Anwender haben keine gute Meinung von DV-Verkäufern

27.07.1990

Die Vertriebsleute der Computerunternehmen werden gut ausgebildet und verdienen überdurchschnittlich. Darin sind sich Anwender und Computerhersteller im großen und ganzen einig. Doch während die Hersteller den Verkäufer als sachkundigen und fachkompetenten Partner des Anwenders darstellen, ist von Anwenderseite nur Kritik zu vernehmen.

Die Nachfrage nach Vertriebsleuten ist groß, das zeigen die Stellenangebote der letzten Monate. So bezogen sich nach einer Analyse der SCS Personalberatung im ersten Quartal dieses Jahres 20 Prozent der Stellenanzeigen aus 19 großen überregionalen Tageszeitungen auf diesen Bereich. Das bedeutete ein Nachfrageplus gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres von 66 Prozent.

Vielfach klagen jedoch die Anwender über die Qualifikation der Verkäufer von Hard- und Software, zum Beispiel Bernd Andersch, Bereichsleiter Organisation, Datenverarbeitung, Revision im Internationalen Möbelhandelskontor (IMK). Er nennt drei Gründe für seine Unzufriedenheit mit den Vertriebsleuten von Computerfirmen:

( Sie verfügten über kein hinreichendes Marketing-Denken. Dies sei jedoch natürlich, blicke man auf die DV-Märkte der Vergangenheit zurück. "Hard- und Software wurde nach dem Motto ,Vogel friß oder stirb' in den Markt gedrückt. Die Verkaufsgespräche glichen einem einseitigen Dialog, dem der Verkäufer mit offenem Mund und heruntergeklappten Ohren als alleiniger Akteur beiwohnte. Es galt: Nichts hören, nichts sehen, alles sagen", so seine langjährige Erfahrung. Auf die Bedürfnisse des Einkäufers wurde nicht großartig eingegangen.

- Sie suggerierten den Einkäufern die perfekte Lösung. Die Verkäufer, die das Märchen der perfekten DV-Lösung erzählten, hätten daher allenfalls bei DV-fremden Einkäufern eine Chance "und das leider noch viel zu häufig", so der DV-Leiter.

- Sie lieferten entweder pauschale oder falsche Informationen zur Wirtschaftlichkeit von Systemen. Häufig werde laut Andersch nach dem Motto argumentiert: "Erfahrungsgemäß amortisiert sich das System nach x Jahren. Bei teureren Lösungen legt man meist pauschale Wirtschaftlichkeits-Berechnungen vor, die in keinster Weise auf die einzelne Organisation übertragbar sind." Als Folge werden dann dem Einkäufer Einsparungen vorgegaukelt, die im Extremfall höher sind als das überhaupt vorhandene Rationalisierunspotential. Andersch schlußfolgert: "Eine gründliche Nachhilfe täte vielen Verkäufern und auch Org./DV-Leitern recht gut."

Rainer Burstädt, Leiter des Rechnungswesens und zuständig für den Einsatz der Informationstechnik bei Oltrogge & Co, einer Bielefelder Großhandlung für Werkzeuge und Werkzeugmaschinen, hat nicht die besten Erinnerungen an Hard- und Softwareverkäufer. Sein Eindruck: "Die Vertriebsleute versprechen einem immer alles, und die Realität sieht dann ganz anders aus." IBM habe auf diese Art und Weise seinem Unternehmen eine AS/400 verkauft: "Die gehen ganz stur vor, von Beratung ist da keine Rede". Burstädt weiter: "Die haben uns Teile von Hardware verkauft, die jetzt noch in der Ecke stehen, mit der wir noch nichts anfangen können".

Beim Softwarehaus bemängelte der Bielefelder DV-Leiter das Engagement. Zunächst hätte man aneinander vorbeigeredet und anschließend, als die Software eingesetzt werden sollte, wurde es an allen Ecken und Enden problematisch. Der große Widerspruch besteht für Burstädt darin, daß die Verkäufer ganz andere Leute sind als jene, die vor Ort bei der Arbeit die Kohlen für den Auftraggeber aus dem Feuer holen.

Auch Albert Mehringer, Leiter der Anwendungsentwicklung bei der Bayerischen Versicherungskammer in München, äußert sich kritisch zu den Verkäufern der großen Computerhersteller: "Ob die von IBM oder von einem anderen Hersteller kommen, die wollen nur verkaufen, das sind keine Berater." Unternehmen seien schlecht geführt, wenn sie sich auf die Verkäufer verlassen. Mehringer: "Ich kenne einige Versicherungsunternehmen, die sich sehr stark an dem Hersteller orientiert haben, nach dem Motto: (Die werden es schon richten(, die haben ein Mehrfaches an Hardware installiert."

Früher seien die Vertriebsleute der Computerfirmen kompetenter gewesen, sie besaßen nicht nur Produktkenntnisse, sondern konnten einem bei seinen Problemen weiterhelfen. Keine Computerfirma würde heute zugeben, "daß sie nicht mehr so kompetent ist wie früher".

Dieser Feststellung stimmt Erwin Rimiasch, bis vor wenigen Wochen DV-Leiter, jetzt Organisationschef bei der Kellog Deutschland GmbH in Bremen, voll zu. Seine Erfahrung: "Früher wurde man mehr beraten, die Vertriebsleute sind mehr auf einen eingegangen."

Wirtschaftlichkeits-Berechnungen seien selbstverständlich gewesen, heute jedoch nicht mehr. Die Qualifikation der Vertriebsleute ist seiner Meinung nach heute schlechter geworden, Umsatz sei in erster Linie gefragt: "Alle Mittel sind ihnen deshalb recht, Hauptsache sie verkaufen, und zwar das, was am meisten Geld bringt." Am liebsten würden die heutigen Verkäufer, so der Eindruck des Kellog-Managers, gleich beim ersten Besuch mit dem unterschriebenen Vertrag nach Hause fahren.

Genauso hart geht auch Karsten Brüning mit den DV-Verkäufern ins Gericht. Der DV-Leiter der Lübecker Hafengesellschaft hat den Eindruck, daß die Vertriebsleute gerade den Inhalt der Prospekte kennen und kaum in der Lage seien, Preise über Listen zusammenzustellen. Sie würden sich scheuen, aus dem eigenen Unternehmen einen Systemspezialisten zu den Gesprächen heranzuziehen, weil sie "den Braten alleine verspeisen wollen".

Am Beispiel der Installation von Datenbanken erklärt Mehringer die Strategie der Verkäufer und das Verhalten der Anwender: Heute werde mit den relationalen Datenbanken das gleiche versprochen wie bei der ersten Generation von DBs, also größere Flexibilität und mehr Anwendungsmöglichkeiten.

Niemand ziehe jedoch Bilanz. Jetzt, da 80 bis 90 Prozent der Datenbanken der ersten Generation mit einer dreifachen Computerleistung installiert seien, predigten die Verkäufer das Hohe Lied der relationalen Datenbanken. "Es fragt aber niemand, warum die mit den Investitionen verbundenen Erwartungen für die erste Generation nicht eingetreten sind", resümiert Mehringer.

Was erwarten jedoch die Anwender letzten Endes vom Verkäufer? Andersch' Forderung ist sehr deutlich: "Eine kritischere Einstellung der Verkäufer zu ihren eigenen Produkten wäre wesentlich glaubhafter und könnte zum Verkaufsargument umgemünzt werden." Denn eines müsse man sich vor Augen halten: Die perfekte, das heißt auf Anhieb fehlerfreie und passende DV-Lösung gebe es nicht, ganz gleich, ob man sich für das Make oder Buy einer Lösung entscheide.

Auch Brünings Antwort zielt in die gleiche Richtung: "Einem guten Verkäufer schildere ich mein Problem, und ein paar Tage später sagt er, daß er mir nicht helfen könne. So einen frag ich immer wieder." Es gäbe aber auch viele, so der Lübecker DV-Leiter, die dann unbedingt ein Produkt aufschwatzen wollten.

Gerade kleinere Unternehmen können mit solchen Verkäufern auf die Nase fallen, weiß Rimiasch. Diese müßten dann teure Berater zahlen. Mehringer empfiehlt denn auch, falls einem die Kompetenz fehle, gleich einen Berater hinzuzuziehen. Dieser sei zumindest nicht dem Verkaufsdruck ausgesetzt.

Noch immer ließen sich zu viele Unternehmen von der Rhetorik und dem souveränen Auftreten einiger Verkäufer blenden. Viel wichtiger sei aber zum Beispiel, die Interviewtechnik zu verbessern, um die Bedürfnisse des Kunden zu erfragen, so die Empfehlung von Bernd Andersch.

In den Schulungen heißt es immer wieder, daß ein Verkäufer nur so lange reden dürfe, wie ein Streicholz brennt. Im Vordergrund sollten die fachlichen Qualifikationen stehen, so die einhellige Meinung der hier genannten Anwender. Der Vertriebsspezialist müsse Sachkompetenz haben, mit seinem Kunden umgehen können, sich um diesen kümmern, auf dessen Probleme eingehen und schließlich für deren Lösung sorgen.

Aus der Sicht des Versicherungsexperten Mehringer sollte der Verkäufer sehr gute Branchenkenntnisse mitbringen: "Will man kompetent sein, muß man sich spezialisieren." Brüning hat gleich einen ganzen Katalog an Anforderungen für "seinen" Verkäufer parat: Er sollte

- Stärken, aber auch Schwächen der eigenen Produkte kennen, Erfahrungen aus laufenden Projekten mitbringen,

- beratende Tätigkeit ausüben,

- Architektenfunktion (HW/ SW-Zusammenstellung) übernehmen,

- als Projekt-Manager bis zum problemlosen Echteinsatz zur Verfügung stehen,

- Aufgabenstellungen des Kunden analytisch durchleuchten - auch mal nein sagen,

- Empfehlungen aussprechen und dazu stehen,

- Schnittstelle sein zwischen Käufer und Technik des Lieferanten sowie über eine

- technisch orientierte Ausbildung und über kaufmännisches Grundwissen verfügen.

Der Verkäufer müsse der langfristige Partner des Anwenders werden, so der allgemeine Tenor. Das Vertrauen des Kunden könne er aber nur durch ehrliche, gute Beratung über Jahre hinweg gewinnen und aufrechterhalten. Das Problem des Vertriebs ist letzten Endes ein Problem des Vertriebs-Managements. Die Verkäufer sind gut auszubilden, man muß ihnen zeigen, worum es geht, die richtigen Leute müssen eingestellt werden.

Diese haben sich ihrerseits im eigenen Unternehmen mit den Wünschen des Kunden durchzusetzen und sollten mehr Kompetenzen erhalten, um nicht nur als Klinkenputzer losgeschickt zu werden. Wer nämlich in der Zeit des Nachfrage-Überhanges versäumt hat, seine Kunden wunschgemäß zu behandeln, auf sie einzugehen und angemessene Lösungen zu verkaufen, wird schnell aus dem Rennen sein.