Bifoa-Seminar in Köln:

Acht Dokumentationssysteme auf dem Präsentierteller

09.12.1977

KÖLN - Unzureichende DV-Dokumentation machte das Bifoa-Institut im Rahmen des BMFT-geförderten Forschungsvorhabens MAGMO (Entwicklung von Methoden zur Anwendung genereller Beschreibungsmodelle) insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmungen aus, während die Systemdokumentation der Großunternehmen als "gut" bezeichnet wurde.

Dr. Reinhard Gillner vom MAGMO-Projektteam formulierte aus diesen Erkenntnissen auf dem Bifoa-Fachseminar "Dokumentationssysteme", das kürzlich in Köln stattfand, folgende Entwicklungsmaßnahmen auf dem Gebiet der Systemdokumentation: Rückverlagerung der Systemverantwortung durch Schaffung einfacher, leicht erlern- und anwendbarer Kommunikations-Instrumente; durch Trennung zwischen Aufgabenlogik und technologisch ausgerichteter Entwicklung sowie durch Integration der Benutzer in den Gestaltungs- und Dokumentationsprozeß. Ferner solle durch Verbesserung computergestützter Dokumentations-Verfahren die Routinearbeit verlagert, eine ständige Überprüfung mit dem Realsystem ermöglicht sowie eine Simultan-Dokumentation durchgeführt werden.

Nach der Gillner-Einführung über Stand und Entwicklung der Systemdokumentation bekamen auf dem Bifoa-Seminar acht Anwender Gelegenheit, ihre Dokumentationssysteme vorzustellen. Inwieweit allerdings die Systeme den MAGMO-Vorschlägen bereits nahekommen, mußte jeder Seminar-Teilnehmer selbst herausfinden, da keine eindeutigen Vergleichs-Kriterien existieren. Eines wurde indes klar: Die Erstellung umfangreicher Dokumentationsbestände, die letztlich als Beschreibungsmodelle betrieblicher Datenverarbeitungssysteme bezeichnet werden können, ist mit erheblichem Aufwand verbunden, der jedoch grundsätzlich vertretbar ist, solange die Dokumentation nicht als "Quasi-Registratur" nur zu Kontroll- und Revisionszwecken genutzt wird.

DOKU-2000

Dr. Wilmar Schuler stellte als erster das computergestützte Dokumentations- und Arbeitssystem DOKU-2000 der Unternehmensberatung Böhm + Salaske vor. Philosophie dieses Systems sei - so Schuler - , mit den drei Komponenten "Aufbau", "Ablauf" und "Informationssysteme" die gesamte Organisation einer Unternehmung zu beschreiben.

Selbstverständlich sei dabei, daß bei der Komplexität des betrieblichen Geschehens der Mensch als Verwalter und Controller bald überfordert wäre und daß daher DOKU-2000 computergestützt arbeite.

ALL-DOK

Ingenieur Wilfried Kilian berichtete als nächster über die Erfahrung mit der Auto-ORG-Dokumentation bei der Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke AG. Dieses heute von der Alldata Service GmbH als ALL-DOK vertriebene Dokumentationssystem wird bei RWE seit 1973 eingesetzt, nachdem es in Zusammenarbeit mit der ehemaligen GUD entwickelt wurde. Die Auto-ORG-Dokumentation wird heute bei RWE zwar für alle technischen, jedoch nur für einige kaufmännische Systeme angewendet, denn sie hat manuell geführte Dokumentations-Formularsysteme nicht verdrängen können. Kilian erläuterte, daß man seit der Einführung des ALL-DOK-Systems die Einhaltung gegebener Richtlinien, die Vollständigkeit der Dokumentation sowie die Transparenz und die Revisionsfähigkeit der EDV-Organisation erreicht hätte. Besondere Bedeutung habe dabei das im System enthaltene Data-Dictionary-System, denn es sei eine gute Hilfe bei der Entwicklung und ein notwendiges Hilfsmittel, um bei Änderungen und Erweiterungen die Auswirkungen auf Programme und Datensätze zu erkennen.

BYBLOS

Anschließend versuchte Friedel Marksteiner den Unterschied des Dokumentationssystems BYBLOS von der Unternehmensberatung Sligos zu anderen Dokumentationshilfen klarzumachen: Demnach sei BYBLOS kein Textverarbeitungssystem (wohl aber in der Lage, Texte zu verarbeiten), sondern ein auf der Basis einer Datenbank und eines Data-Dictionary/Directory aufbauendes, wesentlich weitergehendes System. Dem Dokumentationspaket BYBLOS läge dabei das Prinzip zugrunde, jedes auch noch so komplexe EDV-Organisations-System mit drei Dokumentationsblöcken vollständig zu beschreiben. Die Blöcke wären Datenbeschreibungen, Prozeßbeschreibungen sowie die Beschreibung der Beziehung zwischen Daten und Prozessen.

DELTA

Dipl.-Mathematiker Dietrich Kracht erläuterte anschließend die Systematik und Automatisierbarkeit der Dokumentation bei computergestützter Systementwicklung mit Hilfe des Prozessors DELTA der Gesellschaft für moderne Organisationsverfahren (GMO). Er entwickelte zunächst einen Anforderungskatalog an ein Dokumentationssystem, der beispielsweise Punkte wie Einbeziehung der Dokumentationserhebung in die Automatisierungsbestrebungen oder Integration der Werkzeuge zur Systemdokumentation und zur Systementwicklung zu einem kompatiblen Hilfsmittelsystem enthielt. Nachdem Kracht anschließend einen groben Überblick über das Gesamtpaket DELTA gegeben hatte, beschrieb er die funktionale Systemdokumentation als ein hierarchisch in bis zu neun Ebenen untergliedertes System. Betriebliche Informationssysteme würden demnach in Subsysteme, Arbeitsaufträge, Programme, Phasen, Dateiverarbeitung sowie weitere Verarbeitungsschritte unterteilt.

AUTODOK

Jürgen Fritz vom Mainzer Zentrum für Datenverarbeitung und Organisation sieht bei seinem Dokumentationssystem AUTODOK gegenüber anderen Dokumentationen folgende wesentliche Unterschiede: Maschinenlesbare und auswertbare Dokumentation, zentrale Speicherung der Dokumentation in Programm-Bibliotheken sowie Vereinigung von Programmvorgabe und Programm, das heißt, die Umwandlungsliste enthält die gesamte Dokumentation. AUTODOK könne - so Fritz - durch den Einsatz geeigneter Programmentwicklungs- und Programmier-Methoden, wie Structured Design, HIPO oder strukturierte Programmierung zur Steigerung der Programmierer-Produktivität und zur Senkung der Planungskosten beitragen.

SIMMIS/TN-DOK

Die Dipl.-Mathematiker Rainer Bischoff und Hans-Jörg Böllheim informierten über das gemeinsam von Thyssen Niederrhein in Oberhausen getragene Forschungsprojekt SIMMIS/TN-DOK. Die gemeinsamen Aktivitäten hätten bisher unter anderem zur Entwicklung eines adäquaten Beschreibungsmodells betrieblicher Informationssysteme geführt, das über alle relevanten System-Elemente und deren Hierarchie und Prozeßrelationen für computergestützte Auswertung und Gestaltungszwecke informiert. Ein mit realen Daten beschicktes Beschreibungsmodell stehe als "Thyssen Niederrhein Dokumentationssystem" zur Verfügung. Darüber hinaus könnten weitere SIMMIS-Anwender mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Beschreibungsmethode sowie der entwickelten Software individuelle Beschreibungsmodelle erstellen.

DPS

Professor Dr. Roland Schneider von der CAP gemini GmbH sieht das Ziel des Dokumentations- und Programmier-Systems DPS (früher Deutsches Programmiersystem) darin, eine Systementwicklungs-Konzeption aufzuzeigen, für die maschinelle Hilfsmittel bereitgestellt werden, mit denen insbesondere die Dokumentation weitgehend maschinell erstellt und gewartet werden könne. So seien im DPS maschinelle Hilfsmittel vorhanden, um die in der Systembeschreibungssprache formulierten Bausteine in einer Datei, der Methodenbank, zu speichern, und um sie von dort für die verschiedensten Zwecke zu selektieren.

Data-Directory-System

Bei der Deutschen Shell AG hat man zur Milderung der negativen Konsequenzen der EDV-System-Integration sowie zur Vorbereitung neuer EDV-Techniken wie datenbank-orientierte Systemgestaltung und Differenzierung zwischen Daten und Programmen eine zentrale Datei-Organisation sowie ein Data-Dictionary-System gebildet. Karl-Ludwig Völkner von der Shell nannte in Köln als bisherige Erfolge dieser Maßnahmen: Transparentes Integrationsausmaß, überschaubare File- und Programmänderungen, Verhinderung und Abbau von Daten-Redundanzen sowie Erleichterung der Daten und Informationsbereitstellung. So würde bei Shell auch in dieser Richtung weitergearbeitet: Aufbau zentraler, programm-unabhängiger Daten-Basen, fast ausschließliche Verwendung einheitlicher Dateibeschreibungen sowie Weiterentwicklung des Datei-Funktions-Rasters zur Bestimmung von Datei-Inhalten wären bereits geplante Weiterentwicklungen.