Zehn Prozent der Mitarbeiter sehen die gelbe Karte

Suns Mitarbeiterbeurteilung - ein Ausleseverfahren?

20.04.2001
MÜNCHEN (jm) - Sun Microsystems dürfte bald Probleme mit einem Teil seiner Belegschaft bekommen - dann nämlich, wenn der "Performance Improvement Process" in Kraft tritt. Dabei sind Suns Manager gehalten, ihr Personal auf dessen Leistungsfähigkeit hin zu überprüfen und eine Rangfolge zu erstellen. Den am schlechtesten bewerteten Mitarbeitern, zehn Prozent der Gesamtbelegschaft, zeigt das Unternehmen die gelbe Karte.

Mit der in der US-Presse etwas beschönigend als Mitarbeiterverbesserungsprogramm ("Employee Improvement Program") bezeichneten Maßnahme sind alle Sun-Führungsverantwortlichen gehalten, jeden Beschäftigten nach seinen Befähigungen einzustufen. Eine Hitliste filtert dabei die am schlechtesten beurteilten Mitarbeiter aus. Diesen bietet Sun nahe liegende Alternativen an: Entweder sie verbessern ihre Leistungen innerhalb von 90 Tagen in einer dem Unternehmen genehmen Weise, oder sie werden mit einer Abfindung hinauskomplimentiert. Ein dritter Weg sieht vor, dass sich verwarnte Sun-Mitarbeiter in einer anderen Position im Unternehmen noch einmal beweisen können.

Sun weist jeden Hintergedanken daran zurück, bei dem Performance Improvement Program handele es sich um eine verkappte Entlassungsaktion. Die spezielle Motivationsförderung werde nicht vor Juli 2001 beginnen. Da Suns Geschäftsjahr am 29. Juni endet, ließen sich etwaige positive Auswirkungen auch nicht mehr in der Jahresbilanz verbuchen.

Allerdings gibt es Fragen: Suns Aktienkurs begab sich ab Juli 2000 bei einem Stand von 45 Dollar auf Steigflug und erreichte im September mit knapp 65 Dollar seinen Zenit. Seitdem brach der Kurs regelrecht zusammen und setzte am 9. April 2001 bei 12,85 Dollar auf (letzter Stand: 16,34 Dollar). Im gleichen Zeitraum blähte sich Suns weltweite Belegschaft von rund 36400 Beschäftigten um fast 16,5 Prozent auf 42400 Mitarbeiter bis Ende 2000 auf.

Michael Wagenknecht, Personalleiter der Sun Microsystems GmbH in Grasbrunn bei München, versuchte abzuwiegeln. Das Beurteilungssystem in seiner harten Variante gelte ausschließlich für Sun in den USA und nicht für den Rest der Welt.

Harte Variante nur in den USA"Der Fokus auf die Leistung der Mitarbeiter wird wichtiger, und es wird weniger Toleranz geben, wenn die Leistung nicht stimmt," räumte Wagenknecht ein. Allerdings sei in Deutschland das Thema nicht neu, weil es hierzulande jeweils im Juli Mitarbeitergespräche mit allen Angestellten gebe. Das Procedere der hierbei vorgenommenen Leistungsbeurteilung sei in einer Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat festgelegt: "Natürlich gibt es da dann eine Stufe, die besagt, dass die Leistung nicht ausreicht und verbessert werden muss."

Das gesamte Programm sei im Übrigen bereits im vergangenen Juli gestartet worden. Damals habe die Presse kein Aufhebens gemacht. Allerdings sagte Wagenknecht auch, Suns Mitarbeiter seien erst Anfang 2001 von dem harschen Beurteilungssystem in Kenntnis gesetzt worden: "Vom Timing her ist es sicher unglücklich, dass das jetzt in der Öffentlichkeit verhandelt wird. Und natürlich wird das jetzt von der Presse und von den Mitarbeitern anders aufgenommen."

Der Personalchef versicherte, es gebe überhaupt keine Überlegungen bei Sun, wie viele Mitarbeiter über das Beurteilungsverfahren entlassen werden sollen: "Das Programm ist nicht dazu gedacht, Entlassungen zu befördern." Richtig sei lediglich, dass natürlich auch Sun in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten die Leistungspotenziale aller Mitarbeiter verbessern müsse. Das sei wichtig, um Kündigungen vorzubeugen. Entlassungen seien für den Vorstandschef McNealy nur "die ultima ratio" und derzeit nicht in Sicht. Wenn Sun es allerdings nicht schaffe, durch eine allgemein verbesserte Leistung im Unternehmen das Geschäft zu stabilisieren und sich die Marktsituation weiter verschlechtere, "dann können Dinge passieren, die ich heute nicht vorhersehen kann". Gegenwärtig gebe es aber keinen Anlass, sich um Arbeitsplätze zu sorgen.

Suns Vorgehen ist nicht einmalig in der IT-Industrie. Kevin Rollins, Vice Chairman von Dell, erklärte im März gegenüber der CW die Entlassung von 1700 Mitarbeitern mit den Worten, man nehme jedes Jahr eine Leistungsbeurteilung der Mitarbeiter vor, "und einem Teil derer, die jetzt gehen müssen, hätten wir ohnehin gekündigt, weil ihre Leistungen entsprechend schlecht waren". Auch Intel und Cisco Systems nötigen Mitarbeiter über Beurteilungssysteme zum Weggang.