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SAP und Siebel begraben das Kriegsbeil

17.03.2000
Hasso Plattner entgeht dem Zeugenstand

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die SAP AG hat ihre zwei Klagen gegen den Front-Office-Anbieter Siebel Systems zurückgezogen, die den US-Konkurrenten bezichtigten, aus unlauteren Absichten rund 30 hochkarätige Mitarbeiter von SAP America abgeworben zu haben. Zwei Ex-Führungskräften hatte die deutsche Softwareschmiede vorgeworfen, dem neuen Arbeitgeber Industriegeheimnisse verraten zu haben. Gleichzeitig hat Siebel seine Gegenklage gegen SAP beigelegt, hieß es von Siebels Anwalt Thomas Kittredge.

Nach einem Bericht des "Wall Street Journal", das sich auf gut informierte Kreise beruft, hat SAP seine Klage zurückgezogen, da Siebel-Anwälte offenbar die Absicht hatten, führende Mitarbeiter des ERP-Anbieters (Enterprise-Resource-Planning) vor Gericht detailliert zu Geschäftsstrategien zu befragen. Zudem sollte SAP-Vorstandssprecher Hasso Plattner bis zu drei Tagen in den Zeugenstand berufen werden. Das schien den Walldorfern wohl doch zu riskant. Beide gegen Siebel angestrebten Verfahren wurden zurückgezogen. SAP-Sprecher Gundolf Moritz bestätigte die Beilegung der Klagen gegenüber CW Infonet, wollte sich zu den Gründen jedoch nicht weiter äußern.

Im vergangenen Jahr verlor der einstige Senkrechtstarter am ERP-Himmel insgesamt rund 200 Mitarbeiter an Unternehmen wie Oracle, i2 Technologies und Startup-Companies, die mit Aktienoptionen lockten. Der letzte in dem nicht enden wollenden Mitarbeiter-Exodus bildete Anfang dieses Jahres John Milana, der seinen Hut als Finanzchef von SAP America nahm, um bei einer nicht namentlich genannten E-Commerce-Firma anzuheuern (CW Infonet berichtete).

An Siebel gab SAP nicht nur über ein Dutzend sondern auch besonders hochkarätige Führungskräfte ab, darunter den ehemaligen US-Chef von SAP Paul Wahl und Jeremy Coote, Ex-President der amerikanischen Niederlassung. Im August 1999 brachten die Walldorfer die erste Beschwerde gegen Siebel am Bundesgericht von Philadelphia vor, die den Konkurrenten davon abhalten sollte, Andrew Zoldan, damals Chef der Produktion von CRM-Applikationen (Customer-Relationship-Management), und SAPs Ex-Pressechefin Narina Sippy einzustellen. Das deutsche Softwarehaus sah dabei nicht so sehr die Gefahr, dass die ehemaligen Mitarbeiter vertrauliches Material in Form von Dokumenten oder Disketten mitgenommen haben könnten, sondern betonte die Tatsache, dass die Führungskräfte in geschäftskritisches Wissen eingeweiht gewesen seien. Plattner hatte diesen Schritt folgendermaßen begründet: "Diese Leute waren in allen Strategie-Meetings dabei, und wenn sie diese internen Informationen ausnutzen, können wir juristisch dagegen vorgehen." Im September 1999 reichte SAP dann eine nicht näher bezifferte Schadensersatzklage gegen Siebel im Pennsylvania State Court ein, da die "räuberische Einstellungspraxis" des Konkurrenten ihrem Geschäft geschadet habe (CW Infonet berichtete) .

Um dem Führungskräfteschwund entgegenzuwirken und als Arbeitgeber attraktiver zu werden, haben die Walldorfer inzwischen ein umfangreiches Firmenbeteiligungsprogramm für Mitarbeiter geschaffen und verabschiedet. Insgesamt sollen an dem Programm bis zum Jahr 2002 acht Prozent der derzeitigen 22 000 Mitarbeiter beteiligt werden. Ausgegeben werden könnten insgesamt bis zu fünf Millionen Wandelschuldverschreibungen oder maximal 6,25 Millionen Optionen auf Vorzugsaktien, die je nach Kursverlauf einen Wert von mehreren Milliarden Mark haben können.

Mit der Beilegung der gerichtlichen Streitigkeiten entkommt die SAP nicht nur der Gefahr, interne Geheimnisse im Zeugenstand preisgeben zu müssen, sondern kann ebenfalls dem von vielen Analysten befürchteten Imageverlust entgegenwirken. Marktforscher hatten die Klage der Walldorfer einerseits zwar als wirksames Mittel gegen Abwerbungen eingestuft, sie aber andererseits auch als einen Akt der Verzweiflung gedeutet, der für das Unternehmen mehr Schaden als Nutzen anrichten könnte.