Auf dem Weg zur Koexistenz der grafischen Rechnersysteme:Gleiche Grafikstandards für alle gefordert

08.07.1988

Drei Schnittstellendefinitionen sind zur Zeit die Grundlage für grafische Standardsysteme. Die Diskussion über diese Definitionen und die unterschiedlichen Marktinformationen sorgten bei vielen Anwendern für ein großes Maß an Unsicherheit. Joachim Rix* schildert die Bemühungen, die grafischen Standards zu vereinheitlichen.

Die nationale und internationale Entwicklung der grafischen Standards umfaßt im Moment drei funktionale Schnittstellendefinitionen:

- GKS das Grafische Kernsystem (Norm ISO 7942 und DIN 66252)

- GKS-3D die Erweiterung des GKS für dreidimensionale Anwendungen (Normentwurf ISO DIS 8805 und DIN 66252/2, die endgültige Version wird für Anfang 1988 erwartet)

- PHIGS Programmer's Hierarchical Interactive Graphics System (Normentwurf ISO DP 9592, DIS-Abstimmung ist für 1988 geplant)

Andere Namen, die in diesem Zusammenhang noch auftreten, sind:

Zum einen PHI-GKS, das im vergangenen Jahr einen wesentlichen Beitrag im Bereich der Harmonisierung und der Kompatibilität zwischen GKS und PHIGS geleistet hat. PHI-GKS stellt die wesentlichen konzeptionellen Unterschiede der Systeme heraus und bietet eine integrierte Lösungsmöglichkeit, die Konzepte zusammenzubringen.

Zum zweiten "GKS Review", der eine im ISO-Prozeß vorgesehene Überarbeitung von GKS umfaßt, und GKS+, das eine mögliche funktionale Erweiterung von GKS beschreibt. Dieser Review-Prozeß wird auf der nächsten ISO-Sitzung gestartet und wird frühestens 1991 beendet sein.

Drittens PHIGS +, das eine funktionale Erweiterung von PHIGS für die Bereiche Kurven- und Flächendarstellung, sowie Lichtquellen- und Schattierungsmodelle definiert. PHIGS + wird im Moment in den USA entworfen und international begutachtet. Es soll im nächsten Jahr über das amerikanische Normungsgremium zur Normung vorgeschlagen werden.

Um die dadurch auftretende Konfusion zu beseitigen, gilt es, den Zusammenhang und die Relation zwischen den Standards und ihren Anwendungsbereichen besser zu verdeutlichen. Hierzu wurde bei einem Treffen im Juli 1987 in Anaheim, USA, von Vertretern der ISO, des ANSI und des DIN ein "Memorandum of Understanding" verfaßt, das die Basis für eine Koexistenz der verschiedenen Systeme legt.

Daraus geht hervor, daß beide Systeme GKS/GKS-3D und PHIGS notwendig sind, um das gesamte Spektrum der grafischen Anwendungen abzudecken. Das Verhältnis der Systeme zueinander ist in der Abbildung verdeutlicht. Da existiert:

- Das statische System GKS, das nur eine Manipulation auf der Objektebene zuläßt (Segmentattribute und -funktionen). Auch die Attributzuordnung zu den Darstellungselementen erfolgt statisch zur Generierungszeit.

- Ferner das dynamische System PHIGS, das eine Manipulation auf der Elementebene innerhalb der aufgebauten Datenstruktur erlaubt. Die Vererbung der Attribute innerhalb der hierarchischen Datenstruktur erlaubt zusätzlich eine dynamische Zuordnung zu den Darstellungselementen zur Darstellungszeit.

Die Darstellung realistischer Bilder mit Schattierung, Beleuchtung und höheren Primitiven ist ein weiterer Schritt, der von PHIGS+ abgedeckt werden soll.

Die Frage nach zwei- oder dreidimensionalem Systemen läßt sich damit beantworten, daß alle Systeme das 2D-System als Untermenge definieren. Sie ist kein Unterscheidungsmerkmal mehr zwischen grafischen Standards.

Die Ziele der GKS Review sind in erster Linie, in GKS vorhandene Fehler oder Unklarheiten zu beseitigen. Ferner werden aus den Erfahrungen mit bisherigen Anwendungen und Implementierungen aber auch die Aktualisierung sowie zur Anpassung an den Stand der Technik funktionale Erweiterungen diskutiert. Dabei ist für den Review-Prozeß die Kompatibilität, das heißt die Lauffähigkeit existierender Programme, eine Grundvoraussetzung.

Die Entwicklung aus dem GKS Review in Richtung GKS+ kann dabei eine funktionale Erweiterung bedeuten, die auch die Möglichkeiten von Strukturen und Editieren einschließt, ohne damit in den Bereichen der dynamischen Anwendungsumgebung vorzustoßen. Dies bedeutet gegebenenfalls die Hinzugabe und Integration neuer Konzepte.

Um die Unterschiede und die Zusammenhänge zwischen diesen Entwicklungen zu verdeutlichen, wird ein Technical Report erstellt. Dieser zeigt einerseits die Notwendigkeit, daß beide Systeme existieren, und das andererseits Übergänge (Migration) sowohl von einer GKS- zu einer PHIGS-Umgebung als auch von einer PHIGS- in eine GKS-Umgebung möglich sind.

Die Arbeiten zu PHI-GKS für einen harmonischen Übergang zwischen PHIGS und GKS leisten sowohl hierfür als auch für den GKS Review einen wesentlichen Beitrag, da dabei die Konflikte und die Differenzen aufgezeigt und Möglichkeiten der Migration dargestellt werden.

Diese Beschreibung des Zusammenwirkens der Systeme wird die Basis für die zukünftige Koexistenz von GKS und PHIGS legen. Sie erlaubt mit der Notwendigkeit beider Systeme den Hauptanteil im Spektrum der grafischen Anwendungen abzudecken. Dabei wird die internationale Zusammenarbeit der Normungsgremien die gemeinsame Entwicklung und Koexistenz bestimmen.