ALG-II-Entwicklern droht die Pleite

03.05.2005
Weil Prosoz den Programmieraufwand offenbar falsch eingeschätzt hat, kommt es bei dem Hertener Softwarehaus zu finanziellen Engpässen.

Dieses äußerst komplexe Projekt hat aus vielerlei Gründen einen erheblichen Mehraufwand mit sich gebracht, den alle Beteiligten in diesem Umfang nicht vorausgesehen haben", heißt es in einer offiziellen Verlautbarung von Prosoz. Dies führe derzeit zu Problemen, da das Unternehmen erst dann bezahlt werde, wenn der gesamte Auftrag abgeschlossen sei.

Das Softwarehaus, eine Tochter der Stadt Herten mit über 200 Mitarbeitern, hat als Subunternehmer von T-Systems im vergangenen Jahr die Software für die Auszahlung des Arbeitslosengelds II (ALG II) entwickelt. Für das Projekt A2LL der Bundesagentur für Arbeit (BA) sollte Prosoz insgesamt 7,5 Millionen Euro erhalten.

Nach Darstellung der Prosoz-Verantwortlichen war das Vorhaben erfolgreich. A2LL erfüllt die technischen Erwartungen und läuft seit Anfang des Jahres. Mehr als 2,5 Millionen ALG-II- Empfänger erhalten seitdem regelmäßig ihre Leistungen ausbezahlt. Rund 20 000 Anwender arbeiten mit der Software.

Doch die sind auf das neue Programm meist gar nicht gut zu sprechen. Immer wieder gab es Beschwerden. Erst Anfang März klagten Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft für Beschäftigung in München, sie müssten mit einer extrem fehlerhaften Software arbeiten. Ein Sachbearbeiter aus Berlin schimpfte über eine unzumutbare Übergangslösung.

Änderungen dauern bis 2006

Die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg räumte die Probleme ein. Die Fehler würden im Rahmen der laufenden Release-Planung und -Einspielung behoben. Diese Angaben relativieren die Erfolgsmeldung aus Herten. Prosoz wird mit dem überwiegenden Teil seines Entwicklerteams weiter an der Software arbeiten müssen. Experten gehen davon aus, dass dies noch bis weit ins nächste Jahr hinein dauern könnte.

Offensichtlich haben sich die Prosoz-Verantwortlichen mit ihrem Festpreisangebot verkalkuliert. Die ständigen Forderungen der Bundesagentur für Arbeit nach Programmerweiterungen haben den Mehraufwand und die Kosten für Prosoz in die Höhe getrieben. Dies sei jedoch nicht vorhersehbar gewesen, sagte Prosoz-Geschäftsführer Christoph Wesselmann der Zeitung "Hertener Allgemeine".

Während ein Unternehmen wie T-Systems, das ebenfalls 7,5 Millionen Euro für die Einführung der ALG-II-Software erhalten sollte, die Zahlungsverzögerungen leicht wegstecken kann, gerät ein kleines Softwarehaus wie Prosoz schnell ins Schlingern. Die finanzielle Schieflage deutete sich bereits Ende vergangenen Jahres an. Nur mit einer Abschlagszahlung von T-Systems in Höhe von vier Millionen Euro kamen die Hertener über die Runden.

Doch die Situation hat sich damit nicht entschärft. Ende April informierte Wesselmann den Hertener Bürgermeister über die aktuelle Situation: "Dieser Auftrag ist nicht zu schultern, es kommen Lasten und Risiken auf uns zu, die die Firma in eine gefährliche Lage bringen, wenn wir jetzt nicht handeln."

Wie Prosoz gerettet werden könnte, ist derzeit nicht abzusehen. Von der Stadt, die in den vergangenen Jahren von den Gewinnen ihrer Tochter profitierte, ist kaum Hilfe zu erwarten. Stadtkämmerer Cay Süberkrüb bezeichnete die finanzielle Situation der Kommune Ende April als dramatisch: "Kein Silberstreif am Finanzhorizont, der Abwärtstrend ist ungebrochen."

Auch die Bundesagentur in Nürnberg blockt ab. Es sei nicht ihre Aufgabe, die wirtschaftliche Situation von Prosoz zu beurteilen, weist Behördensprecher Ulrich Wischki jede Zuständigkeit zurück. Außerdem bestehe nur ein Vertragsverhältnis zwischen der Bundesagentur und T-Systems. Daher gebe es keinen Anlass einzugreifen.

T-Systems als weißer Ritter?

Damit bleibt Prosoz wieder einmal nur T-Systems als potenzieller Retter. Der Dienstleister bestätigt die Probleme bei Prosoz. Es werde bereits über eine Lösung verhandelt, berichtet Firmensprecher Albert Hold. "Man ist auf einem guten Weg." Insider erzählen derweil, dass die Ver-träge zwischen Prosoz und T-Systems neu verhandelt werden sollen. Dabei ist auch von einem Verkauf der Softwarerechte an den Dienstleister die Rede. So könnte Prosoz zwar kurz- fristig gerettet werden. Das weitere Schicksal des Softwarehauses steht damit aber in den Sternen. (ba)