Auch das Management muß auf die Schulbank

08.05.1987

Dieter Kaufmann, Geschäftsführer der Staufen-Akademie Privates Schulungszentrum für Datenverarbeitung und Unternehmensentwicklung Göppingen

Vor dem Hintergrund des immer schärfer werdenden Wettbewerbs einerseits und der damit verbundenen Notwendigkeit der Einführung neuer Technologien andererseits gewinnt die Frage nach Rolle und Bedeutung der Qualifikation von Mitarbeitern immer mehr an Bedeutung.

Wir alle wissen, wie schwierig es ist, qualifizierte Mitarbeiter aus dem eigenen Unternehmen geschweige denn vom freien Markt in den Umfang zu bekommen wie sie benötigt werden.

Es wurde in den letzten Jahren - und es wird auch heute noch - viel zuwenig in die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter investiert. Es wird zwar immer nach qualifizierten Mitarbeitern verlangt, doch die wenigsten Unternehmen sind bereit, für diese Qualifikation etwas zu tun.

Aus wirtschaftlicher Sicht gilt die Erkenntnis, daß für ein hochindustrialisiertes, rohstoffarmes und dichtbevölkertes Land wie die Bundesrepublik Deutschland das Potential an Arbeitnehmern und Unternehmen, Ingenieuren und Wissenschaftlern den entscheidenden Wettbewerbsfaktor darstellt. Diese Ressource gilt es zu pflegen und ständig zu verbessern. Bildungsinvestitionen, Investitionen in Humankapital, sind Zukunftsinvestitionen zur Sicherung von Wachstum und Wohlstand.

Die größte Bewährungsprobe für die Bildungspolitik sehe ich auf dem Gebiet der Spitzentechnologie und hier vor allem in der Informationstechnologie und der Telekommunikation. Es gibt immer mehr besorgniserregende Anzeichen dafür, daß die deutsche Industrie in ihrer Gesamtheit auf diesen Märkten an Boden zu verlieren droht. Die Frage der Wettbewerbsfähigkeit ist jedoch für eine Wirtschaft wie die der Bundesrepublik eine Überlebensfrage.

Wir stehen dabei in einem Wettlauf gegen die Uhr. Zeit wird zur knappsten Ressource bei der Suche nach einer Antwort auf diese Herausforderung. Dies wird deutlich, wenn man sich die Auswirkungen der dritten technologischen Revolution vergegenwärtigt.

Bereits jetzt läßt sich übersehen, daß mit dem raschen Fortschritt der um die Mikroelektronik angesiedelten Technologien die Sammlung und die Verarbeitung von Informationen für den Wirtschaftsprozeß zunehmend wichtiger werden. Der Faktor Information wird dadurch zum dritten Produktionsfaktor neben Arbeit und Kapital.

Am Horizont zeichnet sich schon der Übergang der herkömmlichen Industriegesellschaft in die Informationsgesellschaft ab.

Fachleute gehen davon aus, daß auf allen Ebenen des Produktionsprozesses der Bedarf an flexiblen Arbeitskräften mit breitangelegten fachübergreifenden Qualifikationen steigen wird. Das gesamtwirtschaftliche Anforderungsprofil verlagert sich eindeutig zugunsten höherer Qualifikationen.

Hierfür spricht auch die historische Erfahrung: In den deutschen Unternehmen ist in den vergangenen 15 Jahren der Anteil der Facharbeiter in der Produktion von 20 auf 50 Prozent gestiegen. Bedenklich ist indes die Tatsache, daß der steigende Bedarf an qualifiziertem Personal bereits heute in Teilbereichen auf Engpässe stößt.

Einer im vergangenen Jahr durchgeführten Untersuchung zufolge, wird der Mangel an Kräften mit angemessenen Kenntnissen auf dem Gebiet der Mikroelektronik von 55 Prozent der befragten Firmen als gravierendes Problem angesehen.

Auch eine kürzlich von der EG-Kommission in Deutschland, Frankreich und England durchgeführte Umfrage ermittelte die mangelnde Qualifikation der Stellenbewerber vor allem bei den technischen Berufen als ein wichtiges Hemmnis für die Beschäftigungslage in der Industrie.

Die Gefahr, daß sich dieses Problem in der Zukunft verschärft, ist durchaus akut. Bedarfsschätzungen zufolge sollte bis 1990 jeder fünfte über gute Datenverarbeitungskenntnisse verfügen und jeder zweite zumindest über einen "Computer-Führerschein". Die Notwendigkeit einer breit angelegten Qualifizierungsoffensive ist auch durch eine von den Forschern der Bundesanstalt für Arbeit durchgeführte Untersuchung belegt. Dadurch wird der Anteil der Arbeitsplätze für Nichtausgebildete von 1982 bis zum Jahr 2000 von 32 auf 20 Prozent sinken, der Anteil für Arbeitnehmer mit betrieblicher, berufsschulischer oder Hochschulausbildung dagegen entsprechend ansteigen.

Daraus wird klar: Der rasche technische Fortschritt stellt auch die Bildungspolitik vor neue Herausforderungen. Die mit den modernen Technologien verbundenen, strukturellen Anpassungserfordernisse werden sich nur dann in konkrete Chancen für mehr Wachstum und Beschäftigung ummünzen lassen, wenn Erziehung und Ausbildung auf allen Stufen möglichst rasch an den technologischen Wandel angepaßt werden.

Angesichts der bereits heute offenbaren Ausbildungsdefizite bei vielen Arbeitnehmern und auch bei Managern wird vor allem die berufliche Aus- und Weiterbildung zu einer zentralen beschäftigungspolitischen Aufgabe.

Damit der Manager auch in Zukunft einen Überblick über das ganze Geschehen behält, ist es für ihn unausweichlich, sich nicht nur mit dem Thema Aus- und Weiterbildung zu beschäftigen, sondern selbst die Initiative zu ergreifen und an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen teilzunehmen.