Computer wartet auf Arbeit:

Selbstbedienung zum Nulltarif geplant

18.06.1976

HAMBURG - "Bankleistungen mit Hilfe des Computers produzieren und in Selbstbedienung verkaufen", lautet die Philosophie der "ersten vollautomatischen Bank Deutschlands", der NTB-Verbraucherbank AG. Dieser neue Name für die 20 Jahre alte Norddeutsche Teilzahlungsbank Dr. Ade & Co. symbolisiert Expansionsabsichten: Nachdem das Institut Ende Mai die Vollbanklizenz erhielt, will es zusätzlich zum Ratenkreditgeschäft einmal Lohn- und Gehaltskonten anziehen und zum anderen Einzelhandelsunternehmen den direkten Anschluß von POS-Systemen an seinen Bankcomputer anbieten.

DFÜ gegen Telefonitis

Im Kreditgewerbe dient die Datenverarbeitung heute in der Regel als Informationssystem - die Banken werden zumeist geführt wie Tante-Emma-Läden", bemängelte SB-Pionier und NTB-Vorstandssprecher Alfred Richter bei einer Pressekonferenz in Hamburg. "Bei uns gibt, es seit drei Jahren keine von Menschenhand gefertigte Bankleistung mehr. Ich will dem Verbraucher zeigen wie man in Zukunft Banktechnik macht."

Seitdem sich das Bankgeschäft mit dem Verbraucher zu einem reinen Mengenproblem entwickelt hat, muß nach Meinung von Richter "die Verfahrenstechnik der Banken neu überdacht werden". Er hat schon gedacht: Die NTB zahlt für ihr IBM-System 370/135 rund 1 Million Mark Miete im Jahr. "Soviel wie fünfzig Mitarbeiter kosten. Aber wenn wir arbeiten würden wie andere Institute, müßten wir 120 Mitarbeiter mehr haben." Dazu kommen 250 000 Mark Leitungskosten jährlich für Standverbindungen zu allen neuen Niederlassungen - kein Mehraufwand, weil das Unternehmen durch DFÜ Telefonkosten in gleicher Höhe einsparte. Die NTB-Datenverarbeitung beginnt schon bei der Kreditprüfung vor Geschäftsabschluß. Bei einer Angabe des Kunden werden 28 Kriterien geprüft. Richter: "Mit der Bonitätsprüfung sparen wir pro Jahr mindestens 1 Million Mark." Die Bank, die noch branchenübliche 1,5 Prozent Ausfallquote (berechnet vom ausgeliehenen Betrag) kalkuliert, hofft auf diesem Weg im Lauf der nächsten Jahre die tatsächlichen Ausfälle auf 0,8 Prozent drücken zu können. Alles weitere ist programmiert - bis zum Ausdruck von Pfändungsbeschlüssen und Commputerbriefen an das Nachlaßgericht.

"Wer sind die Erben?", wenn ein Schuldner stirbt, bevor er seine Raten abgestottert hat.

Weil der NTB-Computer trotz 450 laufenden Anwendungsprogrammen immer noch "auf Arbeit wartet", hat die NTB eine Vollbank-Lizenz erworben: Mit Hochgeschwindigkeit Bankservice" und "Selbstbedienung zum Nulltarif" sollen Lohn- und Gehaltskonten gelockt werden. Ihren ersten Bargeldautomaten will die Bank 1977 in Berlin aufstellen. Weitere Pläne: Überweisungen sollen beleglos durch direktes Eintasten ins Terminal erledigt werden. Überziehungsgespräche sollen entfallen - dem Kunden wird automatisch ein Kreditrahmen eingeräumt; Stundung von Raten kann am Bildschirm beantragt werden Richter hofft nicht nur "jung(...)/modern/technisch denkende Arbeitsnehmer" zu interessieren, sondern auch Firmen: "Die Löhne und Gehälter können am Tag des Geldeinganges auf die Mitarbeiterkonten per Computer verteilt werden - die Firmen müssen das Geld nicht mehr 8 Tage vorher zur Verfügung stellen, weil die Laufzeiten so lang sind."

Zweiter Richter-Plan: C & C-Märkten und Einzelhandlungsunternehmen wird der Anschluß ihrer POS-Terminals an das NTB-Netz ermöglicht. Die Kunden der Handelsunternehmen, die ein Konto bei der Verbraucherbank eröffnen müssen, erhalten Ausweise die an der Kasse eingelesen werden und nicht nur bargeldlose Zahlung ermöglichen, sondern auch die sofortige Abbuchung des Gegenwertes vom jeweiligen Konto bewirken. Richter: Die Firmen wollen vom vielen Bargeld weg - die Kunden und Mitarbeiter sollen diese privaten Bankgeschäfte an POS-Terminals miterledigen können. Die ersten Verhandlungen mit POS-Herstellern und Handelsunternehmen laufen. Die NTB-Verbraucherbank will "Bankleistungen an den Brennpunkt des Warenaustausches bringen" und ihren Filialen einen "Tag- und Nacht-Service" bieten.