Anwender fordern EDV-Gehaltstarif

16.03.1979

Günther Fricke

Leiter der Datenverarbeitung, BAT Cigaretten-Fabriken GmbH, Hamburg

Die Gehälter des DV-Managements (Gruppenleiter, Projektleiter, hochwertige Systemanalytiker) haben sich in der letzten Zeit bei uns nicht verändert.

Die Ebene, die wir intern als Organisationsprogrammierer bezeichnen, ist ebenfalls gleichgeblieben. Die nächste Gehaltsstufe bildet der sogenannte kreative Bereich - Systemanalyse und Programmierung. Bei uns gibt es einen relativ großen Abstand zwischen den Organisationsprogrammierern und den Programmierern. Hier stellen wir derzeit fest, daß wir mit der Bezahlung zwar noch einigermaßen gut liegen, daß aber - wenn dieser große Abstand beibehalten wird - eine höhere Fluktuation auf uns zukommen wird. Weniger durch die bei uns tariflich festgelegten Gehälter, sondern vielmehr deshalb, weil das berufliche Fortkommen im Unternehmen in Frage gestellt ist. Der Sprung ist zu groß und die Anzahl der gehobenen Positionen zu gering. Intern sind wir deshalb zu der Auffassung gelangt, daß wir zwar an unseren Tarifen nicht unbedingt etwas ändern müssen, daß wir aber eine bessere Karriereplanung für den einzelnen sichtbar machen müssen. Erschwert wird dieses Vorhaben natürlich durch die

EDV-Personalmarktgegebenheiten, da wir uns eine Fluktuation einfach nicht leisten können: Das Kapital liegt in der Erfahrung unserer Mitarbeiter.

Am schwierigsten zu bekommen sind derzeit Systemprogrammierer und Leute mit mindestens drei Jahren erstklassiger Erfahrung, die sofort wissen, worauf es in ihrem Job ankommt und die auch sofort ein Ergebnis bringen, also produktiv arbeiten können.

Wo man solche Leute herbekommt, ist schwierig zu sagen. Kürzlich habe ich sogar gelesen, daß diese am leichtesten "aus dem Keller des Nachbarn" zu holen sind. Wir sind aber nicht unbedingt bereit, hier zusätzliches Geld zu bezahlen, da unserer Ansicht nach unsere Gehälter sehr gut sind: Für einen Anwendungsprogrammierer zum Beispiel 45 000 Mark per anno. Wir wollen nicht leichtsinnig unsere Gehalts-Strukturen zerstören, und eine interne Revolution heraufbeschwören.

Nachdem der EDV-Personalmarkt ziemlich "abgegrast" ist, müssen wir uns also damit abfinden und versuchen, geeigneten Nachwuchs heranzubilden und bereit sein, 50 000 Mark pro Mann in die Ausbildung zu investieren. Es geht kein Weg mehr daran vorbei. Auch wir bilden seit einigen Jahren "Azubis" aus. In den nächsten Monaten wollen wir versuchen, hier Ausgelernten die Chance zu geben, entweder in der Firma zu bleiben und ihnen zusätzliche Ausbildungsverträge anzubieten, durch die sie sich spezialisieren können. Diese Leute erhalten so die Chance, Kaufmann zu bleiben - mit einem ausgezeichneten DV-Background. Zu diesem Zweck haben wir einen Vertrag entworfen, der eine Ausbildungszeit von zwei zusätzlichen Jahren garantiert. Dabei gehen wir davon aus, daß wir bereits nach einem Jahr diesen Auszubildenden eine feste Zusage geben müssen, ob wir für sie eine attraktive Arbeitsstätte im Haus haben und ob wir sie für geeignet halten. Diese Ausbildung umfaßt externe Schulung und Training on the Job an der Seite erfahrener Spezialisten.

Ich versuche seit Jahren den Leuten klarzumachen, daß die Ausweitung der Datenverarbeitung rapide zunimmt. Der Computer wird zur Basistechnologie für die gesamte Industrie. Das beleuchtet doch eigentlich unser derzeitiges Dilemma und weist darauf hin, daß wir in einer schrecklichen Sackgasse landen werden, wird dieses Ausbildungsproblem nicht bald erkannt und etwas dagegen getan. Vieles, was da getan werden konnte, wird nicht getan.

Uwe Haas

Leiter der Datenverarbeitung, Heinrich Mack Nachfolger, Illertissen

Betrachte ich den heutigen Personalmarkt, so gelange ich zu folgender Beobachtung: Die Anforderungen an EDV-Mitarbeiter steigen, und gleichzeitig steigen auch die finanziellen Forderungen. Heute können sich zudem kleinere und mittlere Unternehmen eine eigene EDV leisten und Applikationen fahren, die früher nur den "Großen" vorbehalten waren. Diesen höheren Anforderungen sind vor allem drei Gruppen des EDV-Personals ausgesetzt: Arbeitsvorbereiter im Rechenzentrum selbst, Systemprogrammierer und Organisationsprogrammierer. Speziell letzteres Berufsbild hat sich stark verändert, da diese Programmierer sich immer mehr Fachabteilungswissen aneignen müssen.

Als problematisch empfinde ich auch, daß gute Kräfte heute kaum noch bereit sind, ihren Arbeitsplatz zu wechseln. Zudem werden Firmen, die diese guten Mitarbeiter unter Vertrag haben, versuchen, sie unter allen Umständen zu halten.

Das hat zwar den Vorteil, daß das Niveau in den einzelnen Fachabteilungen höher geworden ist, bringt jedoch den Nachteil mit sich, daß Anfänger kaum noch eine Chance haben. Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen können sich nicht leisten, Anfänger auszubilden. Und Großunternehmen gehen verstärkt dazu über. Mitarbeiter aus den eigenen Reihen entsprechend zu schulen.

Ist tatsächlich ein EDV-Spezialist bereit, den Arbeitsplatz zu wechseln, kann dieser Mann nur sehr teuer eingekauft werden. Die

höchsten Forderungen stellt meiner Erfahrung nach heute die Gruppe der Systemprogrammierer. Es ist kaum noch möglich, EDV-Mitarbeiter zu den branchen- oder firmenüblichen Tarifen zu bekommen. Speziell wir können das immer wieder feststellen, da unser Unternehmen abseits der großen Ballungszentren liegt. Aus dem eigenen Einzugsbereich kommen kaum Mitarbeiter, wir müssen also versuchen sie von den Ballungszentren "wegzulocken". Und mit hohem Freizeitwert ist heute keinem mehr gedient.

Bereits die Arbeitsvorbereiter liegen mit ihren Gehältern heute mindestens eine Tarifklasse höher als, adäquate Mitarbeiter in den Bereichen Technik oder Verwaltung. Ebenso stufe ich den Organisationsprogrammierer ein. Ein Systemprogrammierer kann nach meinen Erfahrungen überhaupt nicht mehr zu den "normalen" Tarifen engagiert werden. Das Gehaltsniveau eines solchen Spezialisten dürfte sich in der Größenordnung eines Gruppen- oder Abteilungsleiters einpendeln. Hier locken nur sehr außertarifliche Zulagen.

Es war schon immer ein Problem und wird es auch bleiben, diese Gehälter vor den Kollegen aus der Fachabteilung zu vertreten. Vielen erscheint oft unklar, warum der Mann in der EDV mehr verdient als zum Beispiel ein Mitarbeiter des Fachbereichs.

Und immer wieder muß man damit argumentieren, daß hier nicht nur das hohe Anforderungsprofil bezahlt wird, sondern auch die Personalmarktgegebenheiten zu berücksichtigen sind. Es gab immer schon einen Boom auf bestimmte Berufsbilder. Beispielsweise waren in den 60er Jahren Refa-Leute sehr gefragt. Ein Ende des EDV-Personal-Booms ist jedoch noch lange nicht abzusehen.

Sehr empfehlenswert wäre - und sicher spreche ich auch im Namen vieler Kollegen -, hier einen EDV-Gehaltstarif zu schaffen. Speziell zu vermeiden wären dadurch die immer wieder auftretenden Unstimmigkeiten zwischen den Personalabteilungen und der EDV oder Organisation. Denn immer wieder versuchen PersonalIeiter, den angeforderten EDV-Mitarbeiter in die Gehaltskategorie der übrigen Mitarbeiter hineinzupressen. Immer wieder muß man als EDV-Chef darum kämpfen, daß diese Ausnahmesituation erkannt und entsprechend gehandelt wird.

Einen solchen Tarif zu schaffen, wäre heute ein leichtes, da die Berufsbilder für EDV-Personal sehr deutlich abgegrenzt sind.