Das Internet braucht eine schnelle und skalierbare Lösung

ATM und Gigabit Ethernet werden friedlich koexistieren

25.04.1997

CW: Was halten Sie für die bisher größte Leistung des ATM-Forums?

Sirkay: Wir haben uns bisher darauf konzentriert, die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Netzen zu ermöglichen. Dabei handelt es sich um eine gemeinsame Anstrengung der PNNI- und BICI-Arbeitsgruppen des ATM-Forums (PNNI = Private Network-to-Network Interface, BICI = Broadband Inter Carrier Interface). Wie kann man Adressierung und Routing in sehr großen ATM-Netzen bewerkstelligen? Diese Frage stand in der letzten Zeit im Mittelpunkt der Diskussion. Zusätzlich versuchen wir, in der MPOA-Gruppe (MPOA = Multiprotocol over ATM) zu einer Lösung zu kommen. Und das ATM-Forum macht Fortschritte in Sachen drahtloses ATM. Es gibt viele Gebiete, aber das Wichtigste ist, daß ATM-Netze interaktiv werden.

CW: Worin lagen die größten Hindernisse?

Sirkay: Die Unternehmen haben viel Kraft darauf verwendet, in ihren Netzen Probleme mit den Benutzern und Endsystemen zu lösen, während die Service-Provider Infrastruktur-Entscheidungen bezüglich ATM getroffen haben. Diese beiden Lager zur Zusammenarbeit zu bringen - das ist schwierig gewesen, vor allen Dingen die Adressierungsfrage. Ein anderes Problem: Was ist das Modell für die Verbindung der ATM-Systeme?

CW: Was wird das ATM-Forum als nächstes in Angriff nehmen?

Sirkay: In den nächsten Monaten kommen eine Reihe Spezifikationen heraus, die uns in den obigen Fragen sicher weiterbringen werden.

CW: Welche Beziehung besteht zwischen ATM-Forum und IETF?

Sirkay: Das IETF ist ein Liaison-Mitglied des ATM-Forums. Das bedeutet, daß jede Aktivität des IETF an das ATM-Forum weitergemeldet wird. Der Informationsaustausch verläuft in beiden Richtungen, vor allen Dingen über den grundsätzlichen Weg, den das eine oder andere Gremium in Zukunft einschlagen will.

CW: Wo sehen Sie Vorteile von ATM gegenüber Gigabit Ethernet?

Sirkay: ATM ist die skalierbarste und überlebensfähigste Technik. Gigabit Ethernet ist nicht skalierbar. Und ATM gibt es heute schon, entsprechende Produkte sind verfügbar. ATM ist eine bewährte Technik, wohingegen Gigabit Ethernet sich als Technologie der nächsten Generation erst noch bewähren muß.

CW: Glauben Sie, daß Gigabit Ethernet die Entwicklung und den Erfolg von ATM behindern kann?

Sirkay: Nein. Ich glaube, daß Gigabit Ethernet eine überlebensfähige Technik ist, die mit ATM zusammenarbeiten wird, ohne es zu beeinträchtigen. Gigabit Ethernet könnte eine geeignete Zugangstechnologie für verschiedene Anwendungen sein, aber hauptsächlich wird es ein Protokoll werden, das über ATM läuft - zumindest im Kernbereich jedes Netzes.

CW: Werden beide Technologien koexistieren?

Sirkay: Ja, und zwar friedlich koexistieren. Sie werden nicht miteinander im Wettbewerb stehen oder sich gar die Schau stehlen. Beide Technologien sprechen unterschiedliche Märkte an. Mit Sicherheit ist ATM eine Infrastruktur für den Kern eines Netzes. Gigabit Ethernet paßt nicht in diesen Bereich. Meines Wissens gibt es kaum Service Provider oder große Unternehmen, die Gigabit Ethernet im Backbone einsetzen. Der Markt liegt eher im Bereich von Zugangsprodukten.

CW: Spricht ATM eher innovative Menschen an und Gigabit Ethernet solche, die möglichst wenig an ihrem existierenden Netz ändern wollen?

Sirkay: Ich denke nicht. Selbst mit Gigabit Ethernet gibt es eine gewisse Notwendigkeit, existierende Geräte auszutauschen. Immer, wenn man eine neue Technologie implementiert, muß man etwas ersetzen. ATM hat seine Karriere in der Innovatoren-Ecke begonnen, jetzt wird es Realität.

CW: Wie sieht es mit dem Preis aus?

Sirkay: Ich glaube, daß der Preis von ATM im Laufe der Entwicklung sinken wird. Die Kosten von Gigabit Ethernet kennt derzeit noch niemand. Es gibt zwar Vorhersagen und Spekulationen darüber, aber wie ich bereits sagte: Das sind verschiedene Märkte. ATMs Preis-Leistungs-Verhältnis wird deutlich besser sein als das, was wir von klassischen Routern und Frame Relay her kennen.

CW: Und was ist mit der Integration unterschiedlicher Datentypen?

Sirkay: In ATM gibt es Service Level Interworking für Frame Relay, man kann mit IP über ATM arbeiten oder mit jedem anderen Protokoll. Einige der Initiatoren wie das MPOA haben es möglich gemacht, verschiedene Datentypen über denselben Backbone zu transportieren - hauptsächlich über ATM.

CW: Ein anderes Thema: Braucht das Internet ATM?

Sirkay: Aber sicher. Das Internet braucht ATM, weil es so schnell wächst, daß es auf eine skalierbare Lösung angewiesen ist. Router sind nicht skalierbar.

CW: Braucht ATM das Internet?

Sirkay: ATM braucht das Internet, um ein Beispiel für Netze zu geben, die man mit ATM aufbauen kann. ATM erlaubt komplexe Netze mit hoher Bandbreite. Das Internet zeigt, wo ATM Sinn macht. Wenn das Internet und vergleichbare Bandbreitenanforderungen nicht existieren würden, wäre ATM vielleicht überflüssig. Aber es ist notwendig, wenn Applikationen Quality of Services (QoS) oder eine hohe Bandbreite erfordern.

CW: Wann wird es Interoperabilität zwischen Geräten unterschiedlicher Hersteller geben?

Sirkay: Es gibt bereits Interoperabilität zwischen vielen Herstellern.

CW: Haben europäische Anwender ähnliche Interessen, was ATM betrifft, wie die Amerikaner?

Sirkay: Ich denke ja. Die Standards werden auch zur selben Zeit in Europa verfügbar sein wie in den USA.