Eigenbrötelei auf seiten der Hersteller

Amerikanische Kunden tappen bei ISDN nach wie vor im dunkeln

24.08.1990

FRAMINGHAM (IDG) - Die ISDN-Technologie ist für viele Anwender nach wie vor ein Buch mit sieben Siegeln. Eine jüngst von der International Data Group (IDC) veröffentlichte Studie mit dem Titel "ISDN User Spending" zeigt, daß US-Benutzern oft schon die Einordnung grundlegender Begriffe wie "Basic Rate Interface" (BRI) Kopfzerbrechen bereitet und sie auch nicht über die Verfügbarkeit derartiger Telekommunikations-Anschlüsse orientiert sind.

Einen wesentlichen Grund für die geringe Akzeptanz sieht IDC darin, daß ISDN in erster Linie als Schlüsseltechnologie, nicht aber als Netzwerkdienst aufgefaßt wird. Das Gros der insgesamt 100 in die Untersuchung einbezogenen Unternehmen aus fünf Industriezweigen ist mit T1-Verbindungen oder Mietleitungen ausgestattet. Es handelt sich um Firmen mit durchschnittlich 446 Angestellten, 3500 Arbeitern und einer 16köpfigen Netzspezialisten-Crew.

Die tatsächliche BRI-Verfügbarkeit bei den Benutzern wird von IDC auf acht Prozent geschätzt. Die Befragten sind sich jedoch - so die Studie - nicht darüber im klaren, ob sie überhaupt einen Basisanschluß erhalten können oder nicht, 35 Prozent gehen von einer möglichen Bereitstellung aus, wohingegen 13 Prozent die entsprechende Frage mit nein beantworten.

Bei dem Primär-Multiplexanschluß ergibt sich folgendes Bild: Die Marktforschungsgesellschaft selbst geht von einer 60prozentigen Verfügbarkeit für installierte PBXen aus. Auch hier wüßten 40 Prozent der befragten Netzwerk-Manager nicht, inwieweit sie auf diese Schnittstelle setzen können, 31 Prozent tippten hier auf ja und 29 Prozent seien skeptisch beziehungsweise vertreten eine gegenteilige Meinung.

Anhand dieser Ergebnisse wird aus IDC-Sicht deutlich, daß die Marktdurchdringung von ISDN im Grunde genommen auf Forschungs- und Fertigungsstätten beschränkt bleibt. Dies sei nicht zuletzt auf eine fehlende TK-Schulung und den mangelnden Know-how-Transfer von seiten des Herstellers zurückzuführen. Mehr als 80 Prozent würden erst gar nicht ereicht, wenn es um den Kauf von ISDN-Produkten und entsprechenden Diensten ginge.

Etwas optimistischer geben sich die Anwender in Hinblick auf die ISDN-Kostenvorteile: Immerhin 47 Prozent erwarten sinkende Office-Automation-Kosten durch den Einsatz der diensteintegrierenden Technologie, 25 Prozent fühlen sich in diesem Punkt überfragt und 28 Prozent glauben nicht daran, daß sie mit Hilfe von ISDN insgesamt billiger wegkommen können.

Hinzugesagt werden muß laut IDC jedoch, daß die Preisvorstellungen oft nicht unerheblich von der Realität abweichen. So verlangten einige Bell-Gesellschaften über 20 Dollar je Monat für eine BRI-Linie, aber nur 12 Prozent setzten das Preisniveau bei weniger als 21 Dollar an. In 37 Prozent der Fälle wurden die Kosten doppelt und von 16 Prozent der Befragten sogar dreifach so hoch wie sonst eingestuft.

Die International Data Group empfiehlt den lokalen Vermittlungs-Carriern daher, die Gelegenheit am Schopfe zu packen und die Preisvorstellungen der Kunden im Rahmen von Marketing- und Werbestrategien zu korrigieren.

AT&T würde bereits nach dieser Methode vorgehen, um der Unkenntnis der Anwender zu begegnen. 75 Prozent der befragten Netzwerk-Verantwortlichen seien im übrigen nicht darüber orientiert, daß der Telecom-Gigant seine Preise für die automatische Nummernidentifikation im letzten Jahr von drei auf zwei Cents senkte.

Die Ignoranz der User erstreckt sich auch auf die Technolgogie selbst, stellt IDC fest. So hapert es bei mehr als der Hälfte der interviewten Netzwerk-Manager schon daran, die Bedeutung der genannten Interfaces im Rahmen von Centrix-Vermittlungen zu erklären.

Verständliche ISDN-Ignoranz?

Viele US-Anwender stecken den Kopf in den Sand, wenn es um ISDN geht - überfordert von dem diffusen Angebot an Endgeräten, Anlagen, Anschlüssen und Diensten. Wer diese Einstellung allein mit Ratlosigkeit erklärt, befindet sich auf dem Holzweg.

Bemühen wir den Kopf ruhig noch einmal, um der Sache ein wenig näher zu kommen. Auf diese Weise können wir nämlich zu den Dickköpfen gelangen, die sich mit ISDN im Endeffekt vielleicht überhaupt nicht anfreunden wollen. Hartnäckige Gemüter haben mitunter auch einen gesunden Menschenverstand.

Mit anderen Worten: Angesichts der in den USA noch recht unausgegorenen Schnittstellen-Situation gerade im Bereich So läßt sich die ISDN-Realität - zumindest nach unserem und dem angestrebten internationalen Verständnis - in Frage stellen. Denn digitale Mischkommunikation via Pulscode-Modulation kann man nicht so ohne weiteres mit der eigentlichen diensteintegrierenden Technologie gleichsetzen.