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Update: Novell kauft Suse

04.11.2003
Novell übernimmt die Nürnberger Suse Linux AG für 210 Millionen Dollar und steigt damit massiv in den Linux-Markt ein. Der Deal hat Rückendeckung von IBM.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Novell übernimmt den Nürnberger Distributor Suse Linux AG zu 100 Prozent. Nachdem das Unternehmen im August dieses Jahres schon die Open-Source-Firma Ximian gekauft hat, steigt Novell nun massiv in den Linux-Markt ein. Der Deal hat Rückendeckung von IBM.

Novell bringt 210 Millionen Dollar in bar auf, um Suse bis Ende 2004 zu 100 Prozent zu übernehmen. Der Käufer will den Distributor wie Ximian als eine Product Business Unit führen. Gleichzeitig sichert sich IBM für die Zukunft ein gewisses Mitspracherecht bei seinem bisher wichtigsten Linux-Partner. Big Blue investiert in Novell 50 Millionen Dollar in Form von wandelbaren Vorzugsaktien. Suse hat bisher den größten Teil seines Umsatzes mit IBM gemacht. Derzeit verhandeln die Nürnberger und Big Blue über eine Auswei-tung der Verträge zur Anpassung von Suse Linux an IBM-Rechner.

Jack Messman: "Der Kauf von Suse Linux rundet das Profil von Novell als Lieferant vollständiger Linux-Lösungen für Unternehmen ab."
Jack Messman: "Der Kauf von Suse Linux rundet das Profil von Novell als Lieferant vollständiger Linux-Lösungen für Unternehmen ab."

Mit der Übernahme von Suse will Novell sein "Profil als Lieferant vollständiger Linux-Lösungen für Unternehmen abrunden", erklärte Geschäftsführer Jack Messman. Durch die Kombination der Produkte beider Hersteller könne man den Kunden umfassende, sichere und verlässliche Linux-Lösungen für Server und Desktops anbieten. Sein Unternehmen habe sich für Suse entschieden, weil der Distributor Technologieführer bei Linux-Lösungen sei. Suse-Chef Richard Seibt betonte "Novells globale Präsenz und Marketing-Fähigkeit". Suse hofft, durch Novells Vertriebskanäle weltweit besser vertreten zu sein.

Das Engagement der bisherigen Suse-Investoren dürfte sich mit dieser Transaktion rentiert haben. Anteilseigner waren die Venture-Kapital-Gruppen e-millennium (unter Führung von SAP und Deutsche Bank) mit 32 Prozent, Apax Partners mit 21 sowie AdAstra mit 20 Prozent. Hinzu kamen die Industrieinvestoren Intel Capital, IBM, Hewlett-Packard und SGI mit insgesamt zwölf Prozent. Vier Suse-Gründer hielten jeweils rund drei Prozent - den Rest die Belegschaft.

Bisher hat Suse-Chef Seibt immer wieder bestritten, dass sein Unternehmen möglicherweise bald übernommen werde, da ihm so langsam das Geld ausgehe. Seit Wochen kursierten in der Szene Gerüchte, namentlich Novell und der Distributor Red Hat seien an einem Kauf von Suse interessiert. Inzwischen ist bekannt, dass es tatsächlich mehrere Gespräche zwischen den beiden Distributoren gab. Ein Abschluss soll am von Suse geforderten Preis und am Widerstand der Industrieinvestoren gescheitert sein. Diese wollten offenbar verhindern, dass analog zu Microsoft ein Unternehmen den Linux-Betriebssystem-Markt beherrscht.

Richard Seibt: "Mit Novell verbindet uns die Begeisterung für offene standardisierte Lösungen."
Richard Seibt: "Mit Novell verbindet uns die Begeisterung für offene standardisierte Lösungen."

Die Übernahme soll keine unmittelbaren Auswirkungen auf die von Suse angekündigten Produkte haben. So ist vorgesehen, dass der für das zweite Quartal nächsten Jahres anvisierte Suse Linux Enterprise Server 9.0 mit dem künftigen Kernel 2.6 wie geplant auf den Markt kommt. Doch es gibt auch kritische Produktbereiche. Suses "Openexchange Server", der diverse Kommunikationsdienste bis hin zu Groupware-Funktionen umfasst, steht im Wettbewerb zu verschiedenen Produkten von Novell und dessen Tochter Ximian.

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Übernahme auf strategische Positionen von Suse auswirken wird. In einer gemeinsamen Presseerklärung von Novell und Suse ist zwar von der "Partnerschaft mit Conectiva und Turbolinux" die Rede, aber das mit diesen vertriebene Be-triebssystem United Linux wird nicht mehr erwähnt. Besorgt fragt man sich in der Linux-Community, ob es bei der traditionellen Unterstützung von Suse für die grafische Benutzeroberfläche KDE bleibt. Denn durch Ximian verfügt Novell bereits über das Konkurrenzprodukt Gnome.

"Der Support der Community ist sehr wichtig, und er könnte gegenüber der Tochter des proprietären Herstellers Novell nachlassen", gibt Alex Pinchev, President International Operations bei Red Hat, zu bedenken. "Das wäre schade für die Entwicklung von Linux." Es sei nicht ausgemacht, dass Suse unter den Fittichen von Novell ein stärkerer Konkurrent würde, so Pinchev. "Novell ist in den letzten Jahren mit seinen Übernahmen nicht glücklich verfahren." Immerhin aber bestätige der hohe Preis für Suse den gegenwärtigen Stellenwert von Linux.

"Die Übernahme ist ein Zeichen dafür, dass Linux erwachsen wird", meint Carlo Velten, Consultant beim Kasseler Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Techconsult. "Aber sie zeigt auch, dass sich die Open-Source-Kultur nicht gegen die Business-Power der großen Player zur Wehr setzen kann." Thomas Uhl, Vorsitzender des Linux-Verbands Live, glaubt, dass mit dem Engagement von Novell "die kommerzielle Bedeutung von Linux wei-ter steigen wird". Aber er sieht in der Über-nahme eines renommierten Unternehmens auch einen "Rückschlag für die deutsche Softwareindustrie". Uhl befürchtet, dass in Nürnberg bald Arbeitsplätze zur Disposition stehen könnten. (ls)