Zweifel an Kreditwürdigkeit werden laut

Analysten: Amazon muss endlich profitabel werden

30.06.2000
MÜNCHEN (CW) - Dass der vom Internet-Buchhandel zum E-Commerce-Tausendsassa mutierte US-Anbieter Amazon.com keinen Cent Geld verdient, ist kein Geheimnis. Dennoch hat die Finanzwelt das Unternehmen aus Seattle bislang mit Samthandschuhen angefasst. Das scheint sich nun zu ändern.

Nachdem sich einige prominente Branchenkenner negativ über die Company von Chief Executive Officer Jeffrey Bezos ausließen, sackte der Kurs der Amazon-Aktie um mehr als 19 Prozent oder acht Dollar auf einen Jahrestiefststand von 33,78 Dollar. Damit fiel die Marktkapitalisierung von einst stolzen 60 Milliarden auf knapp zwölf Milliarden Dollar.

Mary Meeks, Analystin bei Morgan Stanley, hatte erklärt, sie erwarte für die folgenden Quartale eher eine "mäßige Verschlechterung" der Umsätze von Amazon. com. Ravi Suria, Spezialist für Anleihen bei Lehman Brothers, bezeichnete die Wandelschuldverschreibungen von Amazon als "extrem schwach und heruntergekommen". Amazon-Sprecher Bill Curry kanzelte die Kritik als "Quatsch" ab und erklärte, es bestehe "auch nicht ansatzweise die Gefahr, dass uns das Geld ausgeht". Dem hält Suria entgegen, dass das Unternehmen aus Beteiligungen und Anleihen in den vergangenen drei Jahren rund 2,8 Milliarden Dollar eingenommen und gleichzeitig für rund 2,9 Milliarden Dollar Waren verkauft habe. Es bestehe daher Zweifel an der Kreditwürdigkeit, weil Amazon noch immer nicht bewiesen habe, Umsatz auch in Gewinn ummünzen zu können.

Schützenhilfe erhielt die Company von Jeelil Patel von Deutsche Bank Alex Brown. Er sieht keinen Grund zur Sorge, da Amazons Verschuldung kalkuliert sei. Die Firma verfüge über Bargeldreserven von 1,1 Milliarden Dollar, die bis zum Erreichen der Gewinnzone ausreichen sollten.

Der Kursverfall resultiert aus Sicht von Patel vor allem aus der Tatsache, dass Amazon.com von Investoren weniger als Internet-Company denn als traditionelles Handelsunternehmen mit den üblichen saisonalen Umsatzschwankungen wahrgenommen werde. Inzwischen machen Lagerhaltung und Logistik 75 Prozent des Geschäfts von Amazon aus.

Grundsätzlich ist sich die US-Finanzwelt einig, dass Amazon.com profitabel werden muss - und zwar möglichst bald. Wall Street setzt darauf, dass die Bezos-Company ihr selbst gestecktes Ziel erreicht und im US-Geschäft mit Büchern, CDs und Videos bis Ende dieses Jahres in die Gewinnzone eintritt. Generell schwarze Zahlen erwartet die Finanzwelt für das Jahr 2002.