Nichtprozedurale Sprachen werden akzeptiert:

Allmählich dem Minicomputer-Milieu entwachsen

26.02.1982

DELRAN, N. J. (CW) - In dem Bemühen, den Anwendungsstau abzutragen, hat man sich mit einem neuen Phänomen auseinanderzusetzen: den sogenannten "Very high-level languages", nichtprozeduralen Programmiersprachen. Diese werden, wie neueste Datapro-Untersuchungen ergeben haben, von den Anwendern mittlerweile azeptiert.

"Very high-level languages" entstanden ursprünglich in direktem Zusammenhang mit der Entwicklung der Datenbankverwaltungssysteme (DBMS). Durch ein solches System konnte der Anwender seine Daten und ihre Zusammenhänge organisieren. Zugriff, Updating und Änderung bei reduzierter Mehrfachspeicherung wurden vereinfacht. Der Zugriff zu den Daten und deren Manipulation war aber Sache der entsprechend ausgebildeten Spezialisten, die dazu ein Programm in einer der "akzeptierten" höheren Programmiersprachen schreiben mußten, also in Cobol, Fortran oder PL/I. Ein wesentlicher Grund für den Anwendungsstau ist, daß bei jedem vom Management angeforderten Bericht aus den in den Datenbanken enthaltenen Informationen ein entsprechendes Programm geschrieben, übersetzt und getestet wird.

Die Einführung der nichtprozenduralen Sprachen hat dem Anwender die Arbeit wesentlich erleichtert. Er strukturiert an der Datenstation seinen Bericht und erzeugt die Druckausgabe beinahe ganz nach eigenem Ermessen. Von diesem Standpunkt aus bietet die Vorgehensweise mit Hilfe einer nichtprozeduralen Sprache den Führungskräften Zugang zu den Managementinformationen, die für eine gute Führung erforderlich sind. Die Frage, ob dadurch aber der sogenannte Arbeitsrückstand abgebaut wird, bleibt bestehen.

Besteht der Rückstand bei Systemen prozeduraler Art, wie beispielsweise bei der Gehaltsabrechnung oder der Kreditorenbuchhaltung, so lautet die Antwort in der Regel "Nein". Um mit einiger Effizienz ein Anwendungssystem dieser Art zu entwerfen und zu implementieren, empfiehlt sich, wie die Datapro-Untersuchung ergeben hat, die bewährte Vorgehensweise mit Hilfe einer problemorientierten Programmiersprache.

Der strukturierte Charakter der prozeduralen Sprache gestattet eben die Anpassung und Konfiguration der oftmals verwickelten Rechenvorgänge und Verarbeitungsfunktionen, um die es in einem solchen Fall geht. Außerdem ist es beim Schreiben von Programmen im Rahmen von Telekommunikationsnetzen nicht hilfreich, weil man dafür Fachkräfte für die Kommunikationssoftware braucht. Dieser Bedarf wird aber wohl durch kein nichtprozedurales Sprachenprodukt vermindert. Eines aber kann eine nichtprozedurale Sprache: Sie vermittelt auch DV-technisch nicht vorgebildeten Mitarbeitern, was ein Computer für sie tun kann. Sie läßt den Terminalhersteller mehr Terminals verkaufen. Und sie nimmt mehr Maschinenzeit in Anspruch, stellten die Fachleute von Datapro fest.

Sicherheit steht im Vordergrund

Die meisten nichtprozeduralen Sprachen sind von einer bestimmten DBMS-Datenbasisstruktur abhängig, obwohl manche Lieferanten behaupten, daß ihr Produkt mit Nicht-DBMS-Dateien implementiert werden kann, beispielsweise mit einer Stücklisten-Dateistruktur. Im großen und ganzen gestattet die nichtprozedurale Sprache dem Anwender, genau die Information vorzuschreiben, die er haben will. Oft bietet sie dem Anwender eine Help-Funktion und Menüs. Der Anwender hat auf diese Weise buchstäblich unbegrenzten Zugriff zum Datenbestand des Unternehmens.

Angesichts dieser bestürzenden Aussichten, die sich dem oberen Management in den Unternehmen bieten, war klar, daß rasch entsprechende Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden mußten, schrieben die Spezialisten von Datapro. Diese Maßnahmen wurden direkt in die Sprachen eingebaut. Es gibt Kennworte, Benutzer-Identifikationen, Aussperrungen und/oder Sensitivitätsmaßnahmen sowie eine Vielzahl weiterer Mechanismen zur Verhinderung unbefugten Zugriffs zu den Daten. Im Gegensatz zu den direkt in die Sprachen eingebauten Vorkehrungen werden die meisten dieser Maßnahmen durch das DBMS gesteuert. Um zu verhindern, daß der weniger ausgebildete Durchschnittsanwender versehentlich Daten löscht, kann er auf die Lesefunktion beschränkt werden. Er kann demnach alle Daten, zu denen er berechtigt ist, aufrufen und aufzeichnen, aber nicht mehr.

Leider gibt es, wie die Datapro betonte, kein Mittel zur Verhinderung der vom Anwender verursachten fehlerhaften Änderungen. Verifikations- und Prüfroutinen lassen sich zwar in die Sprache einbauen, doch verlangen diese vom Anwender prozedurale Aktionen. Außerdem hat

jeder Anwender die Möglichkeit, mit Hilfe eines wenn auch noch so unwahrscheinlichen Zufalls, alle Sicherheitsvorkehrungen zu durchbrechen. Wie eingangs festgestellt wurde, entstanden die nichtprozeduralen Sprachen im Zusammenhang mit der Entwicklung der DBMS-Technik. Ursprünglich waren sie eher im Minicomputer-Milieu zu

Hause als im Umfeld der Universalrechner. Der DV-Fachmann bedient

sich dieser Sprachen vor allem zur Ergänzung seiner Funktionen, die

von mehr prozeduraler Art sind. Die Möglichkeit, im Dialog Bildschirmformate zu entwerfen, ohne durch die mühsamen Maschinenschnittstellenoperationen von damals hindurch zu müssen, ist ein entschiedenes Plus für ihn.

Nach Datapro gibt es im Zusammenhang mit der nichtprozeduralen Sprache zum Programmieren viele positive Faktoren, aber auch einige negative.

Die positiven Aspekte

Auf der positiven Seite kann durch die Anwendung einer dieser neuen Sprachen viel Zeit bei der Erstellung von Ad-hoc-Berichten eingespart werden. Manche Schätzungen lassen Einsparungen von zehn Prozent in der Entwicklungs- und Testzeit erkennen.

Der Endbenutzer ohne die DV-Kenntnisse eines Programmierers hat Zugriff zu den erforderlichen Daten. Die Sprachen können den Rückstand an Anwendungsprogrammen verringern, falls dieser viele Anforderungen von Berichten mit Management-Informationen enthält, die mit Hilfe der Sprache in der gewünschten Form geliefert werden.

Zu den von Datapro angeführten negativen Faktoren gehören das keineswegs sichere Updating und die. Unvollständigkeit der Sprache, was heißen soll, daß es innerhalb einer Sprachenimplementierung nicht alle Einrichtungen gibt, die dem Anwender eine leichte und effiziente Beschreibung der durchzuführenden Funktionen gestatten. Schließlich sei noch die Schnittstelle zum Menschen erwähnt, vor allem die Neigung älterer Mitarbeiter, vor automatisierten Betriebsmethoden zurückzuschrecken.

Deshalb - so schlossen die Marktforscher der Datapro - sei die nichtprozedurale Sprache weder eine Wohltat für die Industrie, noch eine Plage für das Rechenzentrum. Stattdessen hilft sie den Rückstand an Programmen abzubauen, sie könnte Zeit und Geld einsparen (obwohl das kein wesentlicher Nutzen der Technologie ist), und sie verhilft dem Management zu rasch benötigten Informationen. Und das letztere schneller und genauer als es bisher jemals möglich gewesen ist.

Diese letzte Feststellung ist nun der größte Vorteil, der aus der nichtprozeduralen Sprache abgeleitet werden kann, behaupten die Forscher. Der eine prozedurale Sprache anwendende Fachmann wird keineswegs ersetzt, sagen sie. Im Gegenteil: Der Bedarf an gut ausgebildetem Personal wird zumindest während den nächsten fünf Jahren unvermindert anhalten. Und es wird an vielen prozeduralen Systemen gearbeitet.

Datapro sagte eine endgültige Trennung der Programmierabteilungen vom Rechenzentrum und dem Endbenutzerumfeld voraus. Eine Verbindung zwischen beiden wird durch den Datenbankverwalter oder eine Art von Koordinator aufrechterhalten.

Übersetzt aus der COMPUTERWORLD vom 30. November von Hans J. Hoelzgen, Böblingen.