Analysten: IBM gehoert nicht mehr zu den Wachstumsfirmen

05.08.1994

Von Arnd Wolpers

Analysten tun sich zur Zeit mit der Vorhersage des IBM-Ergebnisses schwer. Nur wenige Tage vor Bekanntgabe der Quartalsbilanz reichte die Bandbreite der Gewinnschaetzungen je Aktie von 20 Cent bis 90 Cent. Veroeffentlicht wurde eine Zahl, die mit 1,14 Dollar je Aktie weit ueber dem Durchschnitt der Erwartungen von 0,69 Dollar lag. Die positive Ueberraschung katapultierte den IBM-Aktienkurs um knapp zehn Prozent auf 62 Dollar. Mit 8,8 Millionen Aktien war IBM erstmals nach langer Zeit wieder der meistgehandelte Titel am Big Board in Wall Street. Obwohl IBM in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen hoehere Umsaetze und ueber sieben Quartale hinweg steigende Bruttomargen melden konnte, ist das Unternehmen nach Worten von Chairman Louis Gerstner "noch weit davon entfernt, wo wir sein muessten".

Ein beschleunigtes Tempo bei der Produkteinfuehrung vor allem in den Bereichen Mainframes, AS/400, RS/6000 und bei Bankautomaten war eine der Ursachen der erfreulichen Ergebnisentwicklung. Bei Mainframes ueberstieg die Nachfrage das Angebot, die im vergangenen Jahr vorgenommenen Preissenkungen fuehrten jedoch zu insgesamt niedrigeren Umsaetzen. Der Umsatzanstieg war im wesentlichen auf das Geschaeft im asiatisch-pazifischen Raum zurueckzufuehren. Dort wurde um 14 Prozent mehr erloest. In den Vereinigten Staaten und in Europa veraenderten sich die Einnahmen nur wenig. Im PC-Markt waren Steigerungsraten ausschliesslich im Ausland zu verzeichnen. In den Vereinigten Staaten tendierte das Geschaeft dagegen schwach.

Die Boerse registriert die Entschlossenheit der IBM-Verwaltung, die Reorganisation weiter voranzutreiben. Die im vergangenen Jahr gefassten Plaene zur Kosteneinsparung um sieben Millionen Dollar bis 1996 wurden erweitert. Das Einsparungsziel wurde auf acht Millionen Dollar erhoeht. Dennoch hielten sich die Analysten nach Bekanntwerden der guten Zahlen fuer das zweite Quartal mit IBM- Kaufempfehlungen zurueck. Die meisten Wall-Street-Experten raten, bereits erworbene Titel zu halten. Die vorherrschende Meinung ist, IBM sei keine Wachstumsfirma mehr. Die Ertragsfortschritte seien vor allem die Folge der Schlankheitskur, nicht aber die Wirkung einer besseren Positionierung im Markt oder einer Margenerholung des Computermarktes insgesamt. Die Quartalsberichte lassen befuerchten, dass eine neue Preissenkungsrunde bei den PC-Preisen bevorsteht. Auch wenn IBM, ausgeloest durch die Restrukturierungsaufwendungen, eine dramatische Ertragswende geschafft hat, wird sich die Aktie voraussichtlich nicht besser als der Gesamtmarkt in Wall Street entwickeln.

*Arnd Wolpers ist Geschaeftsfuehrer der Vermoegensverwaltungsgesellschaft CMW GmbH in Muenchen. Die hier veroeffentlichten Informationen beruhen auf Quellen, die wir fuer vertrauenswuerdig und zuverlaessig halten. Trotz sorgfaeltiger Quellenauswahl und -auswertung koennen wir fuer Vollstaendigkeit, Genauigkeit und inhaltliche Richtigkeit der Angaben eine Haftung nur insoweit uebernehmen, als grobe Fahrlaessigkeit oder Vorsatz Haftung begruenden. Jede darueber hinausgehende Haftung wird ausgeschlossen. Fuer Angaben Dritter uebernehmen wir kein Obligo, Aktienanlagen sind durch staerkere Kursschwankungen gekennzeichnet.