Rasanter Bestellzuwachs weckt Hoffnung auf einen neuen Konjunkturfrühling:

15 Prozent plus: DV-Branche wittert Morgenluft

15.04.1983

MÜNCHEN - Anhaltende Massenarbeitslosigkeit, Stillstand des wirtschaftlichen Wachstums und mangelnde Investitionslust kennzeichnen immer noch die wirtschaftliche Lage der Bundesrepublik. Die DV-Branche jedoch konnte sich der Konjunkturflaute bisher entziehen: Der Auftragseingang legte 1982 nach Angaben des Zentralverbandes der Elektrotechnischen Industrie (ZVEI) um immerhin 15 Prozent zu. Daß dies den DV-Herstellern Anlaß zu der Hoffnung gibt, an die hohen Wachstumsraten der Vergangenheit wieder anknüpfen zu können, ermittelte die COMPUTERWOCHE bei ihrer jährlichen Branchenübersicht zur Geschäftslage und -entwicklung (Seiten 100 bis 104).

Das reale Bruttosozialprodukt im vergangenen Jahr ging um mehr als einen Prozentpunkt zurück, die Produktion in der gesamten Elektroindustrie stagnierte, die Anbieter von Datenverarbeitungsprodukten allerdings sehen besseren Zeiten entgegen. Die Branche verzeichnete nämlich laut ZVEI dennoch einen kräftigen Bestellzuwachs in Höhe von stolzen 15,4 Prozent. Wachstumsträger waren zwar nach wie vor die Auftragseingänge aus dem Ausland mit einer Zunahme von 16,3 Prozent, doch auch die inländischen Bestellungen geben Anlaß zur Freude: Sie legten nach dem zehnprozentigen Rückgang des Jahres 1981 heuer wieder um 14,6 Prozent zu. Besonders gut fiel dabei der Dezember aus, der der übers Jahr gesehen etwas schleppenden Geschäftstätigkeit auf die Sprünge half. Hier schnellten - in starkem Maße wohl bedingt durch die Investitionszulage - die Orders gegenüber dem Vorjahr um 87 Prozent nach oben.

Inzwischen berichten nun Unternehmen wie Digital Equipment vom besten Auftragseingang der 25jährigen Firmengeschichte und Harris, ICL, MAI sowie NCR von Bestellzuwächsen zwischen 25 und 30 Prozent. Wang spricht sogar von einem 45prozentig gestiegenen Auftragseingang und die Amdahl Corp. will aufgrund der regen Ordertätigkeit im laufenden Jahr gleich um 70 Prozent steigern. Daß dies nicht nur das Ergebnis von Außenseitern widerspiegelt, zeigt auch der verhaltene Optimismus des Branchenleaders IBM. Hierzulande freut sich der DV-Jumbo über eine "erhebliche Zunahme im Auftragseingang", die die Richtigkeit der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten von Big Blue beweise.

Aber auch der Rest der Branche zeigt sich hier nicht knausrig. So investierten vor allem Apple, Tandem und STC in Forschung und Entwicklung um einiges mehr als noch im Jahr zuvor. Bei den bundesdeutschen Herstellern hingegen ist der Forschungsdrang unterschiedlich stark: Bei CTM beispielsweise steckte man fast das Doppelte in neue Produkte, bei der Hewlett-Packard GmbH haben sich die Ingenieure ebenfalls über gestiegene Mittel gefreut, während die deutsche NCR-Tochter von stagnierenden Ausgaben auf diesem Gebiet zu berichten weiß. Ähnlich schaut es auch bei MAI aus, deren Management sich im Moment mehr auf die Vertriebsseite zu konzentrieren scheint. Als ausgesprochener Forschungsmuffel aber präsentiert sich die Perkin-Elmer Corp.: Hier sanken die Forschungs- und Entwicklungsausgaben gar in ihrer absoluten Höhe.

Eher nachdenklich als euphorisch stimmen kann dagegen der 1982 erzielte Produktionswert in der Bundesrepublik. Denn im vergangenen Jahr wurden dem ZVEI zufolge für 8,8 Milliarden Mark Geräte und Einrichtungen der elektronischen Datenverarbeitung produziert, was einem Zuwachs von nur neun Prozent (real sechs Prozent) entspricht. Im Jahr zuvor konnte man noch von einer Zunahme in Höhe von 17,2 Prozent berichten. Von diesem Equipment wurden 1982 nach Berechnungen des Vereins Deutscher Maschinen und Anlagenbau (VDMA) 74,6 Prozent exportiert.

Etwas besser entwickelten sich den ZVEI-Statistikern zufolge jedoch die Umsätze im Jahr 1982, die die auf bundesdeutschem Boden produzierenden Hersteller erzielen konnten. So stiegen die Einnahmen insgesamt um zwölf Prozent auf 9,4 Milliarden Mark, was allerdings im Vergleich zum Vorjahr (plus 19 Prozent) etwas enttäuschend ist. Dabei scheint es jedoch Flach wie vor mit der internationalen Konkurrenzfähigkeit der deutschen Computerbauer nicht schlecht bestellt zu sein. Der Auslandsabsatz war nämlich mit plus 14,2 Prozent weiter Motor des guten Geschäfts. Die Importe kletterten wesentlich geringer um nur sieben Prozent. Der Verkauf im Inland legte um zehn Prozent zu, im Vorjahr waren es nur sieben Prozentpunkte gewesen.

Trotz Preisverfalls und weiter zunehmender Wettbewerbsschärfe wird sich dieser Trend, davon ist die Mülheimer Mietfinanz GmbH überzeugt, weiter fortsetzen. Dabei dürften die Zuwachsraten für die DV-Branche den Konjunkturanalytikern zufolge, sowohl vom Inlandsmarkt als auch von den Auslandsmärkten getragen werden. Das Wachstum des Exports werde sicherlich weiterhin kontinuierlich höher ausfallen als jenes im Inlandsgeschäft. Überdurchschnittliche Zuwachsraten erwartet Mietfinanz hierzulande jedoch 1983 vor allem bei den kleineren Geräten. Diesen und größeren Universalrechnern räumt auch der ZVEI die besten Chancen im laufenden Jahr ein. Zwar wollte man sich beim Verband zu einer offiziellen Prognose für 1983 noch nicht äußern, doch ein Umsatzanstieg in der Größenordnung des Auftragseingangs (rund 15 Prozent) sei wahrscheinlich. Dies bedeutet, daß das Umsatzvolumen im laufenden Jahr die Zehn-Milliarden-Mark-Schwelle deutlich überschreiten wird.

Verhalten optimistisch

Insgesamt vermitteln die Zahlen aus den Geschäftsberichten verhaltenen Optimismus. Zwar zeichnen sich bis auf drei Außenseiter - NCR, NatSemi und Perkin-Elmer - alle Unternehmen mit mehr oder weniger hohen Zuwachsraten aus, doch konnten im Vergleich zum Vorjahr nur elf der insgesamt 50 (davon vier noch ohne Zahlen für 1982) in der Tabelle erfaßten Unternehmen ihren Umsatzzuwachs erhöhen.

Aufs Treppchen steigen können dabei die Verkäufer von Apple, die einen 74prozentigen Zuwachs erreichten, und die des Schweden Ericsson, die immerhin um 87 Prozent mehr verkaufen konnten. Aber auch für die Amdahl GmbH gibt es im abgelaufenen Jahr eine Medaille: Sie macht mit ihrem 60prozentigen Einnahmeanstieg den dritten Platz. Dem Feld davon eilen kann auch noch Tandem, die sowohl international (plus 50 Prozent) als auch bei der deutschen Tochter (plus 43,7 Prozent) noch mit respektablen Zuwächsen aufwerten kann.

Den betriebswirtschaftlichen Kennzahlen etwas genauer auf den Zahn gefühlt, ergibt jedoch für das abgelaufene Geschäftsjahr kein besonderer Anlaß zum Jubel. So haben sich die Umsatzrenditen nur der wenigsten Hersteller im Vergleich zum Vorjahr verbessert. Insgesamt können sich elf über eine gestiegene Rendite freuen, wobei IBM und NCR mit 12,8 und 12,4 Spitzenreiter sind.

In der Beschäftigtenentwicklung hat sich im vergangenen Jahr in der Branche nicht viel ereignet. So haben nach Angaben des ZVEI-Fachverbandes die EDV-Unternehmen ihren Mitarbeiterstab im Produktionsbereich 1982 nur noch geringfügig auf 61500 gesteigert. Indessen bestehe nach wie vor die Nachfrage nach Mitarbeitern für Vertrieb, Wartung, Anwendungsprogrammierung und Systemanalyse. Insgesamt baute im Berichtsjahr von den aufgeführten Unternehmen auch nur ein geringer Teil ihren Personalbestand ab. Diejenigen, die Mitarbeiter entließen, wie ICL (minus 30,3 Prozent), Burroughs (minus 6,1), NCR (minus 3,1) und Triumph-Adler (minus 20,3), konnten alle ihren Umsatz pro Beschäftigten steigern, zum Teil mit ganz erheblichen Zuwachsraten: ICL mit plus 45,5 Prozent, Burroughs (32,6) und Ericsson (71,7).

Kein Anlaß zum Jubel

Bei den übrigen Unternehmen erhöhten sich in der Regel ebenfalls die Einnahmen pro Beschäftigten, trotz einer Aufstockung des Personalbestands. Ausnahmen bilden dabei die deutsche Ericsson und Harris-Tochter, Amdahl Corp. Datapoint Corp. sowie NatSemi und Intel. Hier mußten Einbußen zwischen 1,3, und 16,7 Prozent hingenommen werden.

Doch so wenig erfreulich sich die genauere Analyse der Geschäftsberichte entpuppt, so optimistisch scheinen die Computerbauer in die Zukunft zu schauen. Kaum ein Hersteller der sich diesmal nicht damit brüstet, besonders hohe Auftragseingänge buchen zu können. Sie glauben auch zu spüren, daß jetzt aufgestaute Rationalisierungsinvestitionen in großem Umfang nachgeholt werden. Zugleich setzen sich, so ist aus Branchenkreisen zu hören, endlich die neuen informationstechnologischen Produkte auf breiter Front durch. So stellt der VDMA stellvertretend für die Hersteller fest, daß gerade in konjunkturell schwierigen Zeiten die Erkenntnis in den Unternehmen wächst, daß aktuelle, möglichst umfassende und genaue Information zum immer bedeutenderen Faktor wird. Vor allem bei den bundesdeutschen Computerbauern herrsche die Meinung vor, daß 1983 ein erfolgreiches Jahr wird.

Nicole Winkler