Binär-Kompatibilität für High-end-PCs

386-Anwendungen laufen auf OSF/1 und System V

31.08.1990

MÜNCHEN (CW) - Besitzer von PCs mit 386er- und 486er-Prozessoren sollen künftig nicht mehr darauf achten müssen, welche Unix-Variante auf ihrem Rechner läuft. Zu diesem Zweck erarbeitet eine Reihe der wichtigsten Anbieter einen Binär-Standard für Unix-Anwendungen. AIX-Anbieter IBM gehört allerdings nicht dazu.

Die Initiative für den neuen Unix-Standard mit der Bezeichnung "iBCS Edition 2" geht von Chip-Hersteller Intel, dem PC-Unix-Marktführer Santa Cruz Operation und AT&Ts Unix Software Laboratories Inc. (USL), ehemals USO, aus. Durch die gemeinsamen Bemühungen soll zudem die Konformität zu internationalen Standards auf Quellcode-Ebene sichergestellt werden.

Der Vorteil der Binär-Kompatibilität liegt vor allem darin, daß die Entwickler nicht mehr für jedes Unix-Derivat eine eigene Variante ihrer Anwendung erstellen müssen.

Dem Kunden erreichtet sie den Softwarekauf, weil er nicht mehr darauf achten muß, ob das jeweilige Produkt für seine Systemumgebung geeignet ist. Außerdem vergrößert sich das Produktangebot.

Bei diesem Versuch, den Markt für High-end-PCs zu erobern, ziehen selbst konkurrierende Unix-Organisationen an einem Strang.

So hat die OSF bereits im Mai dieses Jahres angekündigt, daß ihr OSF/1-Betriebssystem zu dem 386er-Unix von SCO kompatibel sein werde.

Für Unix International war die Begrüßung der angestrebten Binär-Kompatibilität schon deshalb selbstverständlich, weil sie an den Entwicklungen der USL maßgeblich beteiligt ist.

Auch Geoff Morris, President der X/Open-Organisation, war voll des Lobes: "Das Abkommen zeigt, daß die Betriebssystem-Anbieter gelernt haben, auf die Wünsche der Anwender von offenen Systemen zu hören." Inzwischen haben sich mit dem Datenbankhersteller Ingres und Uniplex, einem Spezialisten für Bürosoftware, auch schon die ersten Anbieter zu diesem geplanten Standard bekannt.

Nicht mit von der Partie ist allerdings die IBM. AIX-Marketier, Kurt Nägele: "Ich kann mir nicht vorstellen, daß wir den von AT&T propagierten Binär-Standard unterstützen." Seiner Meinung nach scheitere das schon daran, daß AIX auf Unix V.2 und nicht wie OSF/1, Unix V.4 und Xenix auf dem V.3-Release beruhe.

Allerdings habe man sich zu OSF/1 bekannt und werde später alle Möglichkeiten anbieten. Über die auch das Unix-Betriebssystem der Open Software Foundation verfüge.