Fehlerminimierung bei der Soltware-Auswahl:

Wie sich der Mut zum Risiko lohnt

22.07.1977

Standardsoftware kann noch so gut sein: Wenn sie nicht zu Problem paßt, wird ihr Einsatz zum Reinfall. Wenngleich sich mit geeigneter Standardsoftware gegenüber dem Silberstricken das EDV-Budget kräftig entlasten läßt, so ist es doch nicht ohne Risiko, sich für Standardsoftware zu entscheiden. Eine ausgetüftelte und praxiserprobte Methode, Fehler bei der Auswahl von Softwarepaketen zu minimieren, beschreibt unser Autor.

Die erste vergleichende Untersuchung (über Datenbanksysteme) verursachte erheblichen Aufwand, da zunäehst die methodischen Grundlagen zu schaffen waren, nachdem auch außer Haus keine Erfahrungen vorlagen. Das damals entwickelte Schema wird heute noch angewandt, wobei die technischen Beurteilungskriterien an die auszuwählende Software angepaßt werden (Abb. 1). Für die öffentliche Verwaltung wird Standardsoftware fast nur im Bereich "systemnahe Software" auf dem Markt angeboten.

Unabhängig von der Branche, dem Computerhersteller und der benötigten Funktionen ist diese Reihenfolge einzuhalten:

- Bedarf erkennen

- Anwendungserfordernisse erheben

- Marktübersicht beschaffen

- Kriterienkatalog erstellen

- theoretischer Grobvergleich aller gefundenen Produkte zur Vorauswahl (K.-o.-Kriterien)

- anhand prakt. Tests detailliert untersuchen

- bewerten und auswählen

- Installation und Einführung des ausgewählten Produktes.

Sowohl Anregungen von außerhalb wie die Erkenntnis, daß manche Softwareprobleme nur mangelhaft lösbar sind, können den Anstoß liefern, den Einsatz von Standardsoftware zu untersuchen.

Der allerwichtigste Punkt ist dabei, die Anwendungserfordernisse zu erheben. Eine Standardsoftware kann noch so gut sein, wenn ihre Leistung nicht oder nur schlecht mit den Anforderungen übereinstimmt, dann führt ihr Einsatz nicht zu einer rationellen Lösung, sondern zu einer Fehlinvestition. Und das erkennt man in der Regel erst nach dem ersten Reinfall.

Um sich eine Marktübersicht zu verschaffen, helfen Softwarekataloge, Annoncen der Softwarehersteller in den Fachzeitschriften, vergleichende Untersuchungen und nicht zuletzt der Erfahrungsaustausch mit Benutzervereinigungen.

Schwierig ist der Komplex Kriterienkatalog: Soweit man nicht auf einen bereits vorhandenen Katalog zurückgreifen kann, erfordert diese Tätigkeit hohen intellektuellen Aufwand und bedarf erfahrenen EDV-Personals. Schließlich ist dieser Katalog die Elle, mit der die verschiedenen Softwareprodukte gemessen werden sollen. Er muß während der Untersuchung fortgeschrieben werden, da es unmöglich ist, alle Möglichkeiten der verschiedenen Softwareprodukte vorauszudenken.

Da die intensive Beschäftigung mit Softwareprodukten recht zeitaufwendig ist, auch wegen der firmenspezifischen Nomenklatur in den Produktbeschreibungen, sollte man beim theoretischen Grobvergleich versuchen, durch Formulierung von K.-o.-Kriterien die Anzahl der näher zu untersuchenden Produkte auf ein Minimum (2-3) einzuschränken. Zwar sind vergleichende Untersuchungen (wie Datapro oder GES-Seminare) brauchbar, doch können sie eigene Vergleiche nie ersetzen, zumal diese Veröffentlichungen mit negativer Kritik aus verständlichen Gründen zurückhalten.

Obwohl die Durchführung von Tests mit Aufwand verbunden sein kann, ist sie doch die einzige Möglichkeit festzustellen, ob man die Beschreibungen der Firmen verstanden hat (die Fehlinterpretationen sind enorm!) und um den Aufwand im Handling und Betrieb und in gewissem Umfange auch die Performance abschatzen zu können.

Eine Demonstration durch die jeweilige Softwarefirma liefert kaum derartige Erkenntnisse, da Schwächen der Software dabei gerne verdeckt werden. Erfahrene Firmen bieten daher auch die Moglichkeit zu meist kostenlosem Test.

Anhand der Kriterienliste werden Noten für die Erfüllung der jeweiligen Kriterien durch die Software vergeben (Abb. 2). Mit Hilfe vergebener Gewichte für die einzelnen Kriterien läßt sich durch Multiplikation von Gewicht mit Note dasjenige Softwareprodukt herausschälen, welches die Mehrzahl der Kriterien erfüllt. Liegen mehrere Produkte mit der erreichten Punktzahl annähernd beieinander, sind die Produkte entweder gleichwertig oder die Gewichte falsch verteilt oder die Kriterienliste nicht detailliert genug.

Obwohl das Verfahren den Anschein von Objektivität hat, bleibt es durch die Vergabe der Noten und Gewichte immer subjektiv.

Neben der Betrachtung der rein technischen Funktionen ist in jedem Fall eine Kostenanalyse zu empfehlen, die alle für den Vergleich relevanten Kosten umfassen sollte (Abb. 3). Die Beschränkung in der Betrachtung auf die reinen Mietkosten wird einer richtigen Beurteilung in aller Regel nicht gerecht.

Nicht nur die Auswahl des geeignetsten Produktes ist wichtig für den erfolgreichen Einsatz von Standardsoftware: Von ebenso großer Bedeutung ist die Akzeptanz durch den Benutzer, die durch gute Beratung erreicht werden kann.

Bis eine gewisse Sicherheit im Umgang mit der neuen Standardsoftware im Hause vorliegt, müssen "Spezialisten" die Entscheidung beeinflussen, ob in einem speziellen Projekt die Software eingesetzt werden soll oder nicht.

Bei richtiger Auswahl, richtiger Einführung und richtigem Einsatz von Standardsoftware können zumindest bei großen EDV-Anwendern Millionen im Vergleich zur Eigenentwicklung oder dem Einsatz von falschen Produkten eingespart werden. Es lohnt sich immer, vor dem Einsatz einige Überlegungen anzustellen, wobei der Untersuchungsaufwand natürlich in einem vernünftigen Verhältnis zu den erreichbaren Einsparungen liegen muß. Auch muß qualifiziertes eigenes Personal zur Verfügung stehen.

Bei der Vertragsgestaltung sollte man an die Absicherung für die Nutzung des Softwareproduktes im Fall der auflösung eine Softwarefirma denken und an die Zusicherung einer ausreichenden örtlichen Unterstützung. Obwohl die Unterstützung durch die Softwarefirmen im großen und ganzen zufriedenstellend ist, gibt es vor allem bei Interfaces zwischen verschiedenen Standardsoftwareprodukten Probleme. Hier würde sich eine engere und aufgeschlossenere Zusammenarbeit der verschiedenen Softwarefirmen zum Segen der Kunden und - zum Segen der Softwarebranche auswirken.

Der Schritt zum Einsatz von Standardsoftware erfordert Risikobereitschaft des Managements. Daß sich dieser Mut in klingende Münze umwandeln kann, dafür ist unsere Organisation ein guter Zeuge.

*Hessische Zentrale für Datenverarbeitung (HZD), Wiesbaden.

Der Hessische DV-Verbund (Hessische Zentrale für Datenverarbeitung in Wiesbaden und 5 Kommunale Gebietsrechenzentren in Darmstadt, Frankfurt, Gießen, Kassel und Wiesbaden) dient der Landes- und Kommunalverwaltung in Hessen als Service-Einrichtung zur Entwicklung und zum Bertrieb von Datenverarbeitungsaufgaben.

Gemäß dem gesetzlichen Auftrag aller öffentlichen Einrichtungen zur wirtschaftlichen Haushaltsführung wurden bereits bald nach der Gründung des DV-Verbundes (Jan. 1970) Überlegungen zur Rationalisierung des eigenen Betriebes angestellt und der Bereich der Software als Ansatzschwerpunkt erkannt.