das Werkvertragsrecht. Nach diesen gesetzlichen Regeln wird die Vergütung des Auftragnehmers erst fällig, wenn der Auftraggeber die Abnahme der Leistungen erklärt. Bisher kann der Auftraggeber diese Abnahmeerklärung auch wegen kleiner Mängel verweigern und braucht dann (noch) nicht zu zahlen. Im Gegenteil: Will der Auftragnehmer ihn zur Zahlung zwingen, muss er Vollständigkeit und Mangelfreiheit seiner Leistungen beweisen - in größeren Projekten eine kaum lösbare und allemal sehr aufwendige Aufgabe. Nicht einmal Abschlagszahlungen sieht das Gesetz bislang vor.

Das Beschleunigungsgesetz soll Abhilfe für alle Verträge schaffen, die ab dem 1. Mai 2000 abgeschlossen werden. Einzelaspekte der Neuregelungen gelten auch für Altverträge. Für Neuverträge kann der Auftragnehmer nun auch Abschlagszahlungen für abgeschlossene Werkteile verlangen, wenn diese ordnungsgemäß erbracht sind und dem Auftraggeber das Eigentum daran übertragen wird. Bei Software wird dabei unter der "Übertragung von Eigentum" die Übereignung einer Kopie der Software, aber nicht von vornherein auch die Einräumung ausschließlicher Nutzungs- oder Verwertungsrechte zu verstehen sein. Weiterhin muss aber der Auftragnehmer die vollständige und ordnungsgemäße Erstellung der Werkteile beweisen, für dieer Abschlagszahlungen beansprucht. Bisher bringen ihn auf diesem Weg auch unwesentliche Mängel seiner Leistungen zu Fall.

Das soll sich aber bei der (Gesamt-)Abnahme zumindest teilweise ändern: Der Auftraggeber ist zukünftig nicht mehr berechtigt, wegen nur unwesentlicher Mängel die Abnahme zu verweigern. Er kann erkannte unwesentliche Mängel in der Abnahmeerklärung nurmehr vorbehalten, um später dafür Gewährleistungsrechte geltend machen zu können.

Um die Verweigerung der Abnahmeerklärung ohne Rüge wesentlicher Mängel zu unterbinden, kann der Auftragnehmer dem Auftraggeber eine angemessene Frist für die Abnahmeerklärung setzen. Läuft diese Frist ohne Mängelrüge ab, gilt die Abnahme als erklärt (Abnahmefiktion), wenn das vollständige Werk tatsächlich keine wesentlichen Mängel aufwies - also der Auftraggeber zur Abnahme verpflichtet war. Das führt nicht nur dazu, dass nach rügelosem Fristablauf die Vergütung fällig wird, sondern auch die Gewährleistungsfrist beginnt. Bei dieser ab dem 1. Mai 2000 auch für Altverträge geltenden Regelung muss aber der Auftragnehmer beweisen, dass seine übergebenen Leistungen bei Fristablauf vollständig und ohne wesentliche Mängel waren. Auch das wird ihm längere Zeit später häufig schwer fallen.

Er kann daher auf eine weitere Neuregelung zurückgreifen, um eine raschere Klärung zu erzielen: Die Abnahmeerklärung des Auftraggebers kann auch durch eine Fertigstellungsbescheinigung eines unabhängigen Sachverständigen ersetzt werden, wenn das dafür vorgesehene Verfahren eingehalten wird und die Begutachtung keine wesentlichen Mängel ergibt.

In diesem Begutachtungsverfahren wird als Messlatte für die Leistungen zunächst der vom Auftragnehmer vorzulegende schriftliche Vertrag herangezogen. Spätere Vertragsänderungen werden nur berücksichtigt, wenn sie schriftlich vorliegen oder von den Vertragspartnern dem Gutachter inhaltsgleich geschildert werden. In der Praxis wird es also noch wichtiger, alle Vereinbarungen zur Änderung der Leistungsvorgaben ausschließlich schriftlich zu treffen. Wo keine so formal dargelegten Leistungsvorgaben existieren, gelten die allgemein anerkannten Regeln der Technik als Prüfungsmaßstab, nicht etwa der aktuellste Stand von Forschung und Technik.

Auch wenn hier nicht alle Details der Fertigstellungsbescheinigung und ihres Verfahrens dargestellt werden können, wird dieser Weg gegenüber der sonst notwendigen Klage mit oft erforderlichem, gerichtlichem Sachverständigengutachten immer dann erwägenswert sein, wenn hartnäckige Auftraggeber die Vergütung von ordnungsgemäßen Leistungen einfach verweigern.

Neue Notbremse für SubunternehmerDie Abnahmeprobleme treffen Subunternehmer manchmal am härtesten. Der Generalauftragnehmer als Auftraggeber des Subunternehmers verweigert die Abnahme und damit die Bezahlung der Subunternehmerleistungen, obwohl der Hauptauftraggeber bereits die Abnahme erklärt und die Vergütung geleistet hat. Bisher muss der Subunternehmer seine mangelfreie Leistungserbringung beweisen, um an sein Geld zu kommen.

Diesem Dilemma des Subunternehmers beugt nun eine ausdrückliche gesetzliche Regelung für Neuverträge ab dem 1. Mai 2000 vor: Wenn der Generalauftragnehmer vom Hauptauftraggeber für die Leistungen des Subunternehmers bezahlt wurde, hat er auch den Subunternehmer in entsprechender Höhe zu vergüten. Soweit kommt es nicht mehr darauf an, ob die Leistungen des Subunternehmers vom Generalunternehmer auch abgenommen wurden.

Zur möglichen Höhe von Vergütungseinbehalten des Auftraggebers bei vorhandenen Mängeln der erbrachten Leistungen hat die Rechtsprechung oft in Einzelfällen spezifische Aussagen getroffen. Eine klare gesetzliche Regelung gab es dafür aber nicht.

Quasi als Gegengewicht zu den Neuerungen bei der Abnahme und für Abschlagszahlungen zugunsten des Auftragnehmers hat der Gesetzgeber jetzt Beträge für mögliche Mängeleinbehalte vorgegeben: Sie können mindestens das Dreifache der erforderlichen Mängelbeseitigungskosten betragen. Dieser hohe Ansatz auch für Altverträge vor dem 1. Mai 2000 kommt aus der Baubranche. Er setzt aber stets voraus, dass der Auftraggeber auch tatsächlich einen Anspruch auf Mängelbeseitigung gegen den Auftragnehmer hat, um dessen Vergütung es geht.

Große praktische Bedeutung wird man den Neuregelungen nicht absprechen können. Sie greifen teilweise tief in gewohnte Vorschriften ein. Beim automatischen Verzugseintritt und dem höheren Verzugszins ist das offensichtlich. Für IT-Projekte kommen von Auftragnehmern lang ersehnte Verbesserungen zumindest teilweise zum Tragen. Abschlagszahlungen sehen viele Verträge bereits vor, ansonsten hilft für Neuverträge nun das Gesetz. Die Abnahme bleibt das für den Auftragnehmer kritische Stadium, seine Hilflosigkeit gegenüber halsstarrigen Auftraggebern wird aber zumindest reduziert.

Alle IT-Unternehmen sind nun gefordert, ihre Verträge und Geschäftsprozesse zu überprüfen und rasch an die ab dem 1. Mai 2000 geltenden Neuregelungen anzupassen. Die vom Gesetzgeber dafür eingeräumte Zeit ist reichlich knapp bemessen.

* Martin Schweinoch ist Rechtsanwalt in einer Münchner Kanzlei, die operatives IT-Business rechtlich betreut. Er ist seit Jahren im Branchenverband BVIT, nun auch im Bitkom aktiv und nimmt an den Verhandlungen über neue IT-Vertragsbedingungen der öffentlichen Hände (EVB-IT) teil.