VoIP - ja, aber mit Bedacht

19.09.2005
Die IP-basierende Sprachkommunikation ist unbestritten auf dem Vormarsch und wird die traditionelle TK-Technik langfristig ablösen. Experten raten jedoch davon ab, überstürzt auf Voice over IP (VoIP) umzusteigen.
Die mit VoIP erzielten Vorteile für Unternehmen gehen über Kosteneinsparungen weit hinaus.
Die mit VoIP erzielten Vorteile für Unternehmen gehen über Kosteneinsparungen weit hinaus.

Schon seit Jahren gilt VoIP als viel versprechende Zukunftstechnologie. Wegen technischer Unzulänglichkeiten wurde die IP-basierende Sprachkommunikation jedoch bis vor kurzem noch mit Argwohn betrachtet. Allmählich wird das Telefonieren über das Internet Protocol (IP) salonfähig, und das Vertrauen in die neue Technik steigt: Nicht nur Großkonzerne schmieden eifrig Migrationspläne - Boeing, Airbus und Ford beispielsweise haben bereits entsprechende Projekte in Angriff genommen. Aber auch kleinere Unternehmen ziehen VoIP-Lösungen immer häufiger als Alternative oder zumindest Ergänzung ihrer klassischen TK-Anlagen in Betracht.

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*80250: VoIP mischt Festnetztelefonie auf;

*78896: IP-Telefonie erobert Unternehmensnetze;

*75876: VoIP: Sicher ist sicher;

*71568: Der sanfte Weg zur IP-Telefonie.

Hier lesen Sie …

• wo die Potenziale von VoIP für Unternehmen liegen;

• welche Risiken die neue Technik birgt;

• welche Faktoren bei der Entwicklung einer VoIP-Strategie zu berücksichtigen sind.

In Expertenkreisen herrscht inzwischen Konsens darüber, dass sich VoIP aufgrund technischer Überlegenheit und der über die Integration von Sprach- und Datennetz zu erzielenden Effizienz- und Kostenvorteile als Standard durchsetzen wird. Für Unternehmen ist es demnach an der Zeit, sich auf eine Zukunft mit der neuen Technik vorzubereiten.

Einer zielführenden Orientierung steht nach Ansicht von Berlecon Research allerdings entgegen, dass die öffentliche VoIP-Diskussion nur unzureichend zwischen den Bedürfnissen von Privathaushalten und Unternehmen unterscheidet. Das Marktforschungs- und Beratungshaus verweist in diesem Zusammenhang auf den höheren Stellenwert der Telefonie für Firmen, deren komplexere Infrastrukturen sowie häufige Verteilung auf mehrere Standorte. So stellten etwa die viel zitierten, via VoIP zu erreichenden Kostensenkungspotenziale bei externen Telefonaten für Unternehmen nur eine Chance unter vielen dar - und bei weitem nicht die wichtigste.

Um Klarheit in das Thema zu bringen, hat sich Berlecon die neue Technik vorgeknöpft und speziell auf ihre Potenziale und Risiken für Firmen abgeklopft. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollen IT- und TK-Entscheidern helfen, Ziel, Zeitpunkt und Umfang einer VoIP-Adaption zu bestimmen und daraus eine geeignete Migrationsstrategie zu entwickeln. "Nur für wenige Unternehmen ist es schon jetzt sinnvoll, ganz auf VoIP umzusteigen", gibt Berlecon-Geschäftsführer Thorsten Wichmann zu bedenken. Alle Firmen sollten bei IT- und TK-Investitionen jedoch darauf achten, dass sie einen künftigen Wechsel auf VoIP vereinfachen. Auch bestehe oft die Möglichkeit, durch einen punktuellen Einsatz der Technik schnell Kosten zu sparen.

Niedrigere Kosten für externe Telefonate

Im Zuge ihrer Evaluierung haben die Consultants fünf VoIP-Kernpotenziale für Unternehmen identifiziert. Dazu zählt die Senkung der Kosten für externe Telefonate durch Internet-Telefonie - etwa über den Peer-to-Peer-VoIP-Dienst "Skype", via Preselection oder den Anschluss der Telefonanlage an die eigene Internet-Anbindung. Da die Vorteile dieser Angebote jedoch in enger Korrelation zu den telefonischen Gepflogenheiten eines Betriebs stehen, rät das Beratungshaus, dieses vorab sorgfältig zu analysieren. So könnten sie beispielsweise für eine Firma, die vorwiegend Ortsgespräche führt, weniger lohnend sein als für Unternehmen mit vielen deutschlandweiten Ferngesprächen. Zudem gelte es, zu prüfen, ob die genannten Varianten den firmenspezifischen Anforderungen im Hinblick auf unterstützte Servicemerkmale, Verbindungsqualität sowie Verfügbarkeit genügen. Ferner sei zu klären, inwieweit sich die genannten Angebote mit den jeweiligen VoIP-Plänen des Unternehmens vertragen: So ermöglichen die ersten beiden Alternativen zwar kurzfristige Einsparungen, aber lediglich die dritte Variante, die hierzulande beispielsweise QSC als "IPfonie" offeriert, bietet laut Berlecon die Möglichkeit eines sukzessiven Umstiegs auf VoIP.

Ein weiterer VoIP-Vorteil ist die Senkung der Kosten für interne Telefonate durch die Sprachübertragung zwischen Firmenstandorten über bestehende Datenleitungen. Davon profitieren laut Berlecon insbesondere Unternehmen, deren Standorte bereits über ein leistungsfähiges WAN miteinander verknüpft sind. Das damit verbundene Kostensenkungspotenzial steigt zudem mit der Zahl der Standorte beziehungsweise dem Grad der regionalen Streuung. Diese Möglichkeit lässt sich auf mehreren Wegen realisieren: Zum einen über externe VoIP-Services zur Verbindung von Standorten mit bestehender Nebenstellenanlage. Diese Variante ist einfach umzusetzen und erfordert keine größeren Investitionen. Der Wermutstropfen: Die Kosten für die Telefonleitungen zwischen den Niederlassungen sowie die Wartung der Telefonanlagen bleiben hier bestehen. Bessere Integrationsmöglichkeiten der Niederlassungen in eine homogene IP-basierende TK-Infrastruktur bietet die Filialanbindung über eine zentrale, firmeneigene VoIP-fähige PBX (Private Branch Exchange). In Abhängigkeit von dem Alter der bestehenden Telefonanlage, nicht zuletzt aber auch dem Stellenwert von VoIP in der langfristigen TK-Strategie ist hierfür die Nebenstellenanlage auszutauschen oder um VoIP-Funktionen aufzurüsten.

Zu den meistbeschworenen Chancen durch VoIP zählt die Nutzung einer gemeinsamen Infrastruktur. Für Firmen mit mehren Standorten liegt das Kostensenkungspotenzial durch die Vermeidung doppelter Infrastruktur sowie die vereinfachte Administration auf der Hand. Für Betriebe ohne Niederlassungen muss dies jedoch nicht der Fall sein. Daher sollte die Relevanz dieses Werteversprechens für das eigene Unternehmen genau überprüft werden. So hängen die darüber zu erzielenden Kosteneinsparungen nicht zuletzt davon ab, ob die bestehende Infrastruktur überhaupt nennenswerte Kosten verursacht.

Prozessoptimierung durch Computer-Telefon-Integration

Weit wichtiger als Kostensenkungspotenziale kann für Firmen nach Meinung der Experten aber die Möglichkeit sein, ihre Prozesse - auf Basis von VoIP - durch die Integration der Sprachtelefonie mit anderen Unternehmensanwendungen zu verbessern und zu beschleunigen. Beim Gros der bestehenden betrieblichen Nebenstellenanlagen handelt es sich um proprietäre Insellösungen, die sich nur schwer mit anderen Anwendungen verknüpfen lassen. Die bei VoIP verwendeten offenen Internet-Standards vereinfachen die Abbildung von VoIP-Funktionalität etwa in Groupware oder anderen Applikationen. Direkte, mit der Telefonie-Integration einhergehende Vorteile liegen laut Berlecon in den Bereichen Desktop-Telefonie und Unified Messaging.

Mehr Flexibilität und bessere Erreichbarkeit

Als weiteres wesentliches Kernpotenzial von VoIP für Unternehmen erachten die Berater das Plus an Flexibilität in der Telefonie und die bessere Erreichbarkeit der Mitarbeiter. Dank der Trennung zwischen logischer und örtlicher Ebene lässt sich einem über eine VoIP-Nebenstellenanlage verwalteten Telefongerät, aber auch WLAN-fähigen mobilen Endgeräten - unabhängig vom Ort - eine beliebige Nummer zuordnen. Von Vorteil ist dies insbesondere für Unternehmen mit vielen Außendienstlern oder häufig wechselnden Teams.

VoIP und die Risiken

Mit Vorurteilen gegenüber VoIP räumt Berlecon indessen auf: Grundsätzlich, so die Experten, würden die häufig aufgeführten Qualitätsverluste beim Telefonieren oder auch Sicherheitsrisiken wie das Abhören von Gesprächen oder Hacker- und Denial-of-Service-Angriffe überbetont. Mit Hilfe sorgfältiger Planung und mit gängigen, für Datennetze etablierten Maßnahmen ließen sich diese Risken minimieren. Von eher theoretischer Natur ist in den Augen der Experten vor allem die potenzielle Bedrohung durch "Spam over Internet Telefony" (SPIT). Ihrer Einschätzung nach dürfte sich dieses Thema kaum zu einem größeren Ärgernis entwickeln als etwa Fax-Spam. "Die erforderlichen Bandbreiten für Telefonate sind deutlich höher als für das Versenden von E-Mails", argumentiert Wichmann. Das ökonomische Kalkül für Spamming funktioniere demnach bei weitem nicht so gut wie bei der elektronischen Post. Allerdings schließt Berlecon nicht aus, dass die Sicherheitsrisiken parallel zur Verbreitung der Technik zunehmen könnten.

Groß ist nach Ansicht der Consultants hingegen die Gefahr, dass sich Unternehmen im Zu- ge des VoIP-Hypes zu stark auf die versprochene Kosteneinsparung fixieren, ohne sie hinreichend zu hinterfragen. In diesem Zusammenhang verweist Berlecon darauf, dass das Ausmaß möglicher Kostensenkungen durch VoIP meist von einer ganzen Reihe von Faktoren bestimmt wird. Hat ein Unternehmen beispielsweise Sonderkonditionen mit Netzbetreibern ausgehandelt, kann die Senkung der Telefongebühren durch VoIP entsprechend bescheidener ausfallen.

Für die IP-Telefonie rüsten

Angesichts des absehbaren Durchbruchs von VoIP sollten sich die Unternehmen allmählich auf eine Zukunft mit der neuen Technik einstellen. Dabei können unterschiedliche Strategien sinnvoll sein. So werden etwa Betriebe mit wenigen Niederlassungen, die sich gerade erst eine neue traditionelle TK-Anlage zugelegt haben oder der Telefonie einen geringen Stellenwert beimessen, einen Umstieg auf VoIP noch aufschieben. Die Berater empfehlen jedoch, sich die "VoIP-Readiness" schon jetzt zum Ziel zu setzen und dies bei künftigen IT- und TK-Anschaffungen zu berücksichtigen. Insbesondere Firmen mit vielen Standorten und einem hohen Gesprächsaufkommen wiederum sollten prüfen, inwieweit sich mittels VoIP schnelle Vorteile erzielen lassen. Wer sich zunächst auf kurzfristige Einsparungen durch VoIP beschränken will, sollte laut Berlecon primär externe Angebote von VoIP-Providern in Betracht zu ziehen. Eine Komplettumstellung auf die IP-Telefonie kommt am ehesten für große, national und international agierende Konzerne oder Institutionen in Frage, bei denen die örtliche Ausrichtung der gewachsenen TK-Infrastruktur im krassen Gegensatz zur Unternehmensorganisation steht. Dort sind die möglichen Kosteneinsparungen durch Konsolidierungsmaßnahmen signifikanter als etwa bei kleineren Firmen mit einheitlicher Infrastruktur und geringer regionaler Streuung.

Der Report "Voice over IP für Unternehmen - Nutzenpotenziale und Strategien für Unternehmen" ist unter www.berlecon.de zu beziehen. (kf)