Gründung des European Telecommunications Standards lnstitute (ETSI) steht bevor:

Ab 1992 verbindliche Telekom-Norm in Europa

29.01.1988

Mitglieder des Instituts werden wider Erwarten nicht allein Gremien der EG-Länder oder auch nur der in CEPT (Conference Europeene des Postes et Telecom) zusammentretenden europäischen Staaten sein. Der Rahmen umfaßt bereits 18 europäische Länder.

Die bisher im CEPT-Gremium laufenden oder auch abgeschlossenen Normierungsarbeiten werden Insiderinformationen zufolge in das neue, zunächst mit einen Kapital von 1,5 Millionen Schweizer Franken ausgestattete Institut an der Cote d'Azur einfließen. Neu an dieser Institution, die künftig europaweit verbindliche Netz- und Schnittstellenstandards setzen soll, ist zweierlei: Neben Postverwaltungen und Herstellern haben auch Anwender ein gewichtiges Wort mitzureden - und dies sogar auf der Basis von Mehrheitsbeschlüssen. Zudem sollen die administrativen Arbeiten hauptberuflich wahrgenommen werden.

Offenbar sehen sich die Europäer verstärkt unter Zugzwang gesetzt, angesichts der langen Bearbeitungszeiten durch "nebenberuflich" für CEPT und entsprechende Institutionen tätige Normierungsexperten. Der eigentliche Anstoß dürfte jedoch vom europäischen Forschungsvorhaben RACE (Research in Advanced Communications in Europe) ausgehen, das sich im wesentlichen auf Breitbandkommunikation bezieht. Die Amerikaner sind mit Normierungsvorschlägen im Sektor Breitband-ISDN bereits im Herbst vergangenen Jahres vorgeprescht.

Europa-einheitliche Lieferbedingungen

Das ETSI soll auf der Basis von Mehrheitsbeschlüssen, wie verlautet mindestens 71 Prozent der Stimmen, entscheiden können. Im Gegensatz zu den Ergebnissen der bisherigen CEPT-Aktivitäten werden die von den Gremien der Mitgliedsländer erarbeiteten Regelungen für Netzschnittstellen und Kommunikationsprotokolle beispielsweise nicht mehr den Charakter von Empfehlungen haben, sondern Bestandteile der europa-einheitlichen Liefer- und Zulassungsbedingungen werden.

Alle Länder, die jetzt in London auf der Konferenz der Postverwaltungen europäischer Länder das Agreement of Understandig unterschrieben haben, verpflichten sich, die künftigen ETSI-Regelungen zu akzeptieren und zu realisieren.

Diese Länder sind Presseinformationen zufolge - hier mit ihren Stimmanteilen aufgelistet - bisher:

Frankreich (10 Prozent), Bundesrepublik Deutschland (10 Prozent), Italien (10 Prozent), United Kingdom (10 Prozent), Spanien (8 Prozent), Belgien (5 Prozent), Griechenland (5 Prozent), die Niederlande (5 Prozent), Portugal (5- Prozent), Dänemark (3 Prozent), Irland (3 Prozent), Luxemburg (2 Prozent), Schweden (5 Prozent), die Schweiz (5 Prozent), Österreich (3 Prozent), Finnland (3 Prozent), Norwegen (3 Prozent) und Island (2 Prozent).

Die 18 Länder repräsentieren 97 Prozent der künftigen Stimmen. Die drei restlichen Prozentpunkte dürften sich laut Spekulationen aus dem Postministerium die Türkei und andere, "Kleine" teilen.

Interessant wird es bei den nationalen Gremien. "Die Fernmeldeverwaltungen nehmen die Anwender und Hersteller sozusagen unter ihre Fittiche", erläutert ein Siemens-Beobachter. Unklar ist bisher, wie die Stimmen verteilt werden sollen, ferner welchen Organisationen ein Beobachterstatus zugebilligt wird. Auch werden Forschungseinrichtungen, wie auch immer, mitwirken können.