Betriebssystem-Strategie auch für Bill Gates nicht nachvollziehbar

Apple reorganisiert einmal mehr und läßt alles im unklaren

14.02.1997

Apple wird seine diversen Marketing-Gruppen in eine einzige Organisation unter Leitung von Guerrino De Luca zusammenführen. Zu Apples Vertriebs- und Serviceorganisation unter Marco Landi gehören nun ebenfalls die bisher in gleicher Funktion bei Next tätigen Mitarbeiter. Auch Claris berichtet an Landi.

Die Abteilung Forschung und Entwicklung teilte Amelio in die Sektionen Hard- und Software auf. Ellen Hancock führt das sogenannte Technology Office an. Diese Gruppe ist auch zuständig für Fragen des Qualitäts-Managements, zu ihr gehört ferner eine "Advanced Technology Group". Ob die neue Position gleichbedeutend ist mit einer Degradierung von Hancock - die ehemalige IBM-Managerin bekleidete bislang den Posten des Chief Technology Officer (CTO) -, ist nicht eindeutig. Apple selbst bestreitet diese Deutung.

Die Abteilung Finance and Administration führt unverändert Fred Anderson an. Auch im Bereich Operations bleibt alles beim alten mit George Scalise als Kopf.

Jobs und Wozniak beraten Apples Topmanagement

Diese sechs Bereiche beziehungsweise deren Vice-Presidents berichten an CEO Amelio. Sie bilden das Executive Committee, dem auch die beiden Apple-Gründer Steve Jobs und Steve Wozniak als Berater beisitzen werden. Das Topgremium wird im März die bereits angekündigten Restrukturierungsmaßnahmen bezüglich Massenentlassungen und der Aufgabe von Geschäftsbereichen bekanntgeben.

Stellvertretend für viele Analysten äußerte John Dunkle von Workgroup Strategies Services Zweifel daran, ob die neuerlichen Reorganisationspläne ein geeignetes Mittel seien, den leckgeschlagenen Apple-Dampfer wieder flottzumachen. Diese Aktion komme ihm so sinnträchtig vor, als ob man auf der sinkenden "Titanic" die Tischordnung neu arrangiere.

In der Tat fragen Marktbeobachter, was sich Amelio von der wiederholten Neuausrichtung des Konzerns verspricht. Im Sommer 1993 hatte John-Sculley-Nachfolger Michael Spindler gehofft, den schlingernden Mac-Hersteller mit einer Neuorganisation in ruhige Fahrwasser zu lotsen, um einen Vierteljahresverlust von 188,3 Millionen Dollar wettzumachen.

Nur 21 Monate später, im April 1995, gliederte Spindler das Headquarter in Cupertino wieder um. Ab sofort gruppierte sich das kalifornische Unternehmen nicht mehr nach Produkttypen, sondern nach Aufgaben. Damit einher ging auch die strikte Trennung in Hard- und Software-Divisionen, die Amelio nunmehr wieder rückgängig gemacht hat. Die Marketing- und Vertriebsaktivitäten konzentrierte Spindler auf weltweiter Basis in einem einzigen Geschäftsbereich. Bereits im November desselben Jahres zerschlug Michael "The Diesel" Spindler diese Zentralabteilung wieder.

Auch Spindlers Thronfolger Amelio zog nach 100 Tagen Regentschaft als Ultima ratio die Karte Reorganisation: Er schuf im Mai 1996 die Geschäftsabteilungen Applesoft, Applenet und Appleassist. Die Hardware-Aktivitäten unterteilte der Sanierer von National Semiconductor in vier Divisionen. Außerdem installierte er die Bereiche "Alternative Platforms" sowie "Imaging".

Doch heute befindet sich der Macintosh-Hersteller da, wo er schon vor allen Revirements stand: in der Krise. Die Apple-Aktie fiel fast auf einen historischen Tiefpunkt von 15,25 Dollar, der weltweite Marktanteil liegt mittlerweile bei unter fünf Prozent.

Dies mußte auch Amelio vor seinen Aktionären eingestehen. Er habe zu Beginn seiner Tätigkeit als Apple-CEO nicht geahnt, wie tief das Unternehmen im Schlamassel stecke.

Amelio machte in der Vergangenheit insbesondere fünf Problemzonen aus: Die Liquidität des Unternehmens sei praktisch bei Null angelangt; vor allem bei Produkten mit strategischer Bedeutung wie den "Powerbook"-Notebooks habe Apple mit Qualitätsdefiziten zu kämpfen gehabt; die Firmenkultur beziehungsweise die Management-Darstellung in der Öffentlichkeit ließen zu wünschen übrig; zudem sei für Außenstehende nicht erkennbar gewesen, auf welche Geschäftsfelder sich Apple konzentrieren würde; last, but not least sei Apples Betriebssystem-Strategie vor allem wegen fortwährender Verzögerungen nicht besonders glücklich ausgefallen.

Insbesondere bezüglich des letzten Punktes gibt der Mac-Hersteller seinen Anhängern aber weiterhin Rätsel auf: Noch im Januar hatte Apple eine zweigleisige Betriebssystem-Ausrichtung auf der Macworld Expo bekanntgegeben. Im Zentrum der künftigen Bemühungen steht "Rhapsody", mit dem das Mac-OS zusammengeführt werden soll. Das geplante 32-Bit-Betriebssystem wird auf dem Machkernel in der Version 2.5 basieren, der auch die Grundlage von "Nextstep" bildet.

Anläßlich des Aktionärstreffens sagte Amelio, man denke in Cupertino auch über den Lizenzerwerb von Rechten an Microsofts NT-System nach. Bill Gates habe sich in Apples Hauptquartier bereits mit Berater Steve Jobs und Amelio über entsprechende Möglichkeiten unterhalten.

Microsoft-Boß Gates wimmelte aber schon wieder ab: Ihm sei Apples Betriebssystem-Strategie ziemlich schleierhaft, weswegen er an sie keine Gedanken verschwenden würde.

In Sachen NT sind die Würfel noch nicht gefallen

Apple-Manager äußerten jetzt, noch sei in Sachen NT nichts entschieden. Sicher ist aber, daß Microsoft NT auf der Power-PC-Plattform nicht weiter unterstützen wird. Damit befindet sich Apple in der nächsten Kalamität: Mittlerweile läuft NT nur mehr mit DECs Alpha-CPUs und mit Intel-Prozessoren. Alle anderen Hardware-Architekturen generieren nicht genug Marktmasse, um für Microsoft interessant zu sein.

Da Macintosh-Applikationen aber nur auf der Power-PC-Plattform durchgängig kompatibel zueinander sind, würde ein Wechsel auf NT die bisherigen Mac-Anwender zunächst einmal aussperren. Einige Analysten argumentieren, Apple überlege, mit NT die Zeit zu überbrücken, bis eine kommerziell verwendbare Version von Rhapsody Mitte 1998 verfügbar sein werde. In diesem Zusammenhang machte Amelio eine weitere irritierende Andeutung: Es wäre dumm, sich nicht zu überlegen, ob man Rhapsody auf die Intel-Plattform portieren solle.

Hierzu muß man wissen, daß Rhapsody im Prinzip aus zwei Teilen besteht: der sogenannten "Yellow Box" und der "Blue Box" (siehe Abbildung). Rhapsodys Blue Box, die unter anderem für die Kompatibilität mit dem Mac-OS 7 sorgt, läuft nach Aussagen von Tevanian, Chef von Apples Hardware-Division System Software Engineering, nur auf Power-PC-Architekturen.

Die Yellow Box beinhaltet alle Openstep-Applikations-Schnittstellen (APIs) sowie die Funktionen für Multitasking- und Multiprocessing-Features. Dieser Betriebssystem-Teil von Rhapsody, den Next schon in seinem Betriebssystem Nextstep zur Verfügung stellt, läuft im Gegensatz zur Blue Box auch heute schon auf anderen Plattformen wie "Solaris" von Sun und "HP-UX" von Hewlett-Packard (HP). Nicht zuletzt ist er aber auch auf NT einsatzfähig. Alle neuen Applikationen, die konform zu den Openstep-APIs der Yellow Box sein werden, können somit auch auf PCs, Macs und Unix-Maschinen genutzt werden. Nicht zu Unrecht stellen Analysten deshalb die Frage, wieso Apple das Thema NT überhaupt anspricht.