Interview

"Unsere Kunden sollen entscheiden, was wir tun"

15.05.1998

CW: In Ihrer jüngsten Pressekonferenz haben Sie kein Wort über Ihre Produkte verloren. Was hat das zu bedeuten?

Goodnight: Das Thema hieß Customer Relationship Management. Das ist nichts, was man mit einer Produktankündigung abdecken könnte.

CW: Das bedeutet offenbar einen Wandel in Ihrer Marketing-Strategie.

Goodnight: Wir wollen uns von einem Werkzeughersteller zu einem Lösungsanbieter entwickeln und gezielt bestimmte Marktsektoren bedienen.

CW: Das klingt sehr vertraut. Offenbar will jedes Unternehmen in dieser Branche neuerdings Lösungen anbieten.

Goodnight: Ja, sicher. Das liegt unter anderem daran, daß Microsoft versucht, auf dem Werkzeugmarkt jeden möglichen Sektor abzudecken. Wir können unsere Tools einfach nicht so billig anbieten wie Microsoft.

CW: Sie haben also Angst vor Microsoft?

Goodnight: Nein. Schließlich machen wir immer noch 75 Prozent unseres Umsatzes im Mainframe- und Unix-Markt. Aber generell ist dies der Beweggrund, warum viele Anbie- ter plötzlich ihre Strategie än-dern.

CW: Sie sagten, Sie wollen Ihr Lösungskonzept weiter ausbauen. Welche Teile werden Sie als erste hinzufügen?

Goodnight: Das sollen unsere Kunden entscheiden. Wir haben festgestellt, daß sie unsere beste Informationsquelle sind.

CW: Die Kundenwünsche angemessen zu berücksichtigen war eines der Themen, um die sich Ihre Pressekonferenz drehte. Inwiefern leben Sie vor, was Sie predigen?

Goodnight: Wir veranstalten jedes Jahr einmal einen "SASware Ballot". Das ist ein ziemlich demokratischer Prozeß, bei dem alle unsere Kunden die Möglichkeit haben, Verbesserungen vorzuschlagen und darüber abzustimmen, welche verwirklicht werden sollen. In unserer Entscheidung richten wir uns dabei nach der Stimmenmehrheit. Allerdings hängt der Zeitrahmen, innerhalb dessen wir die Anforderung erfüllen, möglicherweise davon ab, wie komplex die Implementierung ist.

CW: Beim SASware Ballot gilt offenbar jede Stimme gleich viel. Aber Sie werden doch sicher die Anforderungen von lukrativen Kunden bevorzugt behandeln.

Goodnight: Wir führen eine spezielle "Customer-Care"-Liste. Sie basiert auf unterschiedlichen Faktoren, die zum "Lebenszeit-Wert" (Lifetime Value) eines Kunden beitragen. Dazu gehört unter anderem die Profitabilität. Wenn ein Top-Account uns wissen läßt, daß er eine bestimmte Funktion benötigt, dann bitten wir ihn selbstverständlich nicht, eine Nominierung für den Ballot zu verfassen. Wenn es irgend geht, tun wir es einfach.

CW: Profitabilität ist für Sie nur eines der Kriterien für den Lifetime Value? Was spielt denn außerdem eine Rolle?

Goodnight: Wir betrachten den Wert, den bestimmte Kunden uns bringen, im ganzen. Beispielsweise bleiben bestimmte Anwender jahrelang immer an der Spitze der technologischen Entwicklung. Sie pflegen regelmäßigen Kontakt mit unserer Supportabteilung. Das schmälert auf den ersten Blick unseren Profit. Aber das sieht anders aus, wenn Sie das große Ganze betrachten. Denn diese Anwender bringen Probleme und Zukunftstrends auf den Tisch, die früher oder später auch den Rest unserer Kundschaft berühren werden. Auf diese Weise können wir reagieren, bevor diese Dinge eine kritische Masse erreichen.

CW: Auf Ihren Anwenderkonferenzen trifft man auffällig viele zufriedene Kunden. Gibt es dafür eine Erklärung?

Goodnight: In unserem Fall dürfen Sie sicher sein, daß wir unseren Kunden sehr genau zuhören. Außerdem bekommen unsere Vertriebsleute auch abweichende Meinungen zu hören. Aber in einem Punkt haben Sie recht: Bei unseren Anwenderkonferenzen geht es ganz anders zu als ... nun ja, ich hörte, bei Oracle sei es immer recht lebhaft.

CW: Ihre Ansprechpartner auf der Kundenseite waren bislang eher Leute mit technischem Hintergrund. Müssen Sie sich künftig an Nicht-Techniker, beispielsweise an Marketing-Manager, wenden?

Goodnight: Nein. Wir werden spezielle Vertriebsleute haben, die sich mit den Lösungen auskennen. Und die werden sich bei Bedarf an die technischen Spezialisten wenden. Das Gros der Sales-Force bleibt, wie es ist.