Auf der Real Time Systems fehlten die Publikumsmagneten Die Marktfuehrer zeigen wenig Neues bei Echtzeitrechnern

04.02.1994

PARIS (wm) - Welche Position koennen die Hersteller von Echtzeithardware oder -software im DV-Markt erreichen? Zwei recht unterschiedliche Meinungen waren auf der Spezialmesse "Real Time Systems" in Paris zu hoeren. Zufrieden zeigten sich jene, die von den Auftraegen der Militaers oder von der Grossindustrie leben koennen. Andere sehen ihre Chance im Massenmarkt, der zur Zeit allerdings nicht sehr aufnahmefaehig fuer neue Konzepte ist.

Echtzeitsysteme fristen nicht allein beim Militaer oder in Industrienischen wie der Kraftwerkstechnik ihre Existenz. Hersteller wie Encore, Force, Concurrent, und andere mehr haben es geschafft, ihre Echtzeitsysteme auf breitere kommerzielle Ansprueche auszurichten. Inzwischen arbeiten Autohersteller wie BMW oder Ford mit Rechnern von Concurrent und Force erreicht mit seinen Sun-kompatiblen Ein-Platinen-Rechnern die verschiedensten Industriezweige.

Neues konnten die Marktfuehrer auf der Real Time Systems in Paris allerdings nicht vorweisen: Concurrent wartete mit dem bekannten Maxiion-Echtzeitrechner auf, den das Unternehmen bereits im Oktober vergangenen Jahres vorgestellt hatte. Bei Encore standen die Infinity-R/T-Rechner mit dem Betriebssystem Umax V, einem Unix-Ableger, im Vordergrund, und Force, deutsch-amerikanischer Hersteller von Ein-Platinen-Rechnern mit Sparc-Prozessor, zeigte seinen Nachbau einer Sparcstation 10; die Informationen stammen bereits aus dem Oktober 1993.

Selbst der franzoesische Vorzeigehersteller Cetia beschraenkte sich auf die Praesentation eines Power-PC-Rechners mit VME-Bus, der schon Ende 1993 seine Premiere gehabt hatte. Doch eine Neuentwicklung wurde zumindest vertraglich abgesichert: Gemeinsam mit IBM Frankreich wird Cetia bis 1995 eine Verbindung zwischen dem PCI- und dem VME-Bus schaffen. IBM liefert die Informationen fuer die PCI-Seite, Cetia wird das Know-how fuer die VME-Anbindung beisteuern. Beide Seiten versprechen sich Vorteile davon - IBM eine staerkere Position im Geschaeft mit Industrierechnern, Cetia bekaeme den letzten Baustein fuer Rechner, die sich sowohl industriell (VME-Bus) als auch kommerziell (PCI-Bus) nutzen lassen.

Ungeachtet der wenig sensationellen Praesentationen der grossen Unternehmen liessen sich einige Neuentwicklungen von kleineren Firmen besichtigen, die durchaus Beachtung verdienen.

IBM und Cetia fuegen PCI- und VME-Bus zusammen

Der franzoesische Hersteller Themis Computer verwendet fuer seine VME-Ein-Platinen-Computer Prozessoren von Sun oder Motorola. Themis nutzt dabei die neuesten CPU-Entwicklungen: Das Modell Sparc 10HS enthaelt einen Hypersparc-Prozessor, der bis zu 79 Specint92 und 105 Specfp92 leisten kann. Der Hauptspeicher laesst sich auf maximal 128 MB erweitern, womit dieses Modell die Leistung einer Sparcstation 10 uebertreffen soll. Am M-Bus der Karte sind alle anderen Schnittstellen angeschlossen, bereits ab Werk stattet Themis Sparc 10HS mit Ethernet- und SCSI-2-Anschluss aus, zusaetzlich zum Standard-VME- und S-Bus.

Mangel an Applikationen duerfte es bei diesem Rechner nicht geben: Alle Anwendungen fuer das Betriebssystem Solaris 1.1 lassen sich ohne Veraenderungen auch auf Sparc 10HS nutzen. Fuer konventionelle Echtzeitanwendungen steht ausserdem das Betriebssystem Vxworks des amerikanischen Herstellers Wind River zur Verfuegung.

Ein ganz anderes Feld beackert die amerikanische Firma Storage Concepts: Sie produziert Raid-Massenspeicher mit VME- oder SCSI- Anschluss, die sich besonders fuer die Speicherung von Bilddaten eignen sollen, zum Beispiel von Roentgengeraeten oder Bilderfassungssystemen. Neu im Angebot ist Concept 810, das bis zu 20 MB pro Sekunde speichern kann. Auf 3,5-Zoll-Platten kann das System bis zu 10 GB Daten unterbringen, die vom Controller mit Intel-RISC-Prozessor auch gemaess der Raid-Definition 5 geschuetzt werden koennen. Je nach Ausstattung kosten die Systeme 16 800 Dollar und mehr.

Bei der Software schliesslich fehlten zwei der groessten Akteure und Rivalen. Die franzoesische Firma Chorus Systemes SA mit ihrem Unix- Kernel Mix glaenzte durch Abwesenheit; die Open Systems Foundation (OSF) und ihr OSF/1-Pendant Mach trat ebenfalls nicht in Erscheinung. Die Begruendung faellt nicht sehr unterschiedlich aus: "Die OSF wird 1994 nur drei oder vier Messen besuchen", sagt Alain Farstre, der die Arbeit der Organisation in Europa koordiniert. "Wir werden auf der Interop in Paris und auf der Comdex in Las Vegas sein. Auf anderen Messen wie der Real Time Systems in Paris kooperieren wir gegebenenfalls mit unseren Sponsoren und Lizenznehmern, allerdings ohne selbst die Initiative zu ergreifen."

Bei Chorus Systemes verweist Markus Kuebler auf die Partnerfirma Microtec Research, die neben der Entwicklungsumgebung Xray auch eine Unix-Version zeigte, die auf dem Quellcode von Chorus/Mix basiert. Weiter wollte sich Chorus nicht auf der Real Time Systemes engagieren, weil die Messe nicht die richtigen Kontakte bringt, so Kuebler. Chorus Systemes verhandle normalerweise nur mit Software- oder Hardwarefirmen, die an Programmlizenzen interessiert sind. Direkter Kontakt zu Anwendern sei beim Verkauf nicht noetig.