Wenn Entwickler auf den Traktor kommen

15.03.2009
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Alexandra Mesmer war bis Juli 2021 Redakteurin der Computerwoche, danach wechselte sie zu dem IT-Dienstleister MaibornWolff, wo sie derzeit als Head of Communications arbeitet.
Ohne Elektronik läuft im Schlepper nichts mehr. Darum suchen Hersteller wie Fendt Ingenieure, die sich mit Software und Fahrzeugelektronik auskennen.

Der Blick in die Fahrerkabine eines Fendt-Traktors verrät vieles: Neben Lenkrad und Armaturenbrett thront eine mächtige "Multifunktionsarmlehne", ausgestattet mit diversen Knöpfen, 6,5-Zoll-Bildschirm und Joystick, über den sich sämtliche Fahrfunktionen aktivieren lassen. "Ob Lenkung, Getriebe, Motoreneinspritzung oder Hydrauliksteuerung, heute sind alle Betriebskomponenten im Traktor elektronisch gesteuert. Damit haben wir mehr Elektronik als in einem Auto", sagt Rainer Hofmann, Leiter Entwicklung Elektrik/Elektronik bei Fendt, nicht ohne Stolz. Im Vordergrund ständen Steuerungen, die die Arbeit des Landwirts unterstützen: Zeit, Saatgut und Diesel sparen heißen die Ziele, die durch das GPS-gestützte Spurführungsgerät erreicht werden sollen. Hier errechnet der Satellit, in welchen Spuren der Traktor fahren oder welche Kurven er ziehen soll.

Krise noch nicht angekommen

Anders als in der Autoindustrie ist die Krise beim Traktorenhersteller, der zum US-amerikanischen Agco-Konzern gehört, noch nicht angekommen. Im vergangenen Jahr verkaufte Fendt über 15.400 Landmaschinen und damit 15 Prozent mehr als 2007. Kontinuierlich schafft das Unternehmen neue Stellen, insbesondere in Hofmanns Abteilung: Die ist seit 1990 von drei auf 31 Mitarbeiter angewachsen, auch in diesem Jahr sucht Hofmann noch Verstärkung. Während die Elektrikentwickler CAD-gestützt den Einbau von Steuergeräten und anderen Komponenten wie Lampen konstruieren, konzentrieren sich die Softwareentwickler auf die Softwaresteuerungen.

Wer als Softwareentwickler nach Marktoberdorf kommt, muss einiges können. Dazu Hofmann: "Wir suchen Informatik- und Elektrotechnik-Ingenieure mit Erfahrung in Fahrzeugelektronik, etwa mit CAN-Bus-Systemen und Embedded-Linux-Betriebssystemen." In Sachen Fachwissen kann Hofmann keine großen Kompromisse eingehen, da es bei ihm im Unterschied zu größeren Unternehmen keine übergreifenden Funktionen wie die des Projekt-Managers gibt, die man auch ohne tiefes technisches Know-how ausfüllen kann.

Zudem sollten die Bewerber auch eigenständig arbeiten und kommunikativ sein. Die Fähigkeit, sich mit anderen auszutauschen und abzustimmen, müssen Entwickler bei Fendt immer wieder unter Beweis stellen: Wenn etwa eine Endgeschwindigkeitsregelung entwickelt werden soll, müssen die IT-Experten mit Kollegen aus anderen Konstruktionsabteilungen die Funktion beschreiben. Auch in der Testphase müssen die Entwickler eng mit anderen Abteilungen zusammenarbeiten. "Da die Elektronik in die komplette Fahrzeugsteuerung und Mechanik eingebunden ist, kommt man um die Kommunikation mit Kollegen aus den anderen Fachbereichen nicht herum", bilanziert Hofmann, der in diesem Punkt auch wenig Abstriche machen mag. Wenn Kandidaten im Vorstellungsgespräch verschlossen seien und etwa das Thema ihrer Diplomarbeit nicht verständlich erklären könnten, hätten sie nur geringe Chancen auf ein Vertragsangebot.

Mit der Motivation seiner hauptsächlich männlichen Mitarbeiter hat Hofmann kaum Probleme, da sie das Produkt anspricht. Und so mancher Entwickler leiht sich einen PS-starken Traktor aus, um auszuprobieren, ob die von ihm programmierte Steuerung auch in der Praxis funktioniert. Die Fluktuation im Unternehmen ist gering. Wenn Mitarbeiter wechseln, dann um der Karriere willen, da Führungspositionen beim Mittelständler mit flachen Hierarchien nur begrenzt vorhanden sind.

IT in der Landtechnik

In den Fendt-Traktoren zeichnen IT-Systeme alle Betriebsdaten der Maschine auf. Der Landwirt ruft diese Daten via Bluetooth oder GSM/GPRS auf seinem Laptop oder PC ab, wertet sie über eine Agrar-Management-Software aus und kann der Schleppersteuerung zum Beispiel GPS-gestützte Auftragsbearbeitungsdaten zusenden, so dass die Ackerfläche optimal bearbeitet wird. In diesem System wird zudem der Datenbus zwischen den Schleppern und IT-gestützten Arbeitsgeräten gesteuert, die beim Säen, Düngen, Schneiden oder Ernten zum Einsatz kommen.