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AOLTW erreicht durch neue Bilanzierung schwarze Zahlen

25.07.2002

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - AOL Time Warner hat kurz nach seiner Management-Umstellung überraschend solide Zahlen für das zweite Quartal seines laufenden Geschäftsjahres veröffentlicht. Allerdings ermittelt die US-Börsenaufsicht wegen der Bilanzpraxis der Konzerns. Den Nettogewinn für das abgeschlossene Vierteljahr gibt AOL Time Warner mit 394 Millionen Dollar oder neun Cent pro Aktie an (aufgrund einer Änderung der Bilanzierung). Im Vorjahreszeitraum wies das Unternehmen einen Fehlbetrag von 734 Millionen Dollar oder 17 Cent je Anteilschein aus. Dieser entstand vornehmlich durch Goodwill-Abschreibungen, die nach der neuen Regelung nicht mehr nötig sind. Bei gleicher Buchhaltung entspräche der aktuelle Nettogewinn einem Rückgang um 33 Prozent gegenüber den theoretischen 592 Millionen Dollar oder 13 Cent pro Aktie Gewinn im Berichtszeitraum des Vorjahres.

Das EBITDA-Ergebnis (vor Zinsen, Steuern und Abschreidbungen) blieb gegenüber dem Vorjahresquartal (2,41 Milliarden Dollar) mit aktuell 2,46 Milliarden praktisch unverändert und lag im Rahmen der Erwartungen. Den Quartalsumsatz steigerte AOL Time Warner trotz anhaltender Probleme der Online-Tochter AOL (America Online) um zehn Prozent auf 10,57 Milliarden Dollar. CEO (Chief Executive Officer) Richard Parsons geht davon aus, dass zum Ende des Geschäftsjahres ein EBITDA am unteren Ende der Erwartungen von fünf bis neun Prozent Wachstum sowie ein Umsatzplus am oberen Ende der Prognose von fünf bis acht Prozent Wachstum herausspringt.

Vor der nachbörslichen Veröffentlichung der Zahlen war der Aktienkurs von AOL um 15 Cent auf 11,40 Dollar gefallen. Nach Bekanntgabe des Resultats gab das Papier nochmals um 72 Cent auf ein Vierjahrestief von 10,68 Dollar nach. Die Securities and Exchange Commission (SEC) untersucht nach Angaben des Unternehmens als Folge eines Berichts in der "Washington Post" eine Reihe von Transaktionen bei America Online aus den Jahren 2000 und 2001. Laut AOL Time Warner wurden diese vom Wirtschaftsprüfer genehmigt. Parsons erklärte, er werde "persönlich alles dafür tun, um unseren Anlegern die größtmögliche Klarheit zu bieten".

Am schlechtesten in dem riesigen Medienkonglomerat - das sich unter anderem von CNN über Warner Movies und Music bis hin zum "Time Magazine" erstreckt - schnitt der Online-Bereich ab. Einnahmen und EBITDA von AOL fielen um drei und 27 Prozent auf 2,3 Milliarden Dollar respektive 473 Millionen Dollar. Schuld war vor allem der schwache Online-Werbemarkt: Der AOL-Umsatz im Bereich Advertising and Commerce sank im Jahresvergleich um 42 Prozent auf 412 Millionen Dollar - und davon stammten allein 50 Millionen von anderen Konzernbereichen. Auch konnte AOL nur 492.000 Neukunden gewinnen; im Vorjahresquartal waren es noch 1,3 Millionen gewesen. (tc)