Satire/CW-Wert

26.07.1996

Einkaufen ist langweilig. Vergnügen bereitet allein die Beobachtung anderer Einkäufer. Am unterhaltsamsten sind langjährige Ehepaare, deren männlicher Teil neu eingekleidet werden soll. Schon zu Beginn des Verkaufsgesprächs wird ihm die Verfahrensherrschaft entwunden, falls er sie jemals hatte. Gattin und Verkäufer unterhalten sich per er über den Delinquenten, der beredt schweigend daneben steht und anzieht, was ihm eben vorgelegt wird.

Mit diesem Alltagskino ist es vorbei, wenn alle sich nur noch in den Cyber-Malls, den virtuellen Kaufhäusern, eindecken. Und sogenannte Visionäre arbeiten daran, den auch dann noch unvermeidlichen Rest an direkten menschlichen Begegnungen durchzufunktionalisieren, nicht zuletzt im Interesse einer reibungsloseren Kapitalverwertung. MIT-Forscher Nicholas Negroponte schwärmte unlängst vom Computer unter der Haut, mit dem sich Informationen via Handschlag übertragen ließen. Es ginge dann nicht mehr, wie in Francois Truffauts schönem Film, "Auf Liebe und Tod", sondern bloß noch um Datenaustausch.

Wenn so ein Körpernetzwerk Gewinn verspricht, werden die Firmen es machen, und die Zeitgeistler werden es kaufen. Wir Freunde des wirklichen Lebens haben nur eine, allerdings auf reichlich DV- Erfahrung beruhende Hoffnung: daß es nicht funktionieren wird. Der modebewußt gewordene Mann wird dem Verkäufer die Hand mit dem Info-Implantat reichen, und der wird ihm einen Schottenrock und zwei Feinstrumpfhosen bringen. DV verhindert sich notfalls selbst. Das ist die List der Vernunft.