Kolumne

"Tubulenzen im IT-Markt"

05.11.1999

To get amazoned ist inzwischen nicht mehr nur in den USA ein feststehender Begriff. Weil Amazon.com mit dem Online-Verkauf von Büchern den Markt durcheinanderwirbelte, gerieten traditionelle Buchhändler unter Druck. Dasselbe Phänomen ist in der IT-Branche zu beobachten.

Kleine Startup-Companies drängen zum Teil ohne Business-Plan an die Börse, erwirtschaften zunächst minimale Umsätze und machen horrende Verluste - doch sie werden vom Markt allein für ihre Geschäftsideen mit Marktbewertungen in mehrstelliger Milliardenhöhe belohnt.

So diktieren Firmen wie Ariba, Commerce One, Akamai oder Vignette das Tempo, in dem sich der Markt verändert. SAP, Microsoft, Oracle und andere müssen reagieren. Ihre Unternehmensabläufe sind nicht nach den Gesetzen des World Wide Web organisiert, Altlasten und Kundenbindungen verhindern das schnelle Aufspringen auf den Zug, und das Personal ist teils unwillig, teils unfähig, dem neuen Paradigma zu folgen.

Ähnliches gilt für bisher marktführende IT-Dienstleister, die zwar reichlich Know-how im ERP- und RZ-Geschäft vorhalten, aber im Internet-Business Anfänger sind. Firmen wie EDS, Debis oder Cambridge Technology bekommen es zunehmend mit hochkapitalisierten Newcomern wie US-Web oder Icon Medialab zu tun.

Anleger an der Börse neigen angesichts dieser Situation dazu, den angestammten Playern das Vertrauen zu entziehen, so daß deren Kapitalausstattung leidet. Mit dem Geld verschwinden die Topleute, die oft zu einem Gutteil mit Aktienoptionen bezahlt werden. In nahezu allen Großunternehmen ist zu beobachten, daß sich Manager verabschieden, um eine Schlüsselposition in einem kleinen, aber ambitionierten Startup-Unternehmen zu übernehmen. Es locken unvergänglicher Ruhm und Millionengewinne.

Angesichts dieser verwirrenden Marktsituation kommt für manchen Anwender das Jahr-2000-Problem gerade recht, erlaubt es doch, Investitionen mit einem guten Argument hinauszuzögern. De facto warten derzeit aber viele Unternehmen auch ab, bis sich der Staub über der durcheinandergewirbelten IT-Branche gelegt hat und erste Konturen eines veränderten Marktes erkennbar sind. Schließlich ist keineswegs sicher, daß langjährige Haus- und Hoflieferanten aus den Turbulenzen unbeschadet hervorgehen.