Anteile an französischer DV-lndustrie verkaufen oder behalten?\Verstaatlichung findet kritische Akzeptanz

31.07.1981

CW-Bericht, Horst-Joachim Hoffmann

PARIS (hh) - Die französischen Verstaatlichungspläne sind in einer Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Mauroy präzisiert worden. Demnach sollen elf Industriekonzerne im Laufe der Legislaturperiode in öffentliche Hände übergehen, darunter auf datenverarbeitendem Sektor Saint-Gobain-Pont-á-Mousson (SGPM), Thonson-Brandt und die Compagnie générale d´ électricité (CGE). Sofort verhandeln will die französische Regierung mit den beiden Unternehmen, die zu großen Teilen in ausländischer Hand sind: CII-Honeywell Bull und ITT France. Die Erklärung wurde in Frankreich mit kritischer Akzeptanz aufgenommen.

Es besteht die Absicht, die Muttergesellschaften der SGPM, der CGE sowie des Konzerns Thomson-Brandt unverzüglich zu übernehmen. Dazu Pierre Mauroy in der Regierungserklärung: "Die öffentliche Übernahme des Kapitals dieser .... Konzerne wird sich nicht auf den im übrigen sehr geringfügigen Anteil beziehen, der in der Hand von Ausländern ist. Letzteren steht es frei, ihren Anteil zu behalten oder an den Staat zu verkaufen."

Nach Informationen von VWD hält die Westdeutsche Landesbank Girozentrale als Großaktionär 5,8 Prozent des Kapitals der Saint-Gobain. Weitere 0,5 Prozent gehören deutschen Kleinaktionären. Französische Großaktionäre sind die Bankengruppe SUEZ (20 Prozent), die staatliche Caisse des Depots (6), andere Banken (10), die Computerholding Machines Bull (5 Prozent) und der Glashersteller Saint-Roche (1 Prozent). Der Konzern erzielte 1980 einen Gesamtumsatz von über 43 Millionen Francs. Hiervon entfielen 9 Prozent auf den Bereich Informatik.

Die deutsche Gruppe trug mit 17,2 Prozent zum konsolidierten Umsatz bei, ohne allerdings die Werte der Honeywell Bull AG und der Deutschen Olivetti GmbH, die mit SGPM verflochten sind, zu berücksichtigen. Dr. Jean Barbey, Generalbevollmächtigter des Konzerns für die Bundesrepublik, erwartet jedoch für das laufende Geschäftsjahr einen Umsatzrückgang, der insbesondere durch die Abschwächung im Fahrzeugsektor und im Baubereich hervorgerufen werde, berichtet VWD.

Weitgehend selbständig

Gegenüber der Presse bekundete Dr. Barbey jedoch die Meinung, daß die Gesamtgruppe nach der Verstaatlichung weitgehend selbständig bleibe. Auch die deutschen Töchter sollen wie bisher weitergeführt werden.

Thomson-Brandt ist nach den vorliegenden Informationen zu 100 Prozent im Besitz zumeist französischer Großbanken. Wichtigste Auslandstöchter auf deutschem Boden sind Nordmende und SABA, beide Unterhaltungselektronik-Hersteller. Der Gesamtumsatz belief sich im vergangenen Geschäftsjahr auf über 36 Milliarden Francs. Davon entfielen 22 Prozent auf den Telefon- und Informationssektor und 8 Prozent auf Elektronik-Bauteile.

Der dritte im Bunde, die CGE, verzeichnete über 45 Milliarden Francs Umsatz im Jahr 1980, an denen DV-Produkte mit 17,6 Prozent beteiligt waren. Auch hier ist das Kapital in Händen französischer Großbanken und Aktionärsgruppen.

Sonderfälle bei den Verstaatlichungsaktivitäten nehmen auf dem Informatiksektor die Konzerne CII-Honeywell Bull (CII-HB) und ITT France ein.

CII-HB, zu 53 Prozent über die Compagnie des Machines Bull in Händen von Saint-Gobain und zu 47 Prozent in amerikanischem Besitz (Honeywell USA), erzielte 1980 einen Umsatz von mehr als sechs Milliarden Francs, aufgesplittet zu 54,4 Prozent in den Verkauf von Computern, zu 45,6 Prozent in das Leasinggeschaft.

ITT France erwirtschaftete mit dem Verkauf von Telekommunikationsanlagen, Aktivitäten im Telefonbaubereich und der Unterhaltungselektronik einen Umsatz von 3,9 Milliarden Francs. Das Kapital befindet sich zu 99 Prozent in Händen des US-Konzerns ITT.

Hier nun hofft die Regierung Mauroy, durch Verhandlungen Mittel und Wege zu finden, die die erforderliche Umstrukturierung des Kapitals in Übereinstimmung mit den ausländischen Großaktionären ermöglichen.

"Staatsdirigismus" werde die Nationalisierung auf keinen Fall bedeuten, betonte Mauroy. "Wir werden die Identität und die Autonomie der so geschaffenen nationalen Gesellschaften bewahren. Sie werden die volle Unternehmensverantwortung ausüben und auf eigene Initiative auf nationaler wie auf internationaler Ebene tätig werden können."

Jedoch erfordere die unterschiedliche Lage der Konzerne eine "gewisse Flexibilität in der Zeit und der Form", räumt Mauroy ein.

Wie ein Angehöriger der französischen Botschaft, Bonn-Bad Godesberg, zu dieser Regierungserklärung bemerkte, sein Regierung bemüht, insbesondere mit den ausländischen Kapitalgebern zu einer beiderseitig zufriedenstellenden Lösung zu kommen.

Wie Branchenkenner meinen, bleibe der französischen Regierung auch kein anderer Weg offen, da sie die eigene Industrie - sollten die Ausländer sich "geleimt" fühlen - von deren Technologie abschneide.

Befragt nach dem Einfluß, den die Regierung auf das Management der verstaatlichten Unternehmen ausüben werde, vermutet der Botschaftsangehörige - unter Wahrung der politisch notwendigen Vorsicht - eine Mitbestimmung des Staates auf dem Gebiet der Investitionspolitik und des Forschungs- und Entwicklungspolitik.

Allein durch die Verstaatlichung einiger Großbanken mit dem Ziel, eine übergreifend nationale Kreditpolitik durchzuführen, ist der Investitionseinfluß indirekt vorgegeben.

Auf diese Frage könne jedoch zur Zeit noch keine präzise Antwort gegeben werden, Man müsse sich, ohne spekulativ zu werden, mit der praktischen Situation auseinandersetzen.

Wettbewerb fraglich

Hier setzt die Kritik des Arbeitgeberpräsidente Francois Ceyrac ein, berichtet die Financial Times. Er habe nach Abgabe der Regierungserklärung gefragt, wie auf der einen Seite der gewünschte Pluralismus und Wettbewerb möglich sei, wenn auf der anderen Seite die Kreditrahmenbedingungen der Banken durch die verfolgte Politik "gleichgeschaltet" würden. Obwohl Ceyrac die Ziele der Regierung als "unnütz, teuer und gefährlich" bezeichnet habe, bekräftigte er dennoch, daß die Arbeitgeber eine konstruktive Haltung gegenüber den Vorhaben einnähmen und die Vorstellungen des Industriemanagements verdeutlichen würden.

Laut Financial Times hat nur ein Großindustrieller den Plan der Regierung mit Genugtuung aufgenommen: der 89jährige Marcel Dassault, dessen Unternehmen zweimal verstaatlicht wurden und der die Regierungserklärung als Abgeordneter anhörte: "Nun kann ich endlich in Urlaub gehen."