Das Geschäft am PC-Gebrauchtmarkt floriert

Anwender diktieren Herstellern Konditionen

27.02.1998

Wie die IDC in einer Untersuchung in US-Unternehmen feststellte, kostet Firmen der permanente Austausch ihres Computer-Geräteparks Unsummen (siehe Artikel Seite 53). Eine juristisch bindende Verpflichtung der Computerhersteller, ihre Produkte nach einer bestimmten Zeitspanne wieder zu entsorgen, gibt es nicht (siehe Kasten "Stillstand").

Während aber die deutsche Legislative Entscheidungen auf die lange Bank schiebt, haben sich in der Branche Usancen eingebürgert, die eine zu wünschende Gesetzgebung überholen. Insbesondere große Unternehmen diktieren Computerherstellern mittlerweile die Verpflichtung in die Auftragsbücher, betagte Rechner auf Kosten der Hersteller wieder zurückzunehmen. Außerdem schließen sie in der Regel mit PC-Lieferanten Leasingverträge mit vergleichsweise kurzen Laufzeiten. Auf diese Weise begegnen Firmen langen Abschreibungszyklen, nutzen aber gleichzeitig neueste Technologieentwicklungen.

Große Unternehmen behelfen sich darüber hinaus, indem sie selbst als PC-Händler für Gebrauchtrechner auftreten: "Die Deutsche Bank hat vor kurzem eine Ausschreibung gemacht für rund 10000 ihrer alten PCs", berichtet Roland Härtner. Solche Deals, so der Marketing-Direktor beim PC-Direktvertreiber Dell Computer, seien mittlerweile gang und gäbe.

Dell sieht sich seit einiger Zeit gezwungen, seinen Kunden gegenüber schon beim Kauf neuer Rechner Rücknahmeverpflichtungen einzugehen. Unternehmen schließen hierzu mit dem PC-Lieferanten Verträge ab, in denen auch schon Festpreise pro PC für zurückzunehmende Altsysteme fixiert sind. Wieviel deutsche Firmen dabei herausschlagen können, "hängt von dem Verhältnis zu unserem Kunden und natürlich von der jeweiligen Ausstattung der Maschinen ab", so Härtner.

Firmen schreiben Alt-PCs zum Verkauf aus

Dell übernimmt für seine Kunden, so ein weiteres Angebot, auch die Verschrottung von altersschwachen PCs. Die Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG (SNI) wird zur CeBIT '98 ein ähnliches Konzept vorstellen.

Weil die Anwender in einem Abschreibungsdilemma stecken, nehmen sie zunehmend die Anbieter in die Pflicht. Die Karstadt AG, Essen, begegnet diesem Problem, indem sie jedes Jahr rund ein Drittel aller PCs ausmustert. Wie die Deutsche Bank schreibt auch der Kaufhauskonzern seine gebrauchten PCs zum Verkauf aus. Karstadt schlägt diese Altsysteme nach den Worten des für die PC-Beschaffung zuständigen Managers Werner Zurawski an Broker beziehungsweise PC-Verwertungs-gesellschaften los.

Die Weitergabe älterer Rechner innerhalb des Unternehmens an Mitarbeiter, die weniger leistungsstarke PCs benötigen (Fachbegriff: Technologiekaskadierung), betreibe man, so Zurawski, in seinem Unternehmen kaum. Mit dem Verkauf ältlicher Geräte an Mitarbeiter für deren Privatgebrauch hat Karstadt zudem wegen des erheblichen Aufwandes schlechte Erfahrungen gemacht: "Da nimmt doch jeder Mitarbeiter, der von uns einen Gebraucht-PC erstanden hat, bei jedem Problem den User-Support in Beschlag - das kommt uns viel zu teuer." Gleichwohl können Karstadt-Angestellte billige Rechner erwerben - allerdings von dem Broker, der vorher die Maschinen vom Essener Konzern übernommen, geprüft und für gut befunden hat.

Gang und gäbe ist darüber hinaus bei deutschen Firmen, nicht nur Großsysteme wie Mainframes, sondern inzwischen auch PCs über Leasingverträge zu kaufen - wegen der ungünstigen Abschreibungsmöglichkeiten eine halbwegs ökonomische Art der Technologieinvestition. Karstadt unterhält hierzu eine hausinterne Leasingabteilung. Die tritt für den Konzern wie ein Händler auf, kauft PCs in großen Stückzahlen und veräußert sie weiter an die einzelnen Divisionen.

Ähnlich macht es ein international operierendes deutsches Unternehmen aus dem süddeutschen Raum. Der Konzern hält sich mit seinen PC-Vertragspartnern an ein erweitertes Leasingkonzept. Neben der Finanzierung der Hardware wird hierbei auch die Verpflichtung des PC-Lieferanten festgeschrieben, in die Jahre gekommene Rechner nach 36 Monaten wieder für einen vorher vereinbarten Preis zurückzukaufen. Auch der Abtransport obliegt dem PC-Lieferanten.

Da der Konzern Rechner in sehr großen Stückzahlen kauft, kann er sich zudem einen besonderen Service für seine Mitarbeiter leisten: gemeinsam mit dem Vertragspartner definiert der Großbetrieb die Ausstattung eines sogenannten "Mitarbeiter"-PCs, der in der Firma standardisiert zum Einsatz kommt. Diese Modelle können sich die Angestellten zu den sehr günstigen Firmenkonditionen auch für den privaten Gebrauch kaufen: "Unsere Mitarbeiter wollen nämlich keine Altgeräte, die ziehen neueste Technologie vor", erklärt hierzu ein Firmenverantwortlicher.

Trotzdem explodiert das Geschäft mit Gebraucht-PCs förmlich. Matthias Kröncke, Geschäftsführer der Omnico Gesellschaft für innovative EDV-Lösungen mbH aus Mörfelden, erklärt diesen Umstand mit der Tatsache, daß insbesondere Großunternehmen seit eini- gen Jahren einen umfangreichen PC-Bestand aufgebaut haben. Von besonderem Interesse ist hierbei, daß Konzerne nun im regelmäßigen Turnus Chargen gleicher PCs im Tausenderpack wiederverkaufen.

Mit solchen Gebrauchtrechnern lassen sich noch erhebliche Margen erzielen. Allerdings erwächst seiner Firma, die Kröncke als Deutschlands führenden PC-Resteverwerter bezeichnet, zunehmend Konkurrenz durch andere Verwertungsgesellschaften. Der Bedarf für Alt-PCs ist aber noch lange nicht gedeckt: "Es gibt sehr viele arme Leute in Deutschland. Zudem hat die öffentliche Hand auch kein Geld mehr", sagt Kröncke. Nach wie vor sei außerdem Osteuropa ein lohnender Absatzmarkt.