US-Regierung ermittelt wegen angeblicher Kartellrechts-Verstöße

Als Outsourcer steht Big Blue auf juristisch wackeligen Beinen

20.11.1992

WASHINGTON (CW/IDG) - Durch ihre 1991 gegründete Outsourcing-Tochter ISSC könnte die IBM Corp. in Konflikt mit dem US-Kartellrecht geraten. Die Nähe zum Mutterkonzern, argwöhnt das Justizministerium, verschaffe ISSC unzulässige Wettbewerbsvorteile. IBM-Chairman John Akers hat eine interne Untersuchung angeordnet. Unterdessen bereitet die deutsche IBM den Start ihres Outsourcing-Business vor.

Auf niedrigerer juristischer Ebene schon eine Zeitlang in der Diskussion, bereitet der jüngste IBM-Antitrust-Fall der Branche in den USA nun um so größeres Kopfzerbrechen, da er mit der Übernahme durch das Justizministerium quasi zur Chefsache gemacht wurde. Robert Zahler, Beteiligter an einem Unternehmen, das Outsourcing-Verträge im Kundenauftrag aushandelt, berichtet von besorgten Fragen der Klienten, ob es denn sein könne, daß IBM ganz vom Outsourcing-Markt verschwinden werde. Zahlers standardmäßige Erwiderung: "Wir sagen ihnen dann, daß IBM antworte, das sei nicht zu befürchten."

Zu klären ist die Frage, ob ISSC gegen den "Consent Decree", eine 1956 getroffene Vereinbarung IBMs mit der US-Regierung, verstößt. Das Papier legt unter anderem fest, daß Big Blue sich nur über eine abgetrennte Tochter im Dienstleistungsgeschäft engagieren darf. Angeführt von der Affiliated Computer Systems Inc., vertreten eine Reihe von US-Outsourcern die Ansicht, daß diese Regelung auch auf ISSC anzuwenden sei, weil ihre Tätigkeit eine Dienstleistung darstelle.

Schon 1990, also noch vor der Gründung von ISSC, hatte Affiliated die US-Behörden ersucht, sich mit der Frage nach der Rechtmäßigkeit von IBM-Outsourcing-Aktivitäten zu befassen. Die Bedenken dagegen, so Affiliated-Präsident Charles Young, hätten sich mit der Auslagerung in eine eigene Gesellschaft nicht erledigt. Schließlich stelle IBM der Tochter ihre Vertriebsmannschaft zur Verfügung und gewähre ihr Rabatte bei der Materialbeschaffung. Auch sei zu bedenken, daß ISSC eine Anzahl von Verträgen abwickle, die noch aus der Zeit vor ihrer Gründung stammten. In einer Eingabe an die Justizbehörde verlangt Affiliated, daß ISSC diese Kontrakte entzogen werden.

Untersuchungen gehen nur schleppend voran

Im Sommer dieses Jahres wandte sich Young brieflich an Akers mit der Bitte um eine Einschätzung der Rechtslage und eine Liste der Kauf und Leasingpreise, zu denen die IBM ihre Tochter mit Hard- und Software versorgt. Young zufolge verpflichtet der Consent Decree IBM, diese Informationen zur Verfügung zu stellen. Der IBM-Obere delegierte die Anfrage an ISSC-Justitiar Stephen Huhn. Der versprach Young seinerseits, der Sache nachzugehen und bald zu antworten. Das ist laut Young bisher nicht geschehen.

Bisher scheinen die Untersuchungen der Behörden nur schleppend voranzugehen. Der Branchenverband Information Technology Association of America (ITAA), vom Justizministerium um Unterstützung gebeten, läuft bei seinen Mitgliedern offenbar gegen eine Mauer des Schweigens. Einem ITAA-Sprecher zufolge war es bei einigen offensichtlich, "daß sie etwas wußten, aber nichts sagen wollten".

Unabhängig vom Ausgang der behördlichen Untersuchung, so die Wertung eines Beraters, habe die IBM-Präsenz auf dem Markt geringere Outsourcing-Preise bewirkt. Warren Gallant von Technology Partners Inc. aus Houston bewertet die ISSC-Preise zwar als "kompetitiv, aber denen der Konkurrenz mit Sicherheit nicht unschlagbar überlegen". Die Gewinnspannen der Outsourcer und somit die Endpreise wurden allerdings deutlich anziehen, wenn ISSC aufgrund des Consent Decree aus dem Markt gekippt würde, prognostiziert er.

Bei der Konkurrenz in Deutschland macht man sich offenbar noch keine Sorgen um eventuelle Marktveränderungen, wenn die IBM-Tochter Systeme und Netze GmbH Anfang des kommenden Jahres an den Markt geht. Debis lehnt jede Stellungnahme ab, und Elisabeth Kappas, Sprecherin der Frankfurter EDS GmbH, hält den Preis nicht für das entscheidende Auswahlkriterium. Sollte ISSC beziehungsweise Systeme und Netze also etwas billiger einkaufen können als die Konkurrenz, ist das nach dieser Einschätzung nicht automatisch ein Wettbewerbsvorteil. Eher, so Kappas, büße ein Dienstleister durch die wirtschaftliche Nähe zu einem Hardwarehersteller Geschäftschancen ein, da er vielfach als abhängig und dadurch weniger glaubwürdig in seinen Empfehlungen angesehen werde.