SNI: Gedanken an den Ernstfall

25.01.1991

Dieser "peppige Company-Song" (O-Ton SNI) soll die Mitarbeiter "schwungvoll auf die Arbeit einstimmen":

Siemens Nixdorf - neu

Heute eins - vorher zwei

Zusammen geht's - und es geht los

Europa kommt - und wir sind groß:

Siemens Nixdorf - neu

Mit seinen besten Kräften

ist jeder von uns dabei:

Das Beste von beiden wird eins

Das Beste wird Europas Nr. 1

Aus: Inline 12/90, der Mitarbeiterzeitschrift der Siemens Nixdorf Informationssysteme AG, Paderborn

Als die Verantwortlichen der Siemens Nixdorf Informationssysteme (SNI) AG im vergangenen Herbst erstmals gemeinsam vor der nationalen und internationalen Presse posierten, führte der Vorstandsvorsitzende Hans-Dieter Wiedig, ganz Gentleman (über "Erfolge" beim Personalabbau spricht man nicht), zunächst pflichtgemäß eine sanierungsbedürftige Nixdorf-Organisation vor. Wenn die Beweise erdrückend sind, machen sich Geständnisse immer gut. Die Aneinanderreihung von Glückauf-Statements und Synergy-at-work-Parolen konzentrierte den Blick dann allerdings sehr schnell auf eine rosarote Zukunft, in der SNI ganz groß herauskommen soll (siehe "Company-Song").

Wiedig hätte natürlich sagen kennen daß SNI äußerst schwierige Zeiten bevorstehen - aber er tat es nicht. Statt dessen gab der alerte SNI-Chef die Prognose ab, bereits nach Ablauf des ersten Geschäftsjahres (1990/91) werde das Gemeinschaftsunternehmen - eine starke Siemens-DV mache es möglich - zumindest nicht mehr in der Verlustzone sein. Nun müssen neue Erklärungen her, denn Nixdorf rutscht weiter ab (Seite 1). Nur Superschlaue (Superalerte) konnten freilich den eigenen Versprechungen glauben.

Neue Erklärungen (der böse, böse Markt!), aber auch Achselzucken beim mehrheitlich von Siemens gestellten SNI-Vorstand - dagegen immer noch keine Antworten auf die alten Fragen: Wie will Wiedig die SNI-Verkäufer heiß machen? Den Hymnen-Versuch ("Das Beste von beiden ...") lassen wir - im SNI-Interesse, wohlgemerkt - nicht gelten. Wo ist das klare Konzept? Von wem kommen die Impulse? Vor allem: Wie kann das Vertrauen der Nixdorf-Kunden zurückgewonnen werden?

Und auch das vermeintlich Undenkbare muß von verantwortungsbewußten SNI-Managern ins Kalkül gezogen werden: Kann SNI, auf sich allein gestellt, profitabel am Wettbewerb auf dem DV-Weltmarkt teilnehmen, was ja die Voraussetzung für's Überleben wäre? Gedanken an ein Scheitern der SNI, warum nicht? Daß sich die Nixdorf-Kunden weiterhin zurückhalten, dürfte ein ausreichender Grund für derartige Überlegungen sein.