Messe-Guide: Voice over IP

Auf das Wie kommt es an

03.03.2005
Von 


Christoph Lixenfeld, seit 25 Jahren Journalist und Autor, vorher hat er Publizistik, Romanistik, Politikwissenschaft und Geschichte studiert.

1994 gründete er mit drei Kollegen das Journalistenbüro druckreif in Hamburg, schrieb seitdem für die Süddeutsche Zeitung, den Spiegel, Focus, den Tagesspiegel, das Handelsblatt, die Wirtschaftswoche und viele andere.

Außerdem macht er Hörfunk, vor allem für DeutschlandRadio, und produziert TV-Beiträge, zum Beispiel für die ARD-Magazine Panorama und PlusMinus.

Inhaltlich geht es in seiner Arbeit häufig um die Themen Wirtschaft und IT, aber nicht nur. So beschäftigt er sich seit mehr als 15 Jahren auch mit unseren Sozialsystemen. 2008 erschien im Econ-Verlag sein Buch "Niemand muss ins Heim".

Christoph Lixenfeld schreibt aber nicht nur, sondern er setzt auch journalistische Produkte ganzheitlich um. Im Rahmen einer Kooperation zwischen Süddeutscher Zeitung und Computerwoche produzierte er so komplette Zeitungsbeilagen zu den Themen Internet und Web Economy inklusive Konzept, Themenplan, Autorenbriefing und Redaktion.
Internet-Telefonie ist eines der zentralen Themen auf der diesjährigen CeBIT. Mit Hilfe von Voice-over-IP sind saftige Einsparungen machbar.

VOIP SCHIEN schon zum ewigen Talent zu verkümmern, gegen das man zunehmend Misstrauen hegte und das deshalb die wenigsten tatsächlich engagieren wollten. In diesem Jahr jedoch steht die Technik nun zum x-ten Mal kurz vor dem Durchbruch - und endlich scheinen auch den ärgsten Kritikern die Argumente kontra VoIP auszugehen. Sogar das hartnäckigste aller Probleme, die mangelnde Sprachqualität, lässt sich mittlerweile bewältigen. Und so ist in den vergangenen Monaten aus der ehemaligen Insider-Technik ein regelrechter Hype entstanden: Unzählige Firmen bieten Privatanwendern kleine Software-Tools an, die auf dem Bildschirm des PC ein Telefon simulieren. Fehlt nur noch ein kleines Headset mit Mikro und Ohrhörer, und schon kann das Telefonieren via Internet losgehen. Dass gerade jetzt so viele Angebote auf den Markt kommen,

liegt hauptsächlich an der rasanten Verbreitung von Breitbandanschlüssen. Denn mit größeren Kapazitäten auf den Daten-Highways steigt die Qualität der Sprachverbindungen erheblich. Ein gutes Geschäft versprechen sich dabei vor allem Massen-Provider wie Freenet, GMX oder Web.de. Sie haben schon Millionen von Kunden, und denen lässt sich VoIP dann leicht als zusätzlicher, pauschal abgerechneter Service verkaufen. Dass die Gespräche bei der Internet-Telefonie dann umsonst sind, stimmt allerdings nur zum Teil. Beispiel Skype: Das Unternehmen bietet Gespräche mit anderen Skype- Kunden kostenlos an, doch wer raus aus der Web-Telefonie und hinein ins Netz der Telekom möchte, der bezahlt. Schließlich muss Skype selber auch in die Kasse greifen, wenn die Firma das fremde Netz nutzen will. Probleme für die Telekom Allerdings: Es gibt eine ganze Reihe von Bestrebungen der VoIP-Anbieter, sich nach folgendem Muster

zusammenzuschließen: Firma A lässt ihre Kunden umsonst auch mit den Kunden von Firma B telefonieren und umgekehrt. Diese Entwicklung dürfte der Deutschen Telekom auf Dauer einige Kopfschmerzen bereiten. Denn je mehr Menschen der Anwender - abgesehen von einer kleinen Monatsgebühr vielleicht - kostenlos erreichen kann, desto seltener benötigt er das gute alte Analognetz des Quasi-Monopolisten. Viele Privatanwender betrachten das Ganze noch als spannende technische Spielerei, ihren Telekom-Anschluss kündigen werden deshalb die wenigsten. Für professionelle Nutzer sieht die Sacher ganz anders aus: Wer - etwa bei der Vernetzung mehrerer Standorte - komplett auf VoIP umsteigt, kann drastische Einsparungen erzielen. Dabei genügt es allerdings bei weitem nicht, sich irgendein Tool herunterzuladen oder ein Internet-Hardwaretelefon

neben das konventionelle Modell zu stellen. Was Mittelständler brauchen, ist erstens die Technik und zweitens ein Dienstleister, der daraus ein professionelle Telefonanlage strickt. Das Problem ist nur: Der Anbietermarkt ist enorm zerklüftet und unübersichtlich, sich schnell einen Überblick über Produkte und Preise zu verschaffen unmöglich. Diese Erfahrung machte auch Anton Geraci, IT-Projektleiter bei der Sparkasse Bad Tölz: „Wenn Ihnen ein Anbieter sagt: ,Ich kann VoIP‘, und Sie sagen: ,Dann liefern Sie mal‘, dann gehen die Probleme erst richtig los.“ Keines der Angebote, das er eingeholt hat, sei mit dem anderen vergleichbar gewesen, so Geraci. Deshalb hat das Geldinstitut schließlich ein Ingenieurbüro mit der Sache beauftragt. Wo die Schwierigkeiten liegen, kann jeder potenzielle Kunde problemlos in einem Selbstversuch feststellen: Einfach die Seiten einiger Anbieter absurfen und nach Preisen fahnden, schon ist die Verwirrung perfekt:

Mal ist das IP-Telefon drin, mal nicht, externe Gespräche haben verschiedene Preise, Freiminuten gibt es überall, aber sie haben einen unterschiedlichen finanziellen Wert und so weiter und so fort. Anton Geraci und die Sparkasse Bad Tölz haben sich von solchen Schwierigkeiten nicht abschrecken lassen. Die Zentrale plus acht Niederlassungen wurden von einer konventionellen Telefonanlage auf ein Voice-over-IP-System umgestellt, Teil der Lösung sind ein Call-Center und ein Voice-Portal. Die Telekommunikationskosten sanken dadurch um beeindruckende 25 Prozent, eine Zahl, die Experten keineswegs überrascht. Wie das Marktforschungsunternehmen Soreon im Rahmen einer umfassenden Studie feststellte, können gerade Mittelständler mit einigen hundert Mitarbeitern durch diese Technik im Schnitt etwa 30 Prozent sparen.

Kosten halbiert

Dieser Vorteil hat auch im Fall der Sparkasse Bad Tölz maßgeblich für die Einsparungen gesorgt. Infolge der Fusion mit einem anderen Geldinstitut arbeitete das Unternehmen seit 1999 mit zwei räumlich voneinander getrennten TK-Anlagen. Allein die Miete für zwei 30 Kilometer lange Zwei-Megabit-Leitungen, mit der die Standorte verbunden waren, betrug 2400 Euro pro Monat. Jetzt laufen Datenverkehr und Telefonie auf einer gemeinsamen Leitung, die Hälfte der Kosten ist also entfallen. Insgesamt können die Sparkasse und ihr IT-Projektleiter Anton Geraci als Musterbeispiel dafür dienen, wie man den Übergang in die Welt der Internet-Telefonie managen sollte. Nicht zufällig wurde das Geldinstitut von der COMPUTERWOCHE in der Rubrik Mittelstand gerade zum „Anwender des Jahres“ gekürt. Dass dieses Projekt so gut funktionierte, lag auch daran, dass die Voraussetzungen ideal waren: Die Sparkasse hatte neue Räume bezogen, da fiel es vergleichsweise

leicht, die TK-Infrastruktur komplett zu erneuern, anstatt Vorhandenes mit Hilfe der IP-Technik aufzubohren. Denn wer langfristig konsequent sparen will, verzichtet auf Kombinetze aus herkömmlicher Telefonie und VoIP. Der Grund: Durch einheitliche Oberflächen und die Nutzung eines Netzwerks verringert sich auch der Management-Aufwand erheblich. Der ohnehin vorhandene Netzwerk-Admin kann laufende Aufgaben wie die Einrichtung neuer User quasi nebenbei mit ausführen. Bei Änderungen und Problemen der herkömmlichen Telefonanlage muss dagegen regelmäßig ein externer TK-Techniker gerufen werden. Und das kostet. Trotz dieser Tatsache bieten gerade in diesem Jahr viele Anbieter allerlei Technik an, die die Nutzung von VoIP in handelsüblichen Telefonanlagen möglich macht. Auf erfahrene Praktiker setzen Außerdem haben sich die Beteiligten in diesem Fall für eine Vorgehensweise entschieden, die der IT-Verantwortliche Anton Geraci dringend allen

Mittelständlern empfiehlt, die ein VoIP-Vorhaben planen. Die Sparkasse wählte nicht wie in einem Kaufhaus irgendwelche Hard- und Software aus, sondern suchte sich zunächst einen geeigneten Dienstleister - einem, „der schon bewiesen hat, dass er so was zum Laufen bringen kann“, wie Anton Geraci sich ausdrückt. Im Zuge der Ausschreibung war die Wahl auf den IT-Dienstleister Tenovis, der mittlerweile Avaya Tenovis heißt, gefallen. Und der Projektleiter auf Seiten der Sparkasse ist mit diesem Partner hoch zufrieden. Am Anfang war zwar die Sprachqualität noch nicht so gut, wie man gehofft hatte. Aber das lag nicht an der Technik an sich, sondern an einer defekten Baugruppe in einem Router. Das Problem konnte schnell behoben werden. (uk) . Christoph Lixenfeld, freier Journalist in Hamburg.