Corporate-Buyer bleibt Melkkuh der DV-Branche

Analyse

27.03.1992

Für den professionellen Anwender in Unternehmen bedeutet der Versuch der etablierten PC-Produzenten, den Massenmarkt zu erobern, zuerst einmal gar nichts. Die neue "ergänzende" Vertriebsstrategie, die sich Compaq, IBM, DEC, Olivetti, Zenith und Co. haben einfallen lassen, zielt auf den sogenannten "lndividual-Customer", der nicht unbedingt beim Fachhändler, Systemhaus und schon gar nicht bei einem VAR kauft, sondern der seine Rechner in Kaufhäusern, Mediamärkten oder bei einem Versandhändler aussucht.

Wenn die PC-Produzenten allerdings im Massenmarkt erfolgreich sein wollen, haben sie auch dessen Bedingungen zu akzeptieren - müssen also ebenfalls über den Preis verkaufen. Das bringt die Notwendigkeit zu einer dramatischen Reduktion der Herstellungskosten mit sich, den Abbau des personellen Overheads und den Aufbau adäquater Vertriebswege.

Die IBM stellt bereits erste konkrete Überlegungen in diese Richtung an: Obwohl sie selbst über enorme Produktionskapazitäten verfügt, will sie in Europa ein eigenes Unternehmen gründen, das asiatische Low-cost-PCs vertreiben soll. Auch Compaq begibt sich auf die Massenschiene. Der texanische Hersteller vertreibt künftig in Deutschland seine Rechner nicht mehr ausschließlich über die eigenen Systemhändler und VARs, sondern auch über den Software- und Peripheriedistributor Computer 2000. Andere Markenhersteller, wie Digital Equipment mit DEC-Direkt, versuchen ebenfalls, einen Fuß in den Massenmarkt zu bekommen, den sie bislang weitgehend den No-names überlassen haben.

Trotz dieser Versuche, nicht mehr nur den "Corporate-Buyer" zu bedienen, scheinen die Brand-Hersteller sich falsche Vorstellungen von diesem Markt zu machen. Kein No-name wird das Feld freiwillig räumen, keine Kaufhaus- oder Mediakette wird sich zugunsten der Markenhersteller entscheiden, wenn nicht entscheidende Vorteile für sie herausspringen. Vor allem aber wird sich auch der Kunde beim gleichen Preis nicht automatisch für einen PC entscheiden, nur weil er einen bekannten Namen trägt, ansonsten aber das gleiche Innenleben aufweist wie ein No-name. Da hilft auch keine 30-Tage-Geld-zurück-Garantie, wie sie IBM ihren amerikanischen Kunden anbietet.

Alle Produzenten betonen jedoch, die Bedienung des Massenmarktes, des "Individual-Customers", sei nur eine Komponente ihres Vertriebs- und Marketing-Konzepts. Den Unternehmenseinkäufern will man weiterhin teure Maschinen verkaufen, an die in puncto Aufrüstbarkeit, Connectivity und wahrscheinlich auch bezüglich der Qualität andere Maßstäbe angelegt werden sollen.

Deshalb bleiben die Anwendungsunternehmen nach wie vor die Melkkühe der DV-Branche, wenn sie das Spiel der Hersteller mitspielen und nicht selbst die billiger angebotenen Systeme erwerben. Gegen dieses Vorgehen spräche eigentlich nichts, denn bei der Anwendungsoftware, die sie auf ihren PCs einsetzen, handelt es sich ohnehin zumeist um Standardprodukte, die sie bisher schon selbst für ihre Zwecke adaptieren mußten, wenn sie diese Anpassungen nicht teuer bei Systemhäusern oder

VARs eingekauft haben.