IT in Banken

Arbeiten mit Out- und Insourcern

07.05.1999
Bankern steht heute ein breites Spektrum an externen IT-Dienstleistungen zur Verfügung und sie machen - mutiger geworden - intensiven Gebrauch davon. Johannes Kelch* hat Beispiele positiver Kooperationen mit Out- und "Insourcern" gesammelt. Denn auch letztere, meist Großbanken mit speziellem bankfachlichem und DV-Wissen, machen inzwischen in diesem stark expandierenden Marktsegment ihren Schnitt.

In Sachen IT-Dienstleistungen entwickeln die als konservativ geltenden deutschen und europäischen Banken immer mehr Mut und Phantasie. Das Spektrum der extern erbrachten Leistungen reicht von der Anwendungsentwicklung bis zum Sicherheits-Management. Sogar die Erledigung von DV-gestützten Geschäftsprozessen - etwa beim Wertpapierhandel - wird bereits nach außen vergeben. Allerdings nicht an IT-Dienstleister, sondern an spezialisierte Banken, die sich als "Insourcer" versuchen.

Hochaktuell für viele Banken ist noch immer das klassische Outsourcing von Rechenleistung. Viele Geldinstitute lassen die juristischen Bestände außer Haus verwalten. Sparkassen nutzen die Gebietsrechenzentren der Sparkassenorganisation, Genossenschaftsbanken ihre Rechenzentralen. Software-Dienstleistungsunternehmen wie IBM, EDS, SBS und AC unterhalten im Auftrag ihrer Kunden Rechenzentren oder Ausweichrechenzentren.

So läßt die Advance Bank in München die Transaktionen ihrer Kunden in einem Rechenzentrum der IBM-Tochter IBB in Schweinfurt berechnen. Nach Auskunft eines Mitarbeiters funktioniert die Buchungsschiene zwischen dem Mainframe in Schweinfurt und der Client-Server-Landschaft in München abgesehen von kleineren Schwierigkeiten reibungslos.

Die Allgemeine Deutsche Direktbank in Frankfurt läßt sämt- liche Rechenzentrums-Dienstleistungen von Siemens Business Services (SBS) erledigen. Nach Auskunft des DV-Verantwortlichen Herbert Wilius klappt die Zusammenarbeit mit SBS "ohne Probleme".

Auf den Markt der Rechenzentren drängen sogar neue Anbieter. So gründet die Deutsche Bank gegenwärtig unter dem Arbeitstitel "DB-Operator" eine eigenständige Tochtergesellschaft, die künftig den Zahlungsverkehr und das Wertpapiergeschäft für an- dere Institute abwickeln soll. Pressesprecher Klaus Thoma gibt zu bedenken, insbesondere für kleinere Geldinstitute sei die Bewältigung der Transaktionen über interne IT-Dienste "sehr teuer". "DB-Operator" soll die Arbeit im zweiten Halbjahr 1999 aufnehmen.

Anders als für die Deutsche Bank ist für die IBM-Tochter Global Services das klassische Rechenzentrums-Outsourcing mit dem Versprechen der Kosteneinsparung als Konzept längst überholt. Nach einem internen Papier "geht erfolgreiches Outsourcing über eine herkömmliche Lieferantenbeziehung weit hinaus in Richtung einer Wertschöpfungspartnerschaft".

Outsourcing in den eigenen vier Wänden

Das IBM-Papier spannt den Bogen von Entwicklungsfunktionen über die Modernisierung des IT-Umfelds bis hin zur "Auslagerung ganzer Unternehmensprozesse mit teilweise starkem Bezug zur Branche und zum Kerngeschäft". Doch da ist - was die Banken betrifft - der Wunsch Vater des Gedankens. Derart weitreichende Ausgliederungen sind bei den auf Sicherheit bedachten Banken selten.

Eine der umfassendsten Outsourcing-Leistungen von IBM für ein Geldinstitut ist in Europa das Network Station Management bei der britischen Bank Lloyds TSB. Die Dienstleistungstochter IBM Global Services steuert das LAN von Lloyds TSB, an dem rund 13000 Anwender hängen, wartet die Rechner und betreibt ein zentrales User Helpdesk.

Netzwerkverwaltung und -Management bietet den 588 angeschlossenen Banken seit kurzem auch die Rechenzentrale Bayerische Genossenschaften eG in Dornach bei München mit etwa 20 Mitarbeitern. Die Dornacher bearbeiten alles von der Vergabe der Benutzerrechte für die Beschäftigten über die Überwachung der Hardware bis zur Softwareversorgung der Clients bei den Kunden.

Bei der 1998 von drei anderen Geldinstituten gegründeten BWS-Bank, die sich auf das Wertpapiergeschäft spezialisiert hat, ist das gesamte "produktive Tagesgeschäft" der DV nach außen verlagert, die 20 dafür zuständigen Mitarbeiter des DV-Dienstleisters SCS-GmbH sitzen jedoch in den Geschäftsräumen der BWS-Bank in Frankfurt. Dieses Outsourcing in den eigenen vier Wänden umfaßt Hotline, die Betreuung der Server und Clients sowie die Administration von Lotus Notes.

Ein diametral entgegengesetztes Konzept verfolgte der Schweizerische Bankverein, bevor er zum Jahresende 1998 mit einer anderen Großbank zur UBS fusionierte. Die Schweizer behielten den DV-Betrieb bewußt selbst in der Hand und entschieden sich für das Outsourcing der Anwendungsentwicklung. Nach außen, zur hundertprozentigen Tochter Systor AG, wurden 1995 neben Entwicklungsaufgaben auch 350 IT-Mitarbeiter verlagert.

Mit der heutigen UBS besteht "kein umfassendes Outsourcing-Verhältnis" in der Anwendungsentwicklung mehr, teilt Systor-CEO Ulrich Kunz mit. Systor arbeitet "komplementär" zur Entwicklungsabteilung der UBS an der Migration der alten proprietären Bankensoftware, um eine "einheitliche technische und applikatorische Plattform" für die neue Bank zu schaffen. Der Wettlauf gegen die Zeit soll laut Zeitplan im Sommer 1999 abgeschlossen sein.

Langfristig ist Systor jedoch an der Erneuerung der Kernsysteme der UBS beteiligt. Die "transaktionalen Systeme" stammen aus den späten 70er und frühen 80er Jahre. Eine Gesamtrenovierung ist geboten, da es - so Kunz - zwar Standardsoftware für bankfachliche Teilbereiche, aber kein universelles Bankenpaket gibt.

Groß im Kommen ist das Outsourcing der 24-Stunden-Überwachung und -Steuerung von Selbstbedienungseinrichtungen. Jahrelang hat DV-Organisator Helmut Moosmüller von der Volksbank im niederbayerischen Deggendorf "Klimmzüge" gemacht, um die Rechenzentrale der Genossenschaftsbanken zu dieser Leistung zu bewegen. Seit wenigen Wochen ist Moosmüller mit der Rechenzentrale allerdings "sehr zufrieden". Der DV-Verantwortliche: "Endlich ist das eingetreten, was wir gefordert haben."

Die Zuverlässigkeit der SB-Geräte in Deggendorf sei "imageträchtig". Schon ein Ausfall von fünf Minuten bedeute "Ärger im Haus". Die jetzige Lösung mit der Vorsorge und Fehlerbehebung durch die Rechenzentrale sei dagegen eine "runde Sache", die Bank vor Ausfällen besser geschützt.

Thomas Marx, in Dornach für technische Dienstleistungen zuständiger Abteilungsleiter, berichtet von einer hohen Akzeptanz des neuen 24-Stunden-Services, in dem lediglich fünf der 833 Rechenzentrumsmitarbeiter beschäftigt sind. Schon vier Wochen nach Einführung hatten sich 85 der 588 betreuten Genossenschaftsbanken für das neue Angebot entschieden.

Der Vorteil der Lösung liegt nach übereinstimmender Meinung von Marx und seinem "kritischsten Kunden" Moosmüller vor allem in der Vorsorge. Die Mitarbeiter der Rechenzentrale erkennen über den Online-Anschluß der SB-Geräte und ein Alert-Management-System, ob das Geld noch fürs Wochenende reicht, ob Papier im Drucker nachgelegt werden muß oder ob ein Techniker zur vorbeugenden Reparatur entsandt werden sollte. Während früher beim Absturz eines SB-Servers ein Einsatz vor Ort obligatorisch war, können die Techniker der Rechenzentrale jetzt "die meisten Probleme über die Leitung bereinigen", so Marx. Lediglich das Nachfüllen von Geld und Papier bleibt Sache der jeweiligen Bank.

Die Deutsche Bank sieht bei den eigenen SB-Einrichtungen ein Kosteneinsparungspotential und will bundesweit Aufstellung, Betrieb und Wartung der Geräte außer Haus geben. Pressesprecher Klaus Thoma bestätigte Gerüchte, wonach die Bank gerade nach passenden Partnern für diese Leistung Ausschau hält.

Auf dem Gebiet des Outsourcing bekommen die reinen DV-Dienstleister zunehmend Konkurrenz durch Banken, die sich dem "Insourcing" verschreiben. Ein Beispiel für diesen neuartigen Trend ist das Outsourcing des Wertpapiergeschäfts bei der Allgemeinen Deutschen Direktbank. Als Partner wählte die Frankfurter Bank die von der HypoVereinsbank neugegründete, auf Wertpapierhandel spezialisierte Pro-Bank in München.

Nach Darstellung von DV-Mann Herbert Wilius nimmt eine Wertpapierorder, die im Call-Center der Direktbank eingeht, einen längeren Weg. In Frankfurt wird die Order von einem Mitarbeiter online auf der Oberfläche eines Client erfaßt. Anschließend wird der Auftrag "in das System der Pro-Bank durchgeoutet" und von dort wiederum an die Börse durchgeleitet.

Sodann landen die Daten des abgeschlossenen Auftrags wieder bei der Pro-Bank, die mit ihrer Infrastruktur die gesamte Abrechnung bewältigt, Wertpapierdepots und Fonds betreut und am Schluß nach Frankfurt die Buchung bestätigt. Der Kunde bekommt von den indirekten Abläufen im Hintergrund nichts mit, er kommuniziert "direkt" immer nur mit der Direktbank.

Als Neuerung auf dem Gebiet des IT-Outsourcing hat IBM Global Services kürzlich das Markenzeichen "Total Security Management" (TSM) ins Spiel gebracht. Damit wollen die Dienstleister des Computerriesen Ausfälle der IT begrenzen, die nach Recherchen der Meta Group überwiegend nicht auf Hard- warefehler, sondern auf Systeminkompatibilitäten, Software- und Bedienungsfehler zurückgehen. "TSM schließt die Lücke zwischen Wartung klassischer Prägung und Outsourcing", proklamiert Thomas Heizler, TSM-Leiter bei IBM, den neuen Dienst.

Je nach Kundenanforderung und Systemlandschaft konfigurieren die IBM-Leute beim TSM Netzwerk-Management, Server-Konsolidierung, Systemintegra- tion und andere Leistungen, die in irgendeiner Form die Ausfallsicherheit auf 99 plus x Prozent steigen lassen. Eine der ersten Banken, die diesen Service in Anspruch nimmt, ist die niederländische Rabobank.

Falsche Erwartungen

Traumhaft wachsende Umsätze bei den IT-Outsourcing-Anbietern stehen Meldungen über abgebrochene oder nicht verlängerte Partnerschaften gegenüber. Wie steht es um die Kundenzufriedenheit? Diese Frage beantwortet das Papier "Strategisches Outsourcing" von IBM Global Services beispielsweise so: Bei dem Unternehmen haben 40 Prozent aller Outsourcing-Kunden weltweit "erneut unterschrieben". Es sei richtig, "daß eine Reihe von Verträgen nicht verlängert wird". Das habe jedoch oft "mit falschen oder wenig differenzierten Erwartungshaltungen zu tun und nicht immer mit schlechter Leistung". Unternehmen, die vor einer Make-or-buy-Entscheidung stehen, müßten nicht nur die Leistungsfähigkeit des Dienstleisters bewerten, sondern auch "Faktoren wie Strategie- und Kulturverträglichkeit". Der Erfolg hänge wesentlich "von der sorgfältigen Durchführung des Management-Prozesses" ab.

*Johannes Kelch ist freier Journalist in München.