Vermarktungsvorsprung Big Blues bringt Plattenspeicher-Konkurrenz in Schwierigkeiten:

3380-Power der IBM läßt PCM-Anbieter erzittern

03.02.1984

MÜNCHEN - Der Vorsprung der IBM bei der Auslieferung von 3380-Magnetplatteneinheiten bringt das Geschäft der Anbieter steckerkompatibler Speicherperipherie ins Wanken. Während der Marktführer nach Aussagen der amerikanischen Gartner Group Innerhalb des letzten Jahres rund 90 Prozent des Massenspeichermarktes erobern konnte, mußte die PCM-Konkurrenz massive Ertragseinbrüche hinnehmen. Mit Installation der ersten 3380-Pendants droht sich die Krise der Plattenproduzenten weiterhin zuzuspitzen. Grund: IBM-Beobachter wollen wissen, daß Big Blue schon bald eine Double-Density-Variante des Dünnfilm-Systems für ihre Großsystem-Anwender ankündigen werde.

In keinem anderen Marktsegment konnte IBM innerhalb des vergangenen Jahres so fette Gewinne einfahren wie im Massenspeicher-Geschäft. Der Branchen-Leader nutzte dabei vor allem das Fehlen vergleichbarer 3380-Konkurrenten, die sich mit Entwicklungs- und Fertigungsproblemen plagten und die Auslieferung der Magnetplatteneinheiten um mehr als zwölf Monate verzögerten. So konnte Big Blue nach Schätzungen amerikanischer Marktforscher bislang weltweit annähernd 50 000 Speichersysteme installieren. Allein in Europa seien rund 10 000 Plattenstationen im Wert von zirka zwei Milliarden Mark im Einsatz.

Bei einem derartigen Absatzerfolg verblassen die Installationsergebnisse des Wettbewerbs geradezu eklatant. In den USA erreichen die ausgelieferten 3380-Alternativen nach Aussagen der hiesigen PCM-Dependancen lediglich zweistellige Zahlen. Die Resultate der deutschen Peripherie-Anbieter sind noch erschreckender. Traditionelle Speicherlieferanten wie Control Data (CDC), Memorex und Storage Technology (STC) oder die mit der Vermarktung von Hitachi-Rechnern bekanntgewordene National Advanced Systems GmbH (NAS) können jeweils nur mit einer "First-Shipment"-Installation aufwarten. Fujitsu-Vertreiber Siemens beginnt nach eigenen Worten erst in den nächsten Wochen auszuliefern. Ein Stück vom 3380-Kuchen konnte sich indes die Ludwigshafener BASF AG sichern. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben rund 100 Systeme abgesetzt. Wie PCM-Insider sagen, vertreibe die Mainframe-Abteilung des Chemiekonzerns jedoch "aufgebohrte" 3350-Plattensysteme von Hitachi, die zwar annähernd die Leistung der IBM-Dünnfilm-Boxen erreichten, technologisch aber hinterherhinkten.

So lassen denn auch die Verantwortlichen der deutschen Massenspeicherindustrie durchblicken, daß sowohl amerikanische als auch japanische Hersteller ihre Produktionsschwierigkeiten noch nicht vollends im Griff haben. Die Dünnfilm-Technologie erfordere einen extrem hohen Fertigungsaufwand, der anfänglich mit großen Ausschüssen verbunden sei. Als Voraussetzung für eine reibungslose 3380-Massenproduktion mußten die Anbieter gar neue Konstruktionsstraßen oder Fabriken bauen. Die damit verbundenen Investitionen werden jetzt in Anbetracht des durchschlagenden IBM-Markterfolges von Kennern der PCM-Szene in Frage gestellt. Während IBM in den vergangenen Monaten ungehindert den Plattenspeichermarkt abgrasen konnte, sei den alternativen 3380-Anbietern das gesamte Neugeschäft verlorengegangen. Allein der Absatz preisgünstiger 3350-Double-Density-Stationen habe die Mixed-Hardware-Lieferanten über Wasser gehalten. Newcomer bei der Vermarktung von Plattensystemen, wie die amerikanische Ibis Systems Corporation, mußten nach einem erfolglosen Start das Handtuch werfen.

Großkunden verprellt

In Deutschland führte das Lieferdesaster der Steckerkompatiblen gar zu einem Kuriosum. Hatten Anbieter wie Memorex oder Control Data voreilig Lieferverträge zu fixen Installationsterminen abgeschlossen, so konnten sie diese, wie verlautet, nicht einhalten. Um treue Großkunden bei der Stange zu halten, mußten sie nach Aussagen der Betroffenen schließlich zu einem Notnagel greifen: Broker-Gesellschaften hätten die beiden Speichervertreiber mit Original-IBM-Equipment beliefert, das dann zum vereinbarten PCM-Preis beim Anwender installiert worden sei. Daß sowohl CDC als auch Memorex bei solchen Deals kräftig zulegen mußten, dürfte sicher sein.

Schlaflose Nächte hat die derzeitige Liefersituation offensichtlich aber auch den Frankfurter STC-Managern eingebracht. Die hessischen Peripherievermarkter sicherten dem Vernehmen nach der Motoren- und Turbinen Union GmbH (MTU) in München bereits 1982 zu, im Herbst vergangenen Jahres eine größere Anzahl von 3380-Plattensystemen zu liefern. Mit einer frühzeitigen Bestellung wollten sich die Bayern die seinerzeit noch von Vater Staat eingeräumte Investitionszulage sichern. Wie aus STC-Kreisen verlautet, konnten die Frankfurter ebensowie ihre Mitbewerber nicht liefern und umgingen einen Rechtsstreit nur, weil sie sich bereit erklärten, für die entstandenen Verluste aufzukommen. Die MTU-Verantwortlichen haben inzwischen 3380-Plattenspeicher von der IBM geordert, sagen STC-Mitarbeiter. Daß solche Pannen nicht gerade zu einer guten Geschäftsverbindung beitragen, räumt auch STC-Manager Detlef Drucks ein: "Sicherlich ist die MTU mit dieser Lösung nicht ganz glücklich, aber könnten wir installieren, so hätten wir es gewiß getan."

Langsame Anlaufphase

Drucks versichert indes, daß sich die Liefermisere seines Unternehmens schon in den nächsten Wochen "entkrampfen" werde. Die US-Muttergesellschaft wolle jetzt "größere Mengen" der 3380-Platteneinheiten den Frankfurtern zur Verfügung stellen. In einer "langsamen Anlaufphase" befindet sich jetzt nach den Worten von Claus Wienen, Geschäftsbereichsleiter Peripheriesysteme, auch die Control Data GmbH. Ab Juni sollen hierzulande monatlich etwa 40 Magnetspeicher installiert werden. Memorex-Manager Bernd Grosser spricht von vergleichbaren Auslieferungen seines Unternehmens.

Obgleich die Steckerkompatiblen nach Ansicht von Marktbeobachtern auf erste Installationserfolge hoffen dürfen, gilt die Durststrecke der deutschen 3380-Anbieter als noch längst nicht überwunden. Die hiesigen Deutschlandtöchter müßten sich zunächst nur mit limitierten Stückzahlen zufriedengeben, da die US-Mütter vorrangig ihre amerikanischen Großkunden bedienen wollten, gestehen PCM-Vertreter zähneknirschend ein.

Aggressive Vertriebsgebaren

Beobachter der Frankfurter Peripherieszene gehen deshalb davon aus, daß IBM auch in den kommenden Monaten den Löwenanteil des deutschen 3380-Geschäftes absahnen werde. In dem Vorgehen Big Blues bei der Vermarktung der Dünnfilm-Plattensysteme wollen die Anbieter indes ein Novum in der Branche registriert haben: Obwohl IBM keinem Konkurrenzdruck ausgesetzt war, hätten die "blauen" Peripherieverkäufer mit einer äußerst aggressiven Vertriebsstrategie aufgetrumpft. Zum schnellen Kauf animierte der Marktführer obendrein mit einer geschickten Rabattstaffelung. Bei größeren Abnahmemengen sind Nachlässe von bis zu 18 Prozent bekannt geworden. Beim Kauf von zehn Platteneinheiten ermäßigt sich der 3380-Preis bereits um sechs Prozent. Erschwerend auf einen Absatzerfolg der PCMs dürften sich auch die neuerlichen Preissenkungen der Stuttgarter auswirken. Noch rechtzeitig vor der Auslieferung einer größeren Zahl von PCM-Speichern drückte IBM die Kosten für den 3380-Einstieg um mehr als fünf Prozent auf 182 000 Mark (siehe Marktübersicht auf Seite 36).

Bevor die alternativen Peripherielieferanten jedoch die verbleibenden Krumen des 3380-Kuchens auflesen können, steht ihnen offensichtlich eine neue IBM-Attacke ins Haus. Der Marktführer hat nach Aussagen der Gartner Group inzwischen die Entwicklung einer Double-Density-Version der 3380-Plattensysteme abgeschlossen und will diese bis spätestens Mitte dieses Jahres vorstellen. Die US-Marktanalysten rechnen damit, daß Big Blue bei einer 1,5- bis zweifachen Leistungssteigerung gegenüber der 3380-Single-Density-Variante mit einem Superpreis aufwarte, der nur etwa 20 bis 30 Prozent über dem des Vorgängermodells liege. Somit können die Steckerkompatiblen, noch bevor sie die jetzt produzierten Systeme in größeren Mengen abgesetzt haben, mit weiteren Absatzschwierigkeiten konfrontiert werden, sagen PCM-Insider. Die Devise, resümiert Memorex-Manager Grosser, heißt jetzt für alle Plattenspeicher-Anbieter: Alles oder nichts."