Steigende Umsätze reichen nicht, um den Arbeitsmarkt anzukurbeln

Abwarten heißt die Devise

30.01.2004
Die IT-Firmen sind vorsichtig geworden. Sie warten ab, ob die Konjunktur nachhaltig anzieht, planen keine Einstellungen im großen Stil und setzen mehr auf fest angestellte IT-Fachkräfte als auf Freiberufler - dieses Stimmungsbild ergab eine COMPUTERWOCHE-Befragung von Personalverantwortlichen.Von Jürgen Mauerer*

Konjunkturforscher gehen davon aus, dass die Weltwirtschaft in diesem Jahr mit mehr als vier Prozent so stark zulegen wird wie schon lange nicht mehr. Für Deutschland sind die Wachstumsprognosen mit 1,5 bis zwei Prozent eher mager.

Das gleiche Bild ergibt sich für die IT-Industrie. Der Branchenverband Bitkom erwartet weltweit für die Hightech-Branche einen Zuwachs von fünf Prozent auf 2,3 Billionen Euro, für Deutschland nur ein Wachstum von zwei Prozent auf 134 Milliarden Euro. Im Vergleich zur Stagnation im Vorjahr ist das ein erheblicher Fortschritt.

Aufschwung greift erst 2005

Doch steigende Umsätze führen nicht automatisch zu einem höheren Bedarf an IT-Fachkräften. "Beschäftigungspolitisch wird sich dieser Aufschwung erst 2005 niederschlagen", schätzt Stefan Pfisterer, Bitkom-Referent für Bildung und Personal. 2004 setzten viele Unternehmen noch den 2003 beschlossenen Stellenabbau um. Die im Zuge des Aufschwungs neu geschaffenen Stellen könnten das Minus aus den umzusetzenden Entlassungen ausgleichen und leicht übertreffen, so Pfisterer. Insgesamt sieht er "eine verhalten positive Tendenz" auf dem IT-Arbeitsmarkt.

Die Stichpunktumfrage der CW bestätigt diese Einschätzung. Alle Unternehmen wollen dieses Jahr IT-Fachkräfte einstellen, aber keines im großen Stil. Die Grundhaltung in den IT-Firmen ist geprägt von Vorsicht und Abwarten, ob sich der Aufschwung als stabil erweist. Diese Linie zieht sich von großen Herstellern wie IBM, SAP oder Sun Microsystems über mittelständische Software- und Beratungshäuser wie Bardenheuer Software, DMC, Webwasher oder Brunel IT bis hin zu Anwenderunternehmen wie Karstadt-Quelle oder Metro Group.

Bei den IT-Großunternehmen bestätigt sich zudem der Offshore-Trend, das heißt die Auslagerung von IT-Tätigkeiten in Länder mit niedrigerem Lohnniveau. "In Deutschland rechnen wir mit einem moderaten, gedämpften Wachstum bei IT-Fachkräften. Eine größere Anzahl von Neueinstellungen ist eher in Low-Cost-Countries zu erwarten", so Axel Kersten, Leiter Personal-Marketing und Recruiting bei der SAP AG. Bedarf bestehe vor allem an SAP-Entwicklern.

Ähnlich sieht die Politik des IT-Dienstleisters Lufthansa Systems aus, der weltweit 4200 Mitarbeiter beschäftigt. "Neueinstellungen in Deutschland nehmen wir nur sehr gezielt vor. An unseren internationalen Standorten, zum Beispiel Indien, Ungarn und Polen, entwickeln wir bereits seit einigen Jahren Softwarelösungen. Diese Standorte bieten uns wirtschaftlich interessantere Perspektiven", betont Gunter Küchler, Geschäftsführer von Lufthansa Systems. Der Großteil der IT-Entwicklung finde im Ausland statt, die Beratung der Kunden erfolge von Deutschland aus. In beiden Bereichen erwartet er in diesem Jahr bei einer spürbaren Erholung der Wirtschaft einen Bedarf an Arbeitskräften.

SAP- und Security-Experten sind gefragt

Pfisterer vom Bitkom rechnet in den umsatzstarken Sparten Software sowie Online- und Mobilfunkdienste mit einem Stellenzuwachs, während die Beschäftigtenzahl in den Bereichen IT-Services und TK-Infrastruktur seiner Meinung nach im Jahr 2004 eher stagnieren werde. Die von der CW befragten Unternehmen suchen je nach Auftragslage überwiegend Software- und Datenbankentwickler, IT-Security-Fachleute sowie SAP-Spezialisten (Entwickler und Consultants).

Auch über den Status der potenziellen Mitarbeiter sind sich die befragten Firmen einig: Wenn sie einstellen, dann hauptsächlich fest angestellte Mitarbeiter. Befristete Verträge, die Kooperation mit Zeitarbeitsfirmen oder die Zusammenarbeit mit IT-Freiberuflern spielen in den Überlegungen der Personalverantwortlichen eher eine untergeordnete Rolle. "Wir wollen den Anteil der Freiberufler so niedrig wie möglich halten", betont Frank Winter, verantwortlich für Personal Recruiting bei der Metro Group Information Technology GmbH.

Unbefristete Verträge erhöhen Motivation

"Natürlich sind Festeinstellungen unser Ziel, denn so können wir das aufgebaute Know-how im Unternehmen halten", bestätigt eine IBM-Sprecherin. Auch Reiner Bardenheuer, Geschäftsführer der Bardenheuer Software GmbH, sieht im Wissen der Mitarbeiter eine Trumpfkarte: "Ein Dienstleister lebt davon. Unser Ziel ist es, die Mitarbeiter langfristig zu binden. Wir wollen eingespielte Teams haben, die natürlich effektiver arbeiten als zusammengewürfelte Gruppen von Freiberuflern." Doch für eher kurzfristig laufende Projekte engagiert Bardenheuer auch selbständige IT-Experten mit befristeten Verträgen.

Sun Microsystems setzt ebenfalls primär auf Festangestellte: "Die Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeiter sind höher, wenn sie durch einen unbefristeten Vertrag an ein Unternehmen gebunden werden. Aufgrund der negativen Erfahrungen aus der Dotcom-Zeit sind viele Bewerber bereit, zugunsten der Sicherheit Abstriche beim Gehalt zu machen", sagt Anne Römming. SAP-Personalexperte Kersten bestätigt diesen Mentalitätswandel: "Das Pendel hat umgeschlagen. Vor drei Jahren ging es IT-Fachkräften primär darum, möglichst schnell möglichst viel Geld zu verdienen. Heute sind die Leute eher an mittel- und langfristigen Engagements interessiert."

Sicherheit als Köder für IT-Spezialisten - das war vor drei Jahren noch undenkbar. "Der Markt gibt momentan genau diese Leute her: Hoch qualifizierte IT-Fachkräfte mit Berufserfahrung. Daher ist das Risiko nicht allzu groß, wenn man diese Leute mit einem unbefristeten Vertrag ausstattet", so Pfisterer. (am)

*Jürgen Mauerer arbeitet als freier Autor in München.

Alternative Zeitarbeit

Alle befragten Unternehmen setzen derzeit verstärkt auf fest angestellte Mitarbeiter, engagieren aber in geringerem Umfang auch Freiberufler. SAP ist das einzige Unternehmen, das laut Recruiting-Chef Axel Kersten "punktuell" auch mit Fachkräften zusammenarbeitet, die über Zeitarbeitsfirmen vermittelt werden. Das Ergebnis der CW-Umfrage bestätigt damit die Einschätzung von Achim Leopold, Leiter des Geschäftsbereichs IT der Zeitarbeitsfirma DIS in der Niederlassung Düsseldorf: "Unternehmen, die Zeitarbeit bewusst als strategisches Mittel einsetzen, um flexibel auf Auftragsschwankungen reagieren zu können, sind in der Minderheit." In solchen Firmen gehörten zur "mobilen Kernbelegschaft" aber durchaus auch hoch qualifizierte IT-Spezialisten: "Zeitarbeiter sind nicht mehr die Leute mit den großen Händen, die Kisten schleppen."