Buchtipps

Von Nerds, Computersklaven und Teleworkern

16.06.2000
Von Helga Ballauf und Ingrid Weidner*

Das Web als blutsaugender Vampir

Bill Lessard, Steve Baldwin: Computersklaven. Reportagen aus der Ausbeuterfirma Internet.

DVA, Stuttgart, München. Frühjahr 2000.

Jeder Goldrausch hat seine Schattenseiten. Inzwischen gibt es auch in der Goldgrube Internet längst nicht mehr nur Gewinner. Bill Lessard und Steve Baldwin, selbst einmal dem Internet und seinen Möglichkeiten auf den Leim gegangen und gescheitert, verpacken ihre bitterböse Abrechnung in zahlreiche Interviews. Mit "Computersklaven. Reportagen aus der Ausbeuterfirma Internet" legen sie eine hervorragende Analyse der Schattenseiten des Dotcom-Booms vor, bei dem vermutlich so manchem das Lachen im Hals stecken bleibt.

Es kann sein, dass die Situation im Land der unbegrenzten Möglichkeiten noch extremer ist, aber die New Economy und die damit verbundene Gier machen vor nichts und niemandem halt. So wie in den 70erJahren der Journalist Günter Wallraff mit seinen Enthüllungsgeschichten Furore gemacht hat, könnten Lessard und Baldwin mit ihren Berichten über die "Netslaves" für Wirbel sorgen. Für die beiden Ver-lierer hat sich ihr Frust-Buch schon gelohnt: Ihre InternetSeite http://www.netslaves.com ist ein Renner.

Das Kastensystem der Neuen Medien und seine zehn Ebenen sollte jeder genau kennen, damit er seine Position innerhalb dieser Hackordnung besser einschätzen kann. In einem sind sich alle Beschriebenen gleich: Alle sind Verlierer. Falls die Szene nur halb so paranoid ist, wie von den Autoren beschrieben, dann müssten sich viele ausgebeutete Computersklaven bald rächen.

Bill Gates als Popstar

Max de Brujin: Wie werde ich Bill Gates?

Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt, 2000

Endlich eine ausführliche Erklärung des Nerd-Phänomens. Dabei sind die schrulligen Zeitgenossen, oft in Gestalt von Informatikern mit großen Brillen, altmodischer Kleidung, wenig Sex-Appeal und verträumtem Läch- eln, fast schon Relikte der Vergangenheit. Nur: Was oder wer ist ein Nerd? Der bekannteste unserer Zeit heißt zweifellos Bill Gates. Albert Einstein soll auch einer gewesen sein und sogar Leonardo da Vinci. Sie waren in der Schule meist Asse in Mathe und ziemlich altklug. Das Computerzeitalter war für sie ein Befreiungsschlag: Endlich konnten sie ihren wahren Leidenschaften frönen. Ein kleines Manko: Manchmal übertreibt der Autor ein wenig mit seinen Enthüllungen. Am Ende schließlich stellen sich Leser und Leserin - es gibt auch unter den Frauen Nerds - die bange Frage: Bin auch ich ein Nerd? Insgesamt liest sich de Bruijns Sammlung "Wie werde ich Bill Gates?" ganz amüsant.

Playmobil und Dauerlauf

Florian Illies: Generation Golf. Eine Inspektion.

Aragon Verlag, Berlin, 2000.

Generationsbücher sind so eine Sache. Nach Douglas Copelands "Generation X" schien alles gesagt über das neue Lebensgefühl. Allerdings beschlich viele der Verdacht, dass es ein amerikanisches Gefühl war. Florian Illies unternimmt den Versuch, die Geschichte der Mitte 20- bis 30-Jährigen in Deutschland zu erzählen. Keine träumerischen Aussteiger, sondern selbstverliebte Konsumenten, denen der neue Golf der Mutti näher ist als die rebellischen Allüren des großen Bruders. "Generation Golf" kommt amüsant, manchmal etwas aufgeplustert mit tausend Markennamen daher und ist selbst für Nicht-Golf-Fans lesenswert.

Die Musen besuchen

Dietrich Schwanitz: Bildung. Alles, was man wissen muss.

Eichborn Lexikon. Frankfurt, 1999

Das Vorstellungsgespräch ist vorbei, das Assessment Center ausgesessen und der Arbeitsvertrag unterschrieben. Nach den ersten erfolgreichen Monaten kann aber von Durchatmen und ruhig Zurücklehnen noch keine Rede sein, denn die Einladung für das erste Kamingespräch bei der Chefin liegt auf dem Schreibtisch, und die lediglich verdrängten Schweißausbrüche des Ausleseverfahrens trüben die Vorfreude merklich. Denn bei diesen informellen Gesprächen spielen die Verkaufszahlen und neuesten Entwicklungen nur eine Nebenrolle. "Kultur pur", die heroischen Zeiten der Antike und die Umsetzung in Shakespeares Dramenwelt stehen im Mittelpunkt. Was tun, um sich nicht total zu blamieren? Das rudimentäre Schulwissen hilft nicht wirklich weiter. Der Anglistik-Professor Dietrich Schwanitz hat mit seinem 540 Seiten umfassenden Werk "Bildung. Alles, was man wissen muss" den Versuch unternommen, eine subjektive Auswahl aus der europäischen Geschichte, Literatur, Kunst, Musik

und Philosophie zusammenzustellen.

Natürlich fehlt das ein oder andere, natürlich ist die Auswahl persönlich, aber das spricht keinesfalls gegen das Buch. Es bietet ein vielfältiges Spektrum, entschädigt für so manche schlechte Erinnerung an dröge Schulstunden und schafft einen gelungenen Überblick, der sich problemlos auch häppchenweise konsumieren lässt. Das nächste Kamingespräch wird - derart vorbereitet - zur echten Herausforderung. Einziger Nachteil: Der dicke Wälzer passt nur schlecht als Zuglektüre in die Laptop-Tasche.

Clevere Teleworker

Basisinformation II Telearbeit.

(Info s.u.)

"Das Gefühl für die Wertigkeit der eigenen Arbeit oder der eigenen Leistungsfähigkeit wird oft nur im direkten Vergleich mit anderen gemessen. Diese Möglichkeit bietet die Telearbeit lediglich sehr eingeschränkt." Ein wichtiger Hinweis, besonders für Berufseinsteiger, die ihr erstes Geld am Rechner daheim verdienen. Gerade Selbständige finden in der Broschüre "Basisinformation II Telearbeit" nützliche Check-listen und hilfreiche Denkanstöße. Herausgegeben hat dieses 50-Seiten-Heft das Online Forum Telearbeit (onforte) der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV), der Deutschen Postgewerkschaft und der IG Medien. Wie bei "Basisinformation I", das vor allem Betriebs- und Personalräte mit Tipps zur Telearbeit versorgt, unterstützen das Bundeswirtschaftsministerium und die Deutsche Telekom das Projekt.

Ist Telearbeit ein Karrierekiller? Hat die häusliche Unabhängigkeit von betrieblichen Hierarchien zur Folge, dass man außen vor bleibt, wenn interessante Aufgaben und Projekte vergeben werden? Wie ist das zu verhindern? Was muss das Management lernen, um kompetente Teleworker nicht zu vergessen? Neben Antworten auf diese Fragen leistet die Broschüre Entscheidungshilfe bei der Einrichtung des Teleheimarbeitsplatzes, zu Versicherungen und Datenschutz, bei Rechts- und Geldproblemen. Dazu gibt es Buch- und Surfadressen. Unter der Telefonnummer 0180/5245678 gibt das Onforte-Team weitere Tipps.

Basisinformation II Telearbeit. Die Broschüre ist zu beziehen über: onforte. c/o DPG. Rhonestr. 2, 60528 Frankfurt.

E-Mail: info@onforte.de.

Internet: http://www.onforte.de

*Helga Ballauf und Ingrid Weidner arbeiten als freie Journalistinnen in München.