Die Geduld vieler Geschaeftsfuehrungen hat ein Ende

Zentrale IT-Imperien stehen vor dem Zerfall

04.06.1993

Mehr als 100 IT-Verantwortliche aus grossen europaeischen Konzernen fanden sich auf der European Information Management Conference ein, um zu diskutieren, wie die IT-Abteilungen eine bessere Unterstuetzung des jeweiligen Hauptgeschaeftes bewirken koennten. Die Antworten, die gegeben wurden, waren von einer aussergewoehnlichen Konsequenz und Klarheit.

So schlug IT-Manager Paul Burfitt eine "Devolutionsstrategie" vor: Damit ein partnerschaftliches Verhaeltnis zwischen den IT- Verantwortlichen und den Mitarbeitern der einzelnen Geschaeftsbereiche erzielt werden koenne, sei es sinnvoll, radikal zu dezentralisieren. In seinem Unternehmen, dem Chemiekonzern Zeneca Pharmaceuticals, habe man damit bereits begonnen. Jeder Geschaeftsbereich, ob Forschung und Entwicklung, Herstellung oder medizinische Produkte, arbeite heute mit einer eigenen IT-Einheit. Zwar lege die IT-Spitze noch immer die Strategien fest und treffe die "politischen" Entscheidungen, doch die Unternehmenseinheiten entwickelten heute ihre eigenen DV-Plaene.

Nur so koenne Informationstechnologie dem Hauptgeschaeft zu entscheidenden Wettbewerbsvorteilen verhelfen. Wer heute die Lorbeeren fuer die erfolgreiche Arbeit einzelner Geschaeftsbereiche ernte, sei doch voellig egal - der Erfolg der jeweiligen Abteilung sei immer auch der Leistung der zustaendigen IT-Division zu verdanken.

Unternehmensinterne Umfragen in dem englischen Chemiekonzern zeigen laut Burfitt, dass dieser Ansatz innerhalb kuerzester Zeit zu einem hohen Zufriedenheitsgrad bei den Anwendern gefuehrt habe. Auch die IT-Verantwortlichen stuenden nicht mehr in der Kritik, denn das Management erkenne deutlich: Die Informationstechnologie ist kein Selbstzweck mehr, sie ist hinter das Kerngeschaeft zurueckgetreten, um dieses zu unterstuetzen.

DV-Verantwortliche haben einen schweren Stand

Burfitts Vortrag fand auf der Londoner Veranstaltung grosses Interesse. Die Stimmung war geladen, viele IT-Chefs fuehlten sich gleichermassen von den Anwendern wie von der Geschaeftsleitung unter Druck gesetzt. Dennoch, so klang mehrfach an, muesse vermieden werden, die DV-Abteilung zu einer fuer den Anwender uneinnehmbaren Festung zu machen. Es komme darauf an, mit den Abteilungsleitern zu kooperieren und sie aufzufordern, zunehmend Verantwortung fuer DV-Projekte zu uebernehmen.

"Die IT-Verantwortlichen muessen sich aus ihrer privaten Welt loesen und sich wie alle anderen dem Kerngeschaeft verpflichten", fuehrte Unternehmensberater Malcolm Coster aus. Viele DV-Chefs gingen

faelschlicherweise davon aus, dass die Geschaeftsfuehrungen ihrer Unternehmen noch immer im Sinne haetten, mit Informationstechnologie einen Geschaeftsvorteil erringen zu koennen. In Wirklichkeit gebe sich dieser Illusion zur Zeit kaum ein Unternehmer hin. Die Datenverarbeitung stehe vielmehr in dem Ruf, zuwenig fuer das investierte Geld zu bieten, Budgets zu ueberschreiten und gesetzte Termine nicht einzuhalten.