Was Multimedia-Agenturen leisten

Wegbegleiter von der Idee zum Internet-Geschäft

27.08.1999
Welche Online-Agentur für die Realisierung einer Website in Frage kommt, hängt von der Art des Internet-Auftritts ab - und natürlich vom Geldbeutel. Damit Geschäftsmodell und Website auch zusammenpassen, sollten Firmen jedoch nicht an der Beratung sparen. Bernhard Wiegert* hat sich die deutsche Agenturbranche näher angesehen.

Angefangen bei der kleinen, aber innovativen Hinterhofbude bis zur Multimedia-Firma internationalen Zuschnitts ist in der Online-Agenturszene so ziemlich alles vertreten. Viele dieser Unternehmen versprechen ihren Kunden einen Rundumservice. Was das nun im Einzelfall bedeutet, ist allerdings eine Definitionsfrage: Einige verstehen darunter die bloße Online-Aufbereitung des Unternehmensangebots, andere beziehen beispielsweise auch die Anbindung von Kundendatenbanken und Call-Centern mit ein.

Welche Agentur für einen Web-Auftritt jeweils am besten geeignet ist, läßt sich nicht auf eine einfache Formel bringen. "Es kommt darauf an, was der Kunde braucht und was er will - und natürlich darauf, wieviel es Kosten darf", meint Ulrich Jordan, Chef der Kölner Internet-Agentur Heinen Media Consult, die vor allem für mittelständische Unternehmen Internet-Auftritte bis hin zur datenbankgestützten E-Commerce-Lösung realisiert.

Vom Thema Geld weiß auch Karin Bäck, Geschäftsführerin der Euroart-Marketing Agentur, Köln, ein Lied zu singen: "Die meisten Mittelständler wollen mit einem so geringen finanziellen Aufwand wie möglich ins Netz." Unglücklicherweise steht bei den Unternehmen die Beratung ganz oben auf der Streichliste, moniert die Euroart-Chefin. Nicht selten führt das dann zu Websites, die sich nicht mit dem Geschäftsmodell decken.

Die Blauäugigkeit, mit der viele Firmen an ihren Internet-Auftritt herangehen, kennt auch Peer Lodbrok zur Genüge. "Oft wissen die Kunden nicht, was auf sie zukommt und worauf sie sich einlassen", stellt der Geschäftsführer der Multimedia-Agentur Infomedia aus Düsseldorf fest. Vor allem machen sich Firmen wenig Gedanken, was es bedeutet, Waren online feilzubieten. Das Internet habe nun einmal 24 Stunden am Tag geöffnet, da müsse ein Unternehmen rund um die Uhr erreichbar sein und schnell reagieren.

Im Gegensatz zu seiner Kölner Kollegin sieht Lodbrok aber einen Silberstreif am Horizont: "Zumindest die größeren Unternehmen lassen sich beraten und sind auch dankbar für Know-how von außen."

Das dürfte zum Teil daran liegen, daß große Firmen generell mehr Erfahrung mit externen Dienstleistern haben. Matthias Schrader von der Hamburger Agentur Sinner + Schrader kann dies nur bestätigen. Insbesondere Managern von mittelständischen Unternehmen müsse man die Notwendigkeit von Beratungstätigkeiten und Projektleitung erst mal klarmachen, schließlich könne das Consulting immerhin 20 bis 30 Prozent der gesamten Projektkosten ausmachen. Der Beratungsanteil verringere sich jedoch drastisch, wenn der Kunde bereits im Vorfeld wisse, was er mit dem Web-Auftritt erreichen möchte.

Zwischen Anspruch und Web-Wirklichkeit

Im Idealfall führt dann ein solcher Abgleich von Unternehmensanspruch und Internet-Wirklichkeit zu dem, was das Web leisten kann - neue Absatzkanäle über ein neues Vertriebsmittel zu schaffen. Wie das dann erfolgreich in einen Web-Auftritt umgesetzt wird, ist eine andere Frage, die jede Agentur anders beantwortet. So setzt Euroart-Marketing ganz auf die Strategie, dem Kunden erst einen Rahmen für seinen Internet-Auftritt vorzuschlagen und diesen dann gemeinsam mit einem Softwarehaus zu realisieren.

Einen anderen Weg beschreitet Sinner + Schrader: "Wir verstehen uns als 100prozentiger Outsourcing-Partner für unsere Kunden", beschreibt Geschäftsführer Schrader seinen Agenturansatz. Die Dienstleistungen der Hamburger erstrecken sich von der Entwicklung einer Geschäftsstrategie über die Datenbankanbindung bis zur Schaltung von Online-Werbung. "Wir tun dies ausschließlich kundenspezifisch und schaffen nicht den tausendsten Internet-Laden, der auf derselben Standardsoftware läuft, sondern entwickeln ein für ihn funktionierendes Business-Modell im Internet." Ein hoher Anspruch, der aber sicher seinen Preis hat. Die finanzielle Untergrenze bei den Projekten von Sinner + Schrader liegt bei 50 000 Mark. Teure Auftritte gehen rauf bis rund fünf Millionen Mark.

Doch dieser ganzheitliche Ansatz schafft auch Skepsis. "Bei den komplexen Strukturen, auf denen gute E-Commerce-Angebote basieren, wäre es verwunderlich, wenn eine Agentur alle Felder gleich gut bedienen könnte", gibt Friedrich Stahl, verantwortlich für Corporate Identity beim E-Commerce-Anbieter Primus-Online, zu bedenken. Deshalb sollte der Online-Shop im Idealfall selbst wie eine Agentur funktionieren, meint Stahl, wobei er einräumt: "Hat andererseits eine Agentur gezeigt, daß sie tragfähige Lösungen realisieren kann, dann sollte der Kunde diese Erfahrungen auch nutzen." Denn schließlich habe nicht jede Startup-Company sofort die Mitarbeiterstruktur für den Web-Auftritt in Eigenregie.

Die G+J Berlinonline GmbH aus Berlin fällt offenbar nicht unter diese Kategorie, denn das Unternehmen zog seinen Internet-Service www.berlinonline.de, an dem mehrere Hauptstadtzeitungen beteiligt sind, ohne Hilfe von außen hoch. "Neben dem hohen Preis, die Agenturen verlangen, spricht die Kenntnis des hauseigenen Produktionssystems für den Eigenbau", meint Holger Lück, Leiter Kommunikation bei Berlinonline.

Im Gegensatz zum Web-Dienst von der Spree beauftragte Quelle Neue Medien gleich drei Firmen für ein neues E-Commerce-Projekt. Bereits seit neun Monaten werkelt der Versandhändler gemeinsam mit diesen an seinem Online-Shop. Oracle wurde als Systempartner für das Redaktionssystem und die Datenbank verpflichtet, die WWL Internet AG zeichnet für das Shoppingsystem verantwortlich, und Feldmann Media Group gestaltet die Web-Seiten. Das System soll zur Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin ins Netz gehen.

Einen dritten Weg wählte Primus-Online: Das Unternehmen beschäftigt neben einer Agentur zusätzlich interne und externe Spezialisten - wohl dem, der sich das leisten kann.

So unterschiedlich die Ansätze und Auffassungen der Agenturen über die Art und den Umfang ihrer E-Commerce-Dienstleistungen auch ausfallen, so übereinstimmend ist ihre Meinung bei der Zielbestimmung. "Die Message der Site muß ankommen", faßt Infomedia-Chef Lodbrok stellvertretend für alle zusammen. "Effekte erzielen, statt Effekthascherei veranstalten" lautet daher sein Motto. Ein gutes Beispiel ist da die Website der Lufthansa. Jeden Monat verzeichnet die Fluggesellschaft bei der Online-Buchung Wachstumsraten von 30 bis 50 Prozent. Dies ist nicht zuletzt auf das Web-Design zurückzuführen, das sich aber konsequent an den Anforderungen und Möglichkeiten des Mediums Internet ausrichtet.

Genau das scheint ein Schlüssel zum Erfolg zu sein, doch bisher haben das nur wenige begriffen. "Ein großer Teil der Web-Seiten orientiert sich immer noch zu stark am Erscheinungsbild von Druck-Erzeugnissen", beklagt Volker Tietgens, Geschäftsführer der Multimedia-Agentur Concept! aus Wiesbaden. Viele ignorieren dabei völlig die zentralen Eigenheiten des World Wide Web. Nach Tietgens Verständnis ist das Internet ein System mit großer Tiefe. "Hinter einer Web-Seite verbergen sich im Unterschied zum Printprodukt weitverzweigte, nichtlineare Systeme." Nur durch eine überzeugende Web-Gestaltung lasse sich ein räumliches Orientierungssystem schaffen.

Wieviel Agentur und wieviel Design braucht denn nun welcher Kunde? Bei der Wahl "seiner" Web-Agentur rät Friedrich Stahl von Primus-Online, vor allem darauf zu schauen, ob der Dienstleister den Business-Ansatz des Kunden auch wirklich versteht.

**Bernhard Wiegert ist freier Journalist in Bornheim-Hersel.