Intel schmollt über Presse und Konkurrenz

AMD und Cyrix erwachen aus dem Dornröschenschlaf

28.03.1997

Die einstweilige Verfügung kam vom Landgericht Braunschweig und wurde AMD am Samstag auf dem Messestand in Hannover überbracht: Per Gerichtsbeschluß ist es AMD untersagt, die Bezeichnung "MMX" für seinen neuen Prozessor "K6" zu verwenden. Nicht beanstandet wurde der Aufkleber "K6 mit Multimedia Extension", denn, so Intel-Pressesprecherin Marlo Thompson, "MMX ist ein eingetragenes Warenzeichen von Intel und bedeutet sonst nichts".

AMD zeigte sich nicht überrascht von der Aktion, hatte doch Intel in den USA bereits einen Tag zuvor aus dem gleichen Grund eine Klage gegen AMD und Cyrix am Gerichtshof von Delaware eingereicht. Zudem haben die Streitigkeiten zwischen dem Beinahe-Monopolisten und den Clonern Tradition - seit Jahren überzieht man sich gegenseitig mit Klagen aller Art. Diesmal geht es Intel nur um den Schutz des Warenzeichens, denn AMD und Intel vereinbarten Anfang 1996, daß AMD die MMX-Technik nutzen darf. Cyrix konnte sich zu diesem Schritt nicht entschließen und entwarf einen eigenen Befehlssatz.

AMD wird den entsprechend ausgestatteten Chip K6 am 2. April in den USA vorstellen, zwei Tage später in Deutschland. Der Baustein beruht im wesentlichen auf dem "Nexgen-686"-Prozessor der gleichnamigen Firma, die 1995 von AMD übernommen wurde. Allerdings gab es einige Veränderungen gegenüber dem Nexgen-Design. So wurde der Befehls-Cache auf 32 KB erhöht, der L2-Cache-Controller eliminiert sowie das Bus-Interface und die Pin-Struktur so angepaßt, daß der Chip Pentium-kompatibel ist. Und schließlich wurden auch die MMX-Befehlssätze integriert. Ebenfalls modifziert haben die Designer den proprietären System Management Mode (SMM) von Nexgen, um Intels SMM zu entsprechen, schreibt Michael Slater im Branchenblatt "Microprocessor Report".

Die Kalifornier mit Hauptsitz in Sunnyvale starten mit dem K6 insofern eine neue Prozessorgeneration, als dieser Chip kein direktes Derivat aus früheren Entwicklungen darstellt.

Die Nexgen-Erfahrungen mit dem Chip könnten sich vorteilhaft auf die Zeitspanne zwischen dem ersten Silicon und der Massenfertigung auswirken, erwartet Slater.

Der Baustein wird vermutlich zunächst mit Taktraten von 166 bis 233 Megahertz zu haben sein und würde damit in die Leistungsklasse von Intels CPU "Pentium II" (Codename "Klamath") fallen, der auf der CeBIT'97 gezeigten Pentium-Pro-Variante mit MMX-Technologie. Ein für die K5- und K6-Prozessoren passender Chipsatz von AMD ("AMD-640") ist seit Hannover ebenfalls verfügbar. Wenn AMD wie geplant im kommenden Jahr auf den 0,25-Mikrometer-Fertigungsprozeß umstellt, dürften Taktraten von 300 Megahertz und mehr möglich sein. Die Größe des K6-Silicons wird unter der des Vorgängers "K5" liegen, erwartet Prozessorguru Slater.

Der Chip paßt nach Aussagen des Herstellers in jeden gängigen "P55C"-Sockel (Socket 7) und steht damit im Gegensatz zu Intels Pentium-II-CPU, die mit der neuen "Slot-1"- Schnittstelle angeboten werden soll. Von Intels Pressestelle in München waren keine Informationen über Sinn und Zweck der Änderung des Sockels zu erfahren, sie ist zu äußerstem Stillschweigen verdonnert. Fest steht nur, daß PC-Hersteller ihr Platinendesign verändern müssen, wenn sie auf das Intel-Produkt zurückgreifen.

Neben AMD wird sich Intel in diesem Jahr auch mit einer wiedererstarkten Cyrix Corp. auseinandersetzen müssen. Deren "Media-GX"-Prozessor mit Taktraten von 120 und 133 Megahertz soll Intel am unteren Ende der Leistungsskala das Wasser abgraben. Als ersten Kunden konnte die Company aus dem texanischen Richardson PC-Krösus Compaq gewinnen, der den Chip in den "Presario-2100"-Rechnern einsetzt.

"Der Media-GX kann mehr als jeder Intel-Prozessor", bewertet Linley Gwennap im "Microprocessor Report" die neue CPU. Der Chip entspreche in der Leistung der Pentium-Klasse (ohne MMX-Funktionen), enthalte allerdings zusätzlich einen Memory-Controller, einen Grafikbeschleuniger und ein PCI-Interface. Dabei sei der 133-Megahertz-Chip (inklusive Zusatzbaustein "Cx5510", Grafiktreiber und BIOS-Erweiterungen) mit einem 1000er-Preis von 99 Dollar auch noch deutlich billiger als entsprechende Intel-Angebote. Intels Pentiums mit 133 Megahertz sind derzeit ab 134 Dollar bei Abnahme von 1000 Stück zu haben; mit weiteren 20 Dollar schlägt ein Low-cost-Chipset zu Buche, das den Pentiums die Media-GX-Funktionalität verleiht. Eine um erweiterte MMX-Funktionen verbesserte Version mit einer Taktrate von 200 Megahertz (Codename "GXm) will Cyrix noch in diesem Jahr fertigstellen.

Auf der CeBIT wurde auch das zukünftige Flaggschiff von Cyrix, der "M2"-Prozessor, vorgestellt, der im dritten Quartal 1997 in die Massenfertigung gehen soll. Der Baustein wird 64 KB Cache und ein verbessertes Speicher-Management beinhalten. Außerdem enthält er einen eigens entworfenen Befehlssatz, der den Chip kompatibel zu Intels MMX-Technik macht. Der M2 wird zunächst mit 166 Megahertz angeboten werden, soll aber noch in diesem Jahr auch als 233-Megahertz-Variante zu haben sein.

Pressegängelung?

In die Nesseln setzten sich deutsche Intel-Manager bei einer Aktion gegen die Computermagazine "c't" und "PC Professionell", die PCs mit Intels "Klamath"-Prozessor ( Pentium II) getestet hatten. Obwohl beide Magazine darauf hinwiesen, es handle sich um Betaversionen des Chips, wurden nach Erscheinen der Tests "kommentarlos die Anzeigenaufträge storniert", wie die Verlagsleitung von "PC Professionell" auf Anfrage bestätigte. Der Chipgigant hatte sich darüber geärgert, daß seine Kunden die Betageräte - trotz Verpflichtung zur Geheimhaltung - an die Magazine weitergegeben hatten. Obwohl sich Intels Deutschland-Zentrale in München nicht zu den Stornierungen äußern wollte, scheint die Angelegenheit mittlerweile geregelt zu sein: In einem Artikel in der "New York Times" bekräftigte das Intel-Management in den USA, daß es nicht der Firmenpolitik entspreche, wirtschaftlichen oder sonstigen Druck auf die Presse auszuüben. Dies gelte auch für das europäische Management. Europa-Chef Hans Geyer entschuldigte sich jedenfalls auf der CeBIT bei den Magazinen.