SAS nützt Akademie als Rekrutierungspotenzial

Sanfter Start für Quereinsteiger

16.06.2000
Von Karl-Ferdinand Daemisch
Studieninhalt und -abschluss oder Noten gelten als eher zweitrangig: Zielstrebig Neues zu wollen, Mut zum Risiko sowie soziale Kompetenz entscheiden über die Aufnahme in die SAS Academy.

Für die Ausbildung qualifizierten Nachwuchses wurde kaum - und wenn - erst spät etwas getan. "Die Green Cards eröffnen zwar auch einen Lösungsweg", wägt Anne Dörrhöfer ab, Director Human Resources and Finance bei SAS Institute in Heidelberg. "Bei Bedarf werden wir wohl darauf zurück greifen. Als Allheilmittel oder grundsätzliche Lösung taugen sie sicher nicht."

Daher orientiert sie sich nicht in der indischen Ferne. Als Reaktion auf den Fachkräftemangel entstand die Idee der SAS Academy. Ziel und Konzept war, das wissenschaftliche Potenzial unterschiedlicher Fakultäten für das Unternehmen zu erschließen.

Um die Idee mit Leben zu füllen, wurden bundesweit Studenten vieler Nicht-IT-Studiengänge angesprochen: "Es war ein Versuch, mehr noch, eine Herausforderung. Keiner wusste, ob damit der gewünschte Erfolg erreicht würde", erinnert sich Dörrhöfer. Das Unternehmen stützte sich dabei nicht auf institutionelle Einrichtungen, sondern suchte seinen eigenen Weg.

Derzeit läuft der vierte SAS-Academy-Kurs. Die überwiegende Mehrheit der jeweils maximal 15 Teilnehmer wird einen Job bei SAS erhalten. Die anderen werden entweder ein Angebot aus der Industrie annehmen oder sich anderweitig orientieren.

Dass andere als reine Fachkriterien zur Beurteilung von Eignung und Einsatzfähigkeit fachfremder Interessenten für die Academy gelten mussten, stand von vornherein fest. Analytische und konzeptionelle Fähigkeiten sowie Kenntnisse der englischen Sprache stellen nur die "halbe Wahrheit" für die Eignungsbeurteilung dar. Selbst fehlendes IT-Know-how gilt nicht als K.o.-Kriterium.

Das ideale Profil klingt zunächst so prätentiös wie - für deutsche Lande - ungewöhnlich, denn es ist an der Firmenkultur orientiert. "Wir suchen Menschen, die zu uns passen, die den Willen haben, in eigener Initiative Neues nicht nur anzufangen, sondern den neuen Weg für sich erfolgreich zu gestalten", umreißt die SAS-Personalfrau den Auswahlmodus.

Intensiv kümmert sich das Unternehmen in der Folgezeit um die Kursteilnehmer. Jedem stehen während der Ausbildungsphase mehrere Ansprechpartner zur Seite. Darüber hinaus trägt SAS auch wirtschaftlich zur Unterstützung der Teilnehmer bei.

Eben diese "Herausforderung" war für zwei Teilnehmer des ersten Kurses vom Sommer 1998 der entscheidende Anstoß. "Eine Sicherheit, bei SAS nach Ende des Kurses eine Anstellung zu erhalten, gab es nicht", bestätigte Christiane Dronia. Sie kommt als Quereinsteigerin aus der Physik und war mit IT-Wissen schon "vorbelastet". Das hohe Innovationstempo der IT war ihr nicht fremd, da auch in der Physik fast täglich neue Erkenntnisse auftauchen.

Sie hat es ebenso geschafft wie ihr Kollege Hans Jörg Stotz. Promoviert in Philosophie bewarb er sich blind, weil er einfach "Spass an formalen Systemen" hat und für ihn in diesem Bereich - wie er offen zugibt - "kaum eine adäquate berufliche Chance bestand". Das war für ihn auch der Grund, selbst aktiv zu werden. "Nach den vier Monaten Ausbildung stellte sich heraus, dass beide Seiten doch gut zusammen passen", freut er sich noch heute. Derzeit beschäftigt er sich als Technical Consultant mit dem Software-Innenleben neuer Produkte.

Auch wenn beide Absolventen ihre ersten Kontakte zum Unternehmen und ihre heutige Arbeit unterschiedlich beschreiben, einen Faktor sehen sie gleich: "Die Arbeit macht Spaß." Das galt für die Zeit der Ausbildung ebenso wie es heute die tägliche Arbeit mit den Kollegen und die neuen Aufgaben betrifft. Kein Wunder also, dass sich auf die an den Universitäten gestreuten Annoncen für das Auswahlverfahren mittlerweile bereits mehrere Hundert Bewerber melden.

Die viermonatige Ausbildung ist dicht gepackt und fordert von den Teilnehmern einiges an Leistung. So müssen bei einigen Teilnehmern IT-Grundkenntnisse wieder aufgefrischt werden, verbunden mit Inhalten der SAS-Softwarewerkzeuge. Dabei wird das theoretisch Gelernte durch Tests laufend überprüft. "Das erinnert an die Studienzeit und macht den Einstieg leichter", erzählt Dronia.

Hinzu kommen Informationen über die im Unternehmen möglichen Tätigkeitsfelder, um es den Kursteilnehmern zu erleichtern, ihre Interessen auszuloten. "Nach dem Abschluss konnte ich sofort in das Team eines Großbank-Kundenprojekts einsteigen", freut sich die heute in der Niederlassung Köln tätige Ex-Physikerin. Sie will dort das derzeit noch kleine Consulting-Team weiter ausbauen.

Stotz spricht auch Schwellen und Barrieren an. Er nennt sie "die wohl allgemeinen emotionalen Hürden nach Abschluss eines Studiums", die es für ihn zu überwinden galt. "Doch wurde dies für mich nicht zum Problem, weil die Atmosphäre und die Arbeitsweise sehr offen sind." Ebenso betont er, dass er schnell Verantwortung übernehmen konnte, "ohne lang an der Leine geführt" zu werden: Sein Ziel ist klar. Nach den ersten Projekten wird er sich in größerem Umfang engagieren. Seine Entwicklungsmöglichkeiten schätzt er recht gut ein. Dass allzu schnell Routine einkehren wird, verneinen beide Absolventen. Stotz ist sich sicher: "Da die IT-Entwicklung so schnell läuft, kann ich im Hintergrund auch meinem Forscherdrang freien Lauf lassen."