Am Rande der Datenverarbeitung

21.10.1983

Wird in diesem Blatt über das Speichern von Bewahrenswertem geschrieben, geht es meist um Kapazitäten, Zugriffszeiten und Speicherdichten. Doch darum soll es hier diesmal nicht gehen.

Thema ist ein Bandspeicher besonderer Art, den die Stuttgarter Künstler Susanne und Wil Frenken aus Anlaß der fünfzigsten Wiederkehr des Jahrestages der Bücherverbrennung unter der NS-Hertschaft entwarfen. Die Aktion, die die Stuttgarter gemeinsam mit dem Münchner Kunstverein und einem Minicomputerhersteller durchführten, suchte, so Wil Frenken, Kunst und Sprache sinnfällig zu verbinden. Denn ein Buch sei künstlerisches Material wie die Sprache auch. Durch seine Aktion, der dritten in einer wohl "unendlichen Reihe "(Frenken), wird dieses Material zum plastischen, visuell wie haptisch erfahrbaren Werk.

Was taten Susanne und Wil Frenken? Der Künstler druckte die von Susanne gelesenen Bände, die alle zu den 1933 verbannten und verbrannten Büchern gehören, mit schwarzer Offset-Farbe in ein schwarzes Seidenband ein. So verzahnten sich die Seiten dieser Bücher zu einer "gedruckten Schicksalskette", die von Wil Frenken zu einer, mit den Fortsetzungen dieser Aktion immer größer werdenden Scheibe gerollt wird.

Dieses Mal kamen zu den schon in die Scheibe eingebundenen Werken 50 Bücher hinzu, eines für jedes seit 1933 verstrichene Jahr

Die Namen ihrer Autoren reichen von Karl Kraus bis Thomas Mann, von Erich Kästner bis Sigmund Freud, von Käthe Kollwitz bis Sebastian Haffner.

Was die Aktion der beiden Frenkens, wie man ihr und ihnen auch immer gegenüber stehen mag, so bedrückend macht: Sie soll irgendwann beendet werden - nämlich dann, wenn die Verfolgung der freien Geistesäußerung überall auf der Welt eines Tages Vergangenheit sein wird. "Bis dahin aber", sieht Wil Frenken klar, "müssen wir noch viele Aktionen machen".