Ifo: Rationalisierungswelle vernichtet Frauenarbeitsplätze überproportional

Anspruchsvolle Tätigkeiten fast nur für Männer

29.04.1983

MÜNCHEN (nw) - Von Rationalisierung und konjunkturellen Abschwüngen waren Frauen schon in der Vergangenheit überproportional betroffen. Aber auch die jetzt anstellenden Rationalisierungsmaßnahmen werden so vermutet das Münchener Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in seiner jüngsten Untersuchung "Technik und Frauenarbeitsplätze", überwiegend die weiblichen Beschäftigten treffen. Als Begründung führen die Unternehmen an, daß Frauen meist dem Betrieb erst kürzer angehören, jünger und außerdem häufig "Zweitverdiener" sind.

Frauen gelten neben Jugendlichen, älteren und ausländischen Arbeitnehmern sowie unqualifizierten Arbeitskräften als am Arbeitsmarkt benachteiligte Gruppe. So stellen die Münchener Wirtschaftsforscher in ihrer Analyse fest, daß Frauen seit Beginn der Beschäftigungskrise von der Arbeitslosigkeit überproportional betroffen sind. Die Benachteiligung im Erwerbsleben drücke sich auch dadurch als, daß Frauen meist weniger qualifizierte Arbeitsplätze erhalten, die sich durch geringe Aufstiegschancen, erhöhtes Arbeitsplatzrisiko sowie geringe Entlohnung auszeichnen.

Zusätzlich zu den Belastungen des Berufslebens haben sie Aufgaben zu übernehmen, die aus ihrer Familien-(Mutter-)Rolle herrühren. Zudem sind Frauenarbeitsplätze laut Ifo vor allem in gewerblichene Berufen bereits in den vergangenen Jahren besonders häufig der Rationalisierung zum Opfer gefallen, da diese überwiegend durch wenig komplexe, repetitive und daher leicht standardisierbare Tätigkeiten gekennzeichnet sind. Diese Tendenz wird sich, wie das Institut befürchtet, auch in Zukunft fortsetzen. Hinzu komme, daß auch für die Büro- und Verwaltungsberufe, bedingt durch neue Büro- und Kommunikationstechnologien, erhebliche Produktivitätsfortschritte prognostiziert werden.

Frauen sind berufsorientierter

Die Wirtschaft in der Bundesrepublik hat sich seit Mitte der siebziger Jahre von ihrem wirtschaftspolitischen Idealbild entfernt. Zusätzlich wurde der Arbeitsmarkt durch ein stetig steigendes Angebot an Arbeitskräften belastet. Neben der demographischen Welle war die gestiegene Erwerbsbeteiligung der Frauen die zweite wesentliche Komponente der gestiegenen Arbeitsplatznachfrage. Diese Entwicklung führen die Münchener Arbeitsmarktanalytiker unter anderem darauf zurück, daß sich die Bildungs- und Ausbildungsqualifikation von Frauen gebessert, das Heiratsverhalten geändert und die materielle Situation der Familie verbessert hat, sowie zusätzlich Arbeitskräfte gebraucht wurden. Damit habe sich aber eindeutig ein gesellschaftlicher Wertewandel vollzogen: Eine stärkere Berufsorientierung der Frauen ist unverkennbar. Auch künftig, davon sind die Wirtschaftsforscher überzeugt, wird die Bereitschaft zu arbeiten bei den Frauen zunehmen. So rechnet Ifo damit, daß bis 1989 das Frauenerwerbspotential gegenüber 1980 um weit mehr als eine halbe Million zunehmen wird.

Hier wird es künftig vor allen Dingen an qualifiziertem Arbeitsplatzangebot für die Frauen mangeln. Denn mit den Folgen des technisch-organisatorischen Wandels entstehen dem Institut zufolge zwar neue anspruchsvolle Tätigkeiten, die jedoch überwiegend mit Männern besetzt werden. Auf der anderen Seite jedoch kommt es zu einer Ausweitung degradierender Routinetätigkeiten für die Frauen.

Diese Tendenz untermauert das Ifo durch einige betriebliche Fallstudien. Eine davon untersucht ein Versicherungsunternehmen. Hier vollzog sich der technisch-organisatorische Wandel in Form eines langjährigen Diffusionsprozesses von Informationstechnologien mit dem Ziel einer zunehmenden Integration von Datenverarbeitung, Textverarbeitung und Nachrichtenübermittlung. Ziel war das Gesamtkonzept eines computergestützten Bürosystems, das seinen vorläufigen Höhepunkt in der computergestützten Sachbearbeitung am Bildschirm im Online-Verfahren gefunden hätte.

Die sukzessive Implementation der Bürotechnologien sowie ihrer arbeitsorganisatorischen Ausgestaltung hatte erhebliche Verschiebungen der innerbetrieblichen Struktur der Abteilungen und Arbeitsplätze zur Folge: Sie betrafen ausschließlich die Beschäftigungschancen der Frauen. So wurde durch die zunehmende Erstellung von Computerkorrespondenzbriefen auch in Fachabteilungen, mit überdurchschnittlich hohem Anteil individueller Korrespondenz (bei gleichzeitiger Bedeutungslosigkeit der programmierten Textverarbeitung), die Arbeitskapazität und die Arbeitsleistung der organisierten Textverarbeitung innerhalb von neun Jahren um 60 Prozent reduziert. In absoluten Zahlen bedeutet dies eine Verminderung der Arbeitsplätze im zentralen Schreibdienst von 230 auf 92.

Die Direkteingabe der Daten am Bildschirm im Online-Verfahren sowie die Umstellung von Lochkarten au die elektronische Datenerfassung hatte die Vernichtung der Frauenarbeitsplätze in der Datenerfassung zur Folge: Die Anzahl der mit der Erfassung beschäftigten Frauen reduzierte sich innerhalb von drei Jahren um 68 Prozent. Die in der Textverarbeitung und der Datenerfassung freigesetzten Frauen wurden innerbetrieblich umgesetzt, die Frauen mit einer Bürogehilfinnenausbildung vorzugsweise in die einfache Sachbearbeitung, die Frauen ohne Berufsausbildung oder mit fachfremder Ausbildung auf unqualifizierte Arbeitsplätze beispielsweise in die Poststelle.

Sowohl bei den in der Textverarbeitung und in der Datenerfassung noch bestehenden als auch bei den Umsetzungsarbeitsplätzen handelt es sich überwiegend um Restarbeitsplätze, die bei der geplanten, sukzessiven Einführung eines neuen Datenbanksystems bei gleichzeitig zunehmender Bedeutung der Datenfernübertragung entfallen werden.