Der Stoff, aus dem die Träume sind: UMTS

Applikationen und Aufbau des Netzes sind offene Fragen

25.08.2000
MÜNCHEN - Der Hammer ist gefallen. Knapp 100 Milliarden Mark legten die sechs erfolgreichen Bieter als Eintrittsgeld ins UMTS-Schlaraffenland auf den Tisch. Doch die Ersteigerung einer der Lizenzen war nur der erste Schritt. Nun warten auf die Netzbetreiber in spe Herkulesaufgaben wie der Bau einer neuen Netzinfrastruktur oder die Suche nach der oder den UMTS-Killerapplikationen. CW-Bericht, Jürgen Hill

Nach fast drei Wochen war sie endlich vorbei, die Versteigerung der UMTS-Lizenzen. Zwischen rund 16,4 Milliarden und 16,6 Milliarden Mark zahlten die erfolgreichen T-Mobil, D2 Mannesmann, E-Plus Hutchinson, Viag Interkom, Mobilcom sowie das Bieterkonsortium Group 3G aus Sonera und Telefonica für eine der begehrten UMTS-Lizenzen. Angesichts dieser Eintrittsgelder in die UMTS-Welt konnte sich nur einer wirklich freuen: Bundesfinanzminister Hans Eichel, der den neuen Mobilfunkstandard UMTS mittlerweile mit "Unvermutete Mehreinnahmen zur Tilgung der Staatsschulden" übersetzt.

Anders dagegen die Reaktionen der erfolgreichen Bieter. Bei ihnen machte sich bereits kurz nach dem ersten Glas Champagner Katerstimmung breit. Und dies gleich aus mehreren Gründen: So verlor etwa das Konsortium um E-Plus mit Hutchinson Whampoa einen Partner, und der Energiekonzern EON ließ seine TK-Tochter Viag Interkom angesichts der hohen Lizenzgebühren wie eine heiße Kartoffel fallen. Neuer Mehrheitseigner an dem Münchner Konzern ist nun British Telecom. Bereits im Vorfeld in ausländische Hand kam das Enfant terrible der Branche: Bei Mobilcom sitzt mittlerweile France Télécom mit im Boot.

Breitgefächert war auch das Meinungsspektrum bezüglich der Höhe der Lizenzgebühren. Während ein Telekom-Sprecher das Ergebnis als wirtschaftlichen Wahnsinn kommentierte, zeigte sich sein oberster Boss, Telekom-Chef Ron Sommer, mit dem Ergebnis zufrieden und meinte, die beiden Marktführer D1 und D2 hätten den richtigen Preis gezahlt. Anders dagegen die Einschätzung kleinerer Netzbetreiber wie etwa Viag Interkom: Sie warfen den Großen Preistreiberei vor (vgl. Kasten "UMTS-Bieter ärgere Dich nicht!).

In der Beurteilung der Auktion ging ein Riss quer durch alle Lager - ganz gleich ob Bieter, Analyst oder Branchenkenner. Während die einen, wie etwa Booz Allen & Hamilton, von einem hohen Eintrittspreis sprachen und negative Folgen für die gesamte TK-Branche befürchten, kommen andere, etwa die Gartner Group, zu dem Schluss, dass die hohen Gebühren auch eine Chance seien. Die Netzbetreiber, so argumentiert Gartner, seien nämlich wegen der hohen Gebühren gezwungen, neue, innovative Dienste zu entwickeln, wenn sie unterm Strich auf ihre Kosten kommen wollen.

Wer sich angesichts dieser widersprüchlichen Analysen verwundert die Augen reibt, möge sich Folgendes verdeutlichen: Die Versteigerung der Lizenzen war nur die erste Herausforderung auf dem Weg in die UMTS-Welt. Als nächstes wartet auf die Netzbetreiber die Aufgabe, in kürzester Zeit ein neues Netz aufzubauen. Hier kalkulieren die Experten mit Investitionssummen zwischen acht und zehn Milliarden Mark. Berechnungen, die durchaus realistisch sind, wie ein Blick zurück zeigt: Seit 1992 investierte die Telekom in den Ausbau des heutigen D1-Netzes rund 7,5 Milliarden Mark und wird zur Aufrüstung in Sachen schnellerem GPRS noch einmal zwei bis drei Milliarden Mark ausgeben.

Parallel hierzu müssen die künftigen Betreiber neue Billing-Systeme entwickeln, da im UMTS-Netz Datenübertragungen volumenabhängig tarifiert werden. Des Weiteren stehen die Unternehmen vor der Aufgabe, neue und interessante Anwendungen zu finden, um UMTS dem Verbraucher schmackhaft zu machen. Denn wer nur telefonieren oder E-Mails abrufen will, kann auch in Zukunft mit den heutigen GSM-Netzen gut leben, zumal diese dann dank GPRS bald mit ISDN-Geschwindigkeit aufwarten.

Angesichts der zahlreichen ungelösten UMTS-Fragen könnte eventuell doch der Geschäftsansatz von Talkline Erfolg versprechend sein. Das Unternehmen, hinter dem Tele Danmark und die amerikanische SBC Communications stehen, hatte sich ursprünglich auch um die Teilnahme an der Auktion bemüht. In Anbetracht der hohen Lizenzkosten in Großbritannien zog das Unternehmen dann im Juni seine Bewerbung zurück. "Wir hatten in unserem Business-Case Lizenzgebühren von zehn Milliarden Mark veranschlagt", erklärt Martin Ortgies, Leiter Unternehmenskommunikation bei Talkline. Bereits bei dieser Summe kam Talkline auf einen Amortisationszeitraum von zwölf bis 15 Jahren. "Letztlich rechnete sich das Ganze für uns nicht, sodass wir bei UMTS wieder als Service-Provider auftreten", beschreibt der Talkline-Manager die Pläne seines Unternehmens.

Ein Ansatz, der auch für Volker Link, Vice President der Vereinigung europäischer TK-Berater Eutelco, seinen Charme hat. Er glaubt sogar, dass sich Unternehmen wie Talkline als Service-Provider in der ersten Phase der UMTS-Geschichte besser stellen als mancher Lizenzinhaber. "Aber nur am Anfang", so warnt Link, "denn von den sechs Lizenznehmern wird nicht jeder überleben, sodass die virtuellen Netzbetreiber dann später erpressbar sind."

Abschließend weist Link noch darauf hin, dass die Halbwertzeit der UMTS-Lizenzen nicht unbegrenzt ist. Dies habe vor allem mit der nutzbaren Bandbreite von zwei Mbit/s zu tun, die für viele Anwendungen wie etwa im Bereich Telemedizin nicht ausreiche. Deshalb geht das Eutelco-Mitglied davon aus, dass es notwendig sein wird, das geplante UMTS-Netz weiter auszubauen oder auch durch ein komplett neues Netz zu ersetzen. Nach Meinung von Link dürfte dies in knapp zehn Jahren der Fall sein. Damit verbleibt den Netzbetreibern letztlich ein Zeitraum von etwa acht Jahren, um mit den ersteigerten UMTS-Lizenzen Umsätze und Gewinne zu generieren.

UMTS-Bieter ärgere Dich nicht!Die Unterschriften unter den UMTS-Lizenzen waren noch nicht trocken, da begannen die gegenseitigen Vorwürfe. Wer ist verantwortlich für die hohen Lizenzgebühren? Schnell hatten die kleineren Auktionsteilnehmer auch einen Schuldigen gefunden. Ähnlich wie zu Beginn der TK-Liberalisierung bei den Interconnection-Verhandlungen sahen sie in der Telekom das personifizierte Böse. Durch ihr Beharren auf drei Frequenzblöcke habe sie die Versteigerung unnötig um 30 Milliarden Mark in die Höhe getrieben. Eine Behauptung, die durchaus nachvollziehbar ist, denn Telekom-Chef Ron Sommer machte schließlich keinen Hehl daraus, dass er sich möglichst wenig Lizenznehmer wünscht. Allerdings trifft den Telekom-Boss nicht die alleinige Verantwortung. Mit Mannesmann Mobilfunk versuchte ein weiterer Großer, ebenfalls drei Frequenzblöcke zu ersteigern. Prompt entstanden daraufhin erste Verschwörungstheorien: über geheime Zahlencodes hätten die beiden Konzerne bei ihren Geboten signalisiert, ob sie eine große oder kleine Lizenz wollen. Eine Räuberpistole, deren Wahrheitsgehalt mehr als fraglich ist. Würde sie stimmen, müsste die Regulierungsbehörde beiden Unternehmen die Lizenz entziehen, da eine Kommunikation beziehungsweise Absprachen der Bieter untereinander strikt verboten waren.

UMTS und das liebe GeldMehr als 25 Milliarden Mark dürfte die TK-Unternehmen der Eintritt in die UMTS-Welt kosten: Neben den rund 16 Milliarden für den Erwerb der Lizenz müssen die Betreiber noch die Kosten für den Aufbau eines neuen Netzes aufbringen. Der Investitionsaufwand hierfür wird auf acht bis zehn Milliarden Mark geschätzt. Hinzu kommen die Kosten für ein neues Abrechnungssystem und die Entwicklung neuer Applikationen.

Hieraus ergeben sich Summen, die selbst Schwergewichte wie die Telekom nicht einfach aus der Portokasse bezahlen. Bereits im Vorfeld der UMTS-Auktion hatte der Bonner Konzern die bislang größte Unternehmensanleihe aller Zeiten getätigt. Rund 15,3 Milliarden Dollar nahm die Telekom an den Kapitalmärkten auf. Teuer wird der UMTS-Einstieg auch für die British Telecom. Sie muss nicht nur 90 Prozent der Lizenzgebühren zahlen, sondern auch 7,3 Milliarden Euro für den 45-prozentigen Anteil des Energiekonzerns EON an Viag Interkom. Dementsprechend kursieren an den Kapitalmärkten Gerüchte, dass British Telecom ebenfalls eine große Bond-Platzierung plant.

Ein ähnliches Ansinnen wird der France Télécom nachgesagt, die gemeinsam mit Mobilcom eine Lizenz ersteigerte. Von anderer Seite ist jedoch zu hören, dass Mobilcom einen Teil der Lizenzgebühren, nämlich 7,4 Milliarden Mark, aus dem Erlös des Verkaufs von Mobilcom-Anteilen an die Franzosen bestreite. Für den Rest stehe eine Zwischenfinanzierung durch ein Bankenkonsortium zur Verfügung. Die finnische Sonera will Vermögenswerte und Beteiligungen verkaufen und ebenfalls eine Anleihe ausgeben.

Angesichts dieser Bond-Fülle gerieten die Kapitalmärkte bereits unter Druck: So fielen die Kurse für Unternehmensanleihen, womit sich analog die Verzinsung erhöhte. Die Geldbeschaffung auf dem Kapitalmarkt ist nur ein Weg, den Aufbau der UMTS-Netze zu finanzieren. Hinter den Kulissen ist zu hören, dass zahlreiche Netzbetreiber das erforderliche Equipment bei den Herstellern auf Pump besorgen. Die Rückzahlung soll dann analog zur Geschäftsentwicklung mit den neuen UMTS-Netzen erfolgen.