Internationale Tendenzen im Datenschutz

7500 Anträge auf Datensammlungen in Schweden

23.07.1976

WIESBADEN - "Fast alle westlichen Industriestaaten haben den Datenschutz als wichtige Aufgabe im Überschneidungsbereich von Gesellschafts- und Technologie-Politik erkannt; die Mehrzahl bemüht sich, Anschluß an die Datenschutzpioniere zu finden. In Staaten, die bereits Datenschutzgesetze in Kraft gesetzt haben, steht die Frage nach der Bewährung der neuen Kontrollinstrumente im Vordergrund. Bei besonders empfindlichen Bereichen wie der Kreditinformation sowie der Polizei- und Kriminalinformation besteht die Tendenz, schärfere Lösungen zu finden, als sie allgemeine Datenschutznormen mit Generalklauseln bieten". Diese drei Tendenzen bestimmen nach Meinung des hessischen Datenschutzbeauftragten Prof. Spiros Simitis zur Zeit international die Entwicklung im Datenschutzrecht. Die folgenden Beispiele stammen aus dem neuesten Tätigkeitsbericht von Simitis.

In Schweden, das bereits 1973 ein Datenschutzgesetz erließ, haben die "Data Inspektionen" bis Ende 1975 über 7500 Anträge auf Genehmigung von Datensammlungen bearbeitet. In einem an Regierung und Parlament adressierten Bericht bezeichnen sie die Erfahrungen mit dem Gesetz als positiv. Die Data Inspektionen haben unter anderem dem Statistischen Zentralamt den Betrieb eines Verweisregisters untersagt, daß für jeden Bürger angibt, welche einzelnen Register Daten über seine Person enthalten - nach Meinung der Aufsichtsbehörde erhöht ein solches Verweisregister die Mißbrauchsgefahr.

In den USA, wo seit 1974 der "Privacy Act" gilt, probt die Stadt Berkeley (Kalifornien) den öffentlichen Entscheidungsprozeß beim Datenschutz: Das Stadtparlament entschied, daß vor jeder Einführung oder Änderung eines Automationsverfahrens, bei dem personenbezogene Daten verarbeitet werden, ein "Social impact statement" zu erstellen ist. Gegen dieses Gutachten, das mögliche Beeinträchtigungen der Bürgerrechte darstellt, Alternativen aufzeigt und in der Lokalpresse veröffentlicht wird, kann jedermann schriftlich oder bei einer öffentlichen Anhörung Einwendungen erheben.

Ein "Data Protection Committee" soll in Großbritannien die erforderlichen Vorarbeiten leisten und die Zeit bis zur Schaffung eines staatlichen Kontrollorgans überbrücken. Die Regierung hat bisher nur eine Absichtserklärung in punkto Datenschutz abgegeben.

In der Schweiz hat eine Expertenkommission Änderungen im Zivilgesetzbuch und Obligationenrecht vorgeschlagen. Danach könnte "gegenüber jeder Sammlung oder Verwendung von Angaben über persönliche Verhältnisse verlangt werden, daß eine unerlaubte Speicherung aufgehoben und eine falsche Angabe berichtigt wird".

Es ist ferner ein Auskunftsrecht und ein Anspruch auf Schadenersatz - "auch wenn kein Verschulden vorliegt" - vorgesehen. Die Kommission hält eine Regelung für dringlich, obwohl "die Mittel des Privatrechts nur von beschränkter Wirkung sein können".

Differenzierte Schutzmaßnahmen plant Österreich: Für jede öffentliche Datenbank soll die Regierung eine Datenbankverordnung erlassen. Der seit längerer Zeit dem Parlament vorliegende Entwurf eines Datenschutzgesetzes sieht ferner mehrheitlich mit Richtern besetzte Bundes- und Landesdatenschutzkommissionen vor, die in gerichtsähnlichen Verfahren über Beschwerden der Betroffenen entscheiden sollen, aber keine Präventiv-Aufgaben haben.

Den Kampf für den Datenschutz und gegen die Einführung einer Bürgernummer hat der "CentraI Congress for Privacy Protection and against Personal Identification Numbering Plan" auf seine Fahnen geschrieben. Die Organisation wurde unter Mitwirkung mehrerer Gewerkschaften, darunter der All Japon Telecommunications Workers Union, gegründet. Die sozialistische und die liberale Partei haben inzwischen Entwürfe für ein Datenschutzgesetz vorgelegt. Der Entwurf der Sozialisten sieht eine zentrale und fünfzig lokale Überwachungskommissionen vor und zielt darauf ab, daß vor Beginn jeder automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten eine staatliche Genehmigung eingeholt werden muß. -py